Entscheidungsstichwort (Thema)

Kürzung einer Anwesenheitsprämie

 

Leitsatz (amtlich)

Keine geltungserhaltende Reduktion bei Kürzung einer Anwesenheitsprämie über den Rahmen des § 4 a EFZG

 

Normenkette

EFZG § 4a; BGB § 306

 

Verfahrensgang

ArbG Bochum (Urteil vom 09.07.2009; Aktenzeichen 4 Ca 774/09)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 09.07.2009 – 4 Ca 774/09 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Anwesenheitsprämie.

Die am 31.07.1960 geborene Klägerin ist bei der Beklagten als außertarifliche Angestellte beschäftigt. Sie erzielte 2008 ein Jahreseinkommen von 51.742,15 EUR brutto.

Auf der Betriebsversammlung im November 2007 sagte der geschäftsführende Gesellschafter der Beklagten, Herr J1 P3-D4, allen Mitarbeitern eine Anwesenheitsprämie für das Jahr 2008 in Höhe von 1.000,– EUR brutto unter der Voraussetzung zu, dass der Arbeitnehmer in dem laufenden Kalenderjahr keinen einzigen krankheitsbedingten Fehltag aufweise. Die Klägerin war im Jahre 2008 an 24 Arbeitstagen arbeitsunfähig krank. Die Anwesenheitsprämie in Höhe von 1.000,– EUR brutto wurde an sie nicht ausgezahlt. Nachdem sie diesen Anspruch ohne Erfolg schriftlich geltend gemacht hatte, verfolgt sie ihn mit ihrer am 26.03.2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage weiter.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.000,– EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, der Klägerin stehe die Leistung nicht zu, da sie die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfülle. Bei der Höhe ihres Einkommens führe auch eine Kürzung gemäß § 4 a EFZG dazu, dass die gewährte „Prämie” völlig aufgezehrt werde.

Durch Urteil vom 09.07.2009, auf das wegen des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstands Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht nach dem Klageantrag erkannt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Leistungszusage des Geschäftsführers der Beklagten in der Betriebsversammlung und ihre Akzeptierung durch die Arbeitnehmer als entsprechende vertragliche Vereinbarung zu verstehen sei. Eine konkrete Kürzungsmöglichkeit hätten die Parteien nicht abgeschlossen. § 4 a EFZG könne nicht unmittelbar angewandt werden, da nach der Schuldrechtsreform aus § 306 Abs. 2 BGB das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion abgeleitet werde.

Gegen dieses ihr am 07.12.2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 01.12.2009 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 08.03.2010 am 03.03.2010 begründet.

Sie rügt die Argumentation des Arbeitsgerichts insoweit als widersprüchlich als das Arbeitsgericht davon ausgegangen sei, dass eine Kürzungsmöglichkeit im Sinne des § 4 a EFZG nicht vereinbart worden sei. Entsprechend der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25.07.2001, 10 AZR 502/00, stehe die Zusage der Beklagten einer Kürzungsregelung gemäß § 4 a EFZG gleich, die Kürzungsmöglichkeit habe danach zu erfolgen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 09.07.2009 – 4 Ca 774/09 – aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Zum weiteren Sachvortrag im Berufungsverfahren wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat der Klägerin zu Recht einen Anspruch auf Anwesenheitsprämie in Höhe von 1.000,– EUR zuerkannt. Der Anspruch der Klägerin ergibt sich aus einer Gesamtzusage der Beklagten. Die für das Bestehen eines Anspruchs formulierte Bedingung – kein einziger Fehltag im Jahre 2008 – stellt der Sache nach eine Kürzungsvereinbarung dar, die jedoch gegen § 4 a EFZG verstößt und damit unwirksam ist. Nach Inkrafttreten des Schuldrechtsreformgesetzes kann sie auch nicht in dem rechtlich zulässigen Rahmen aufrechterhalten werden.

1) Eine Gesamtzusage ist die an alle Arbeitnehmer in allgemeiner Form gerichtete Erklärung des Arbeitgebers, zusätzliche Leistungen zu erbringen. Durch diese Zusage erwerben die Arbeitnehmer einen einzelvertraglichen Anspruch auf die versprochenen Leistungen, wenn sie die Anspruchsvoraussetzungen erfüllen. Das in der Gesamtzusage liegende Angebot, dessen ausdrückliche Annahme durch den Arbeitnehmer in der Regel gemäß § 151 BGB entbehrlich ist, wird Inhalt des Arbeitsvertrages. Die Gesamtzusage schafft eine allgemeine Ordnung, die für alle von ihr erfassten Arbeitnehmer einheitlich zu beurteilen ist. Die Arbeitnehmer erwerben einen einzelvertraglichen Anspruch auf die versprochenen Leistungen, wenn sie die vom Arbeitgeber genannten Anspruchsvoraussetzungen erfüllen. Ob eine Gesamtzusage vorliegt und welchen Inhalt sie hat, richtet sich gemäß §§ 133, 157 BGB nach den für Willenserkl...

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