Entscheidungsstichwort (Thema)

Einigungsstellenbesetzung. offensichtliche Unzuständigkeit. ordnungsgemäße Einleitung des Beschlussverfahrens. unzulässigere Vorratsbeschluss. vorzeitige Anrufung der Einigungsstelle. Auskunftsanspruch des Wirtschaftsausschusses. Ablehnung des Einigungsstellenvorsitzenden. Zahl der Beisitzer

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Betriebsrat muss sich vor einer Beschlussfassung über die Einleitung eines Beschlussverfahrens als Gremium mit dem entsprechenden Sachverhalt befassen und den Regelungsgegenstand durch Abstimmung einer einheitlichen Willensbildung zuführen. Dabei müssen die in dem Beschlussverfahren zu stellenden Anträge aber noch nicht in dem zu fassenden Betriebsratsbeschluss im Einzelnen formuliert sein. Vielmehr ist es ausreichend, wenn der Betriebsratsbeschluss den Gegenstand, über den in dem einzuleitenden Beschlussverfahren eine Klärung herbeigeführt werden soll, und das angestrebte Ergebnis bezeichnet.

2. Für die Einleitung eines gerichtlichen Bestellungsverfahrens nach § 98 ArbGG genügt es, dass Betriebsrat und Arbeitgeber wissen, worum es bei den Verhandlungen gehen soll. Ist der Regelungsgegenstand hinreichend bekannt, liegt es in der Hand jeder Seite, frei zu entscheiden, wann sie die Einrichtung einer Einigungsstelle mit gerichtlicher Hilfe für notwendig erachtet.

3. Auch die Kosten, die der Arbeitgeber zur Rechtsverfolgung oder zur Rechtsverteidigung aufwendet, haben einen Bezug zu den wirtschaftlichen Angelegenheiten, insbesondere zur wirtschaftlichen und finanziellen Lage des Unternehmens. Auch derartige Kosten können vom Katalog des § 106 BetrVG erfasst sein.

 

Normenkette

ArbGG § 98; BetrVG §§ 29, 33, 76, 106, 109

 

Verfahrensgang

ArbG Hagen (Westfalen) (Beschluss vom 11.06.2007; Aktenzeichen 3 BV 48/07)

 

Tenor

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hagen vom 11.06.2007 – 3 BV 48/07 – wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

A

Die Beteiligten streiten um die Einrichtung einer Einigungsstelle.

Die Arbeitgeberin beschäftigt ca. 900 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in drei Betrieben in B3, M1 und H2, in denen jeweils ein eigenständiger Betriebsrat gewählt worden ist.

Antragsteller des vorliegenden Verfahrens ist der im Unternehmen der Arbeitgeberin errichtete Gesamtbetriebsrat. Ferner ist im Unternehmen der Arbeitgeberin ein Wirtschaftsausschuss gebildet.

Nachdem die Arbeitgeberin Anfang 2005 die im Unternehmen übliche Praxis aufgegeben hatte, die Arbeitsverhältnisse ihrer Mitarbeiter am Tarifwerk des öffentlichen Dienstes – BAT – zu orientieren, der Abschluss eines Haustarifvertrags mit der Gewerkschaft ver.di jedoch abgelehnt wurde, kam es zu Warnstreiks und zu einem Tarifabschluss mit einer Gewerkschaft DHV (Deutscher Handels- und Industrieangestelltenverband im CGB). Weitere Verhandlungen und Arbeitskampmaßnahmen führten sodann zum Abschluss eines Haustarifvertrags zwischen der Arbeitgeberin und der Gewerkschaft ver.di im März 2007.

Seither kam es zwischen den Beteiligten zu zahlreichen arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren und Einigungsstellenverfahren.

In seiner Sitzung vom 28.03.2007 erbat der Wirtschaftsausschuss von Seiten der Arbeitgeberin die Information der Rechtsverfahrenskosten auf Seiten der Arbeitgeberin in den letzten Jahren. In dem die Sitzung betreffenden Protokoll vom 11.04.2007 (Bl. 5 f.d.A.) heißt es unter TOP 5:

”Rechtsmittelkosten

Bei den Betriebsräten kommt es zu dem Eindruck, dass die Rechtsstreitigkeiten in den Jahren immer mehr zunehmen. Es stellt sich die Frage: „Welche unnötigen Kosten zu vermeiden?”

Der Wirtschaftsausschuss bittet Herrn C2 um Ermittlung der Rechtsverfahrenskosten. Die Aufstellung soll enthalten: Gesamte Rechtsverfahrenskosten, davon arbeitsrechtliche Kosten einschließlich Einigungsstellenkosten.

Die Kosten der letzten 10 Jahre sollen benannt werden, aufgeschlüsselt nach Verfahrenskosten gegenüber Mitarbeiter, Betriebsräten, Gesamtbetriebsrat, Wirtschaftsausschuss.”

Der von der Arbeitgeberin in die Wirtschaftsausschusssitzung entsandte Controller C2 sagte zu, dass die Fragen des Wirtschaftsausschusses geprüft werden würden; eine Antwort solle bis zum 29.04.2007 erfolgen.

Eine Reaktion seitens der Arbeitgeberin auf die Fragen des Wirtschaftsausschusses erfolgte in der Folgezeit aber nicht.

Auf seiner Sitzung vom 19.04.2007 fasste der Gesamtbetriebsrat, der vom Wirtschaftsausschuss um Vermittlung gebeten worden war, unter anderem folgenden einstimmigen Beschluss (Bl. 46 d.A.):

„Beschluss: Der Gesamtbetriebsrat hält die Frage nach dem Umfang der Rechtsverfolgungskosten mit arbeitsrechtlichem Hintergrund (einschließlich Einigungsstellenkosten) für eine wirtschaftliche Angelegenheit im Sinne des § 106 BetrVG (Stichwort: unnötige hohe Kosten und damit verbunden unwirtschaftliche und überhöhte Kostenvergütungen für Blutpräparate) und hält den Wirtschaftsausschuss daher für berechtigt, die in diesem Zusammenhang an die Geschäftsführung gestellten Fragen in der Wirtschaftsausschusssitzung (Protokoll vom 28.3.2007) zu s...

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