Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit der ordentlichen betriebesbedingten Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Kundenbetreuers einer ehemaligen Landesbank

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ist aufgrund auf europarechtlichen Vorgaben beruhender Rekonstrukturierungsmaßnahmen das Neukundengeschäft einer ehemaligen Landesbank eingestellt bzw. ausgegliedert worden und beschränkt sich die Erforderlichkeit der Arbeitsleistung eines Arbeitnehmers nur noch auf die gelegentliche Zuarbeit im Rahmen der Führung von Regressprozessen, so ist eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung wirksam. Das gilt insbesondere dann, wenn auf die Arbeitskraft des Arbeitnehmers nur noch sporadisch zurückgegriffen wird und völlig unklar ist, welche Tätigkeiten er zuletzt verrichtet hat.

2. Kündigungsschutz besteht auch nicht nach § 17 Abs. 3 MTV Banken, da die dort angeführte Ausnahme, nämlich eine Betriebsänderung i.S.von § 11 BetrVG vorliegt.

3. Eine Betriebsvereinbarung, wonach Arbeitnehmer, die mehr als 20 Jahre ununterbrochen bei dem Arbeitgeber tätig sind, ordentlich unkündbar sind, verstößt gegen § 77 Abs. 3 BetrVG, da die Voraussetzungen für den Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts in § 17 Nr. 3 MTV Banken abschließend definiert sind.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Rheine (Entscheidung vom 30.04.2015; Aktenzeichen 4 Ca 1608/14)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 19.03.2015, verkündet am 30.04.2015 (4 Ca 1608/14), abgeändert und die Klage kostenpflichtig abgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.

Der 1960 geborene Kläger wurde zum 01.07.1986 von der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der X AG (X) eingestellt. Seit 2001 war er als Kundenbetreuer für den Geschäftsbereich "Öffentliche Kunden" in der X-Filiale N tätig. Er war dem Geschäftsbereich Verbundbanken und dort der Organisationseinheit "12345" zugeordnet. Rechtsgrundlage des Arbeitsverhältnisses der Parteien war ab dem 01.06.2003 ein Anstellungsvertrag in dem es u. a. heißt:

" . . .

1. Sie werden als Kundenbetreuer im Unternehmensbereich Kunden, Geschäftsbereich Öffentliche Kunden, als außertariflicher Vertragsangestellter mit dem Titel

Bevollmächtigter

in N angestellt.

Das Anstellungsverhältnis wird als unbefristetes Anstellungsverhältnis abgeschlossen. Es kann von beiden Vertragsparteien mit einer Frist von sechs Monaten jeweils zum Ende eines Quartals gekündigt werden. Die Kündigung bedarf der Schriftform.

Der Anstellungsvertrag endet automatisch zum Ende des Monats, in dem Sie Ihr 65. Lebensjahr vollenden, sofern nicht andere gesetzliche Regelungen bestehen.

2. Die Bank behält sich vor, Sie an allen Orten ihrer Geschäftstätigkeit - auch des Bank- und banknahen Beteiligungsgeschäftes - einzusetzen, soweit sie dies aus geschäftlichen Gründen für zweckmäßig erachtet. Eine Versetzung ins Ausland werden wir nur mit Ihrer ausdrücklichen Zustimmung vornehmen.

. . .

15. Alle sonstigen Einzelheiten des Anstellungsverhältnisses, soweit sie in diesem Vertrag nicht geregelt sind, richten sich nach den allgemein bei der Bank geltenden Grundsätzen. Dies gilt nicht für in der Betriebsvereinbarung getroffene Regelungen, die bereits durch diesen Vertrag gesondert vereinbart sind, insbesondere für § 4 der Betriebsvereinbarung in der jeweils gültigen Fassung.

. . . "

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Anstellungsvertrags wird auf ABl. 4 - 7 Bezug genommen.

Der Kläger erzielte zuletzt einen Jahresverdienst von 93.000,00 €. Ihm sind Beihilfeleistungen nach den beamtenrechtlichen Regelungen des Landes Nordrhein-Westfalen zugesagt. Aufgrund einer besonderen Vertragskonstruktion gilt er als sogenannter "Doppelvertragler". Er ist in zweiter Ehe verheiratet und hat zwei eigene, erwachsene Kinder, die ein wissenschaftliches Hochschulstudium betreiben. In seinem Haushalt sind außerdem die beiden Kinder seiner jetzigen Ehefrau aufgenommen.

In einer "Ergänzungsvereinbarung Telearbeit" vom 12.11.2009, die durch Schreiben vom 27.09.2010 auf unbefristete Zeit verlängert wurde, vereinbarten die Vertragsparteien, dass der Kläger einen Teil seiner Arbeitsleistung in seinem Home-Office in F verrichtet. Konkret geschah dies an vier von fünf Arbeitstagen pro Woche. Mit Schreiben vom 28.05.2013 kündigte die Beklagte diese Ergänzungsvereinbarung zum 31.08.2013. Durch rechtskräftig gewordenes Urteil vom 27.05.2014 erklärte das Arbeitsgericht Rheine (4 Ca 10/14) die Kündigung aber für unwirksam.

Aufgrund entsprechender Vorgaben der EU stellte zum 30.06.2012 die X, die zu diesem Zeitpunkt ca. 2.700 Arbeitnehmer beschäftigte, das Bank-Neugeschäft ein und firmierte um in die Beklagte. Zugleich wurde das verbleibende Bankgeschäft auf die F1 transferiert. Das Service-Geschäft der Beklagten wurde zum 01.02.2014 auf eine Tochtergesellschaft, die Q GmbH (Q), übertragen. Der Geschäftsbereich Verbundbank wurde aus der Beklagten herausgelöst und mit Wirkung ...

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