Entscheidungsstichwort (Thema)

Unverzüglichkeit der Kündigung bei fingierter Zustimmung des Integrationsamtes

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Kündigungserklärungsfrist nach § 91 Abs. 5 SGB IX beginnt spätestens nach Ablauf von zwei Wochen, nachdem der Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung zur fristlosen Kündigung des schwerbehinderten Arbeitnehmers beim Integrationsamt eingegangen ist. Dies gilt auch dann, wenn das Integrationsamt angekündigt hat, dem Arbeitgeber werde noch ein förmlicher Bescheid über die beantragte Zustimmung zugestellt.

 

Normenkette

SGB IX § 91 Abs. 2 S. 2, Abs. 5; BGB § 626

 

Verfahrensgang

ArbG Hagen (Westfalen) (Urteil vom 20.11.2008; Aktenzeichen 4 Ca 496/08)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 20.11.2008 – 4 Ca 496/08 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 13.800,00 EUR festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung vom 16.11.2007, die dem Kläger am 17.11.2007 zugegangen ist.

Der am 11.03.1947 geborene, verheiratete Kläger ist seit dem 22.02.1998 im Betrieb der Beklagten, in dem regelmäßig mehr als 40 Arbeitnehmer beschäftigt sind, zuletzt als technischer Leiter und Prokurist zu einem monatlichen Bruttoentgelt von ca. 4600,00 EUR beschäftigt. Der Kläger wurde mit Bescheid vom 12.07.2007 als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 50 anerkannt.

Mit Schreiben vom 26.10.2007, das am selben Tage beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe/Integrationsamt Westfalen einging, beantragte die Beklagte die Zustimmung zu einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Klägers unter Berufung darauf, dass sie am 24.10.2007 von erheblichen Loyalitätsverstößen des Klägers erfahren habe.

Mit Schreiben vom 12.11.2007 teilte das Integrationsamt dem Beklagtenvertreter unter anderem folgendes mit:

Das Urteil hat hier eine Auflistung die aus technischen Gründen nicht eingesetzt werden kann.

Das Urteil kann in vollständiger Form für 12,50 EUR beim Landesarbeitsgericht angefordert werden

Wegen der weiteren Einzelheiten des Schreibens vom 12.11.2007 wird auf Bl. 123 f. d. A. Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 16.11.2007, das dem Kläger am 17.11.2007 zugestellt wurde, erklärte die Beklagte die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Gegen diese Kündigung richtet sich die am 23.11.2007 beim Arbeitsgericht Hagen eingegangene Feststellungsklage.

Der Kläger hat vorgetragen, ein wichtiger Grund zur Kündigung im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB sei nicht gegeben. Zudem sei die fristlose Kündigung bereits deswegen unwirksam, weil sie nicht unverzüglich im Sinne des § 91 Abs. 5 SGB IX erklärt worden sei.

Nachdem die Beklagte im Termin vom 20.12.2008 vor dem Arbeitsgericht Hagen den Antrag auf Erteilung eines Zeugnisses anerkannt hat, hat der Kläger den Erlass eines entsprechenden Anerkenntnis-Teilurteils und darüber hinaus beantragt,

  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die am 16.11.2007 geschriebene und am 17.11.2007 zugegangene außerordentliche Kündigung nicht aufgelöst worden ist,
  2. es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den Kündigungstermin hinaus fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, der Kläger habe schwerwiegende Loyalitätsverletzungen begangen, die einen wichtigen Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darstellten. Von diesen Pflichtverletzungen habe ihr Geschäftsführer erst am 24.10.2007 Kenntnis erlangt. Die fristlose Kündigung vom 16.11.2007 sei auch unverzüglich im Sinne des § 91 Abs. 5 SGB IX erklärt worden. Denn der Bescheid des Integrationsamtes vom 12.11.2007 sei ihren Prozessbevollmächtigten erst an 15.11.2007 zugestellt worden. Sie, die Beklagte, habe davon ausgehen dürfen, dass aufgrund von behördeninternen Abläufen eine Entscheidung erst in der zweiten Novemberwoche des Jahres 2007 getroffen werde. Im Hinblick auf die angekündigte Entscheidung und deren Zustellung am 15.11.2007 könne die Unverzüglichkeit nicht in Frage gestellt werden.

Im Termin vom 20.11.2008 hat das Arbeitsgericht Hagen folgendes Anerkenntnisteil- und Schlussurteil verkündet:

„Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 17.11.2007 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Schlusszeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung bezieht.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits (Kostenstreitwert: 27.387,54 EUR) werden dem Kläger zu 33 %, der Beklagten zu 67 % auferlegt.

Der Streitwert wird auf 18.258,36 EUR festgesetzt.”

Gegen diese Entscheidung, die der Beklagten am 23.01.2009 zugestellt worden ist, richtet sich die Berufung der Beklagten, die am 23.02.2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangen und am 23.03.2009 begründet w...

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