Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsvereinbarung. Teilkündigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Teilkündigung einer Betriebsvereinbarung ist nur zulässig, wenn dies vereinbart ist.

2. Ob eine solche Vereinbarung geschlossen worden ist, ist durch Auslegung der Betriebsvereinbarung gemäß § 157 BGB zu ermitteln.

3. Die Abgrenzbarkeit mehrerer in einer Betriebsvereinbarung geregelter Regelungskomplexe in dem Sinne, dass eine Regelung sinnvoll ohne die andere bestehen kann, genügt nicht, um auf die Vereinbarung einer Teilkündbarkeit zu schließen.

4. Ob die Betriebspartner über einzelne Teile einer Betriebsvereinbarung verhandelt habe oder nicht, ist für die Frage, ob eine Teilkündbarkeit vereinbart worden ist, ebenso wenig von Bedeutung wie die spätere Neuregelung einzelner der in der Betriebsvereinbarung geregelter Sachverhalte.

 

Normenkette

BetrVG § 77; BGB § 157

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 23.11.2005; Aktenzeichen 3 Ca 260/05)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 23. November 2005 (3 Ca 260/05) wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen Anspruch des Klägers auf Fahrtkostenzuschuss.

Der Kläger wurde am 07.04.1986 von der M-AG als Expedient eingestellt. Dem Arbeitsverhältnis liegt ein Arbeitsvertrag vom 20.07.1987 (Anl. K12, Bl. 6 ff d. A.), zugrunde, nach dessen § 10 der Manteltarifvertrag für Arbeitnehmer der Kühlhäuser und Eisfabriken in der jeweils geltenden Fassung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet. Nach § 16 I dieses Manteltarifvertrages sind Ansprüche auf Bezahlung von Mehrarbeitsvergütung, Nacht-, Sonntags-, Feiertags- und sonstigen Zuschlägen bzw. Zulagen innerhalb von 6 Wochen nach dem Erhalt der Monatsabrechnung geltend zu machen.

Zum 01.01.1995 ging das Arbeitsverhältnis des Klägers im Wege eines Betriebsübergangs auf die Beklagte über, welche zum Zwecke der Übernahme des gesamten operativen Kühlhausgeschäfts der M-Gruppe neu gegründet worden war (Anl. K 2, Bl. 11 f d. A.). Sie betreibt zur Zeit Kühlhäuser an 22 Standorten in der Bundesrepublik.

Der Kläger war ausschließlich in den H. Betrieben der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin als Vollzeitbeschäftigter tätig, und zwar hauptsächlich im Kühlhaus R. Das Kühlhaus R. stellt einen eigenen Betrieb dar und verfügt über einen eigenen Betriebsrat. Der Kläger ist Mitglied des Betriebsrats.

Unter dem 16.01.1974 schloss eine Rechtsvorgängerin der M-AG, mit ihrem Gesamtbetriebsrat eine Betriebsvereinbarung (Anl. K 12, Bl. 43 – 47) u. a. mit folgenden Regelungsgegenständen: Dienstkleidung, Aufwandsentschädigung bei Arbeitsplatzwechsel, Dienstreisen, dienstliche Benutzung eines privaten PKW, Essensgeldzuschuss, Lohn- und Gehaltszahlungen.

Mit Schreiben vom 20.03.1979 (Anl. K 3, Bl. 13 d. A.) machte diese Rechtsvorgängerin der M-AG ihren Mitarbeitern die folgende Mitteilung:

„Bekanntmachung

Liebe Mitarbeiterinnen, liebe Mitarbeiter,

wir geben Ihnen hierdurch bekannt, dass wir einer Anregung des Betriebsrats folgend

  1. (…)
  2. Ferner zahlen wir ab 01.04.1979 einen Fahrgeldzuschuss wie folgt:

    1. Alle voll beschäftigten Betriebsangehörigen, die für den Weg zur Arbeit ein Verkehrsmittel benutzen müssen, erhalten als Fahrgeldzuschuss den Betrag, um den die Monatskarte 2. Klasse für ein öffentliches Verkehrsmittel DM 50,-übersteigt.
    2. Teilzeitbeschäftigte mit weniger als 35 Stunden Wochen Arbeitszeit erhalten den Betrag, um den der Preis der Monatskarte DM 35,- übersteigt.
    3. Teilzeitbeschäftigte mit einer Wochenarbeit von weniger als 26 Stunden erhalten die Fahrtkosten voll erstattet.

Die Fahrgeldzuschüsse zu a und b sind steuerpflichtig, können aber im Rahmen der Werbungskosten-Richtlinien von Ihnen beim Finanzamt geltend gemacht werden. Die volle Erstattung der Fahrkosten im Fall c ist steuerfrei, wenn die Fahrkarte als Beleg dem Lohnbüro überlassen wird.

Sofern eine Erhöhung der Fahrpreise für öffentliche Verkehrsmittel erfolgt, wird auch die Zumutbarkeitsgrenze von DM 50,– entsprechend erhöht.

Gesellschaft für M Für den Betriebsrat

≪Unterschrift≫ ≪Unterschrift≫”

Ab dem 01.04.1979 erhielten die Mitarbeiter der Rechtsvorgängerin der M-AG einen Fahrgeldzuschuss, dessen Höhe arbeitgeberseitig der aktuellen Fahrpreisentwicklung entsprechend angepasst wurde.

Am 29.02.1980 vereinbarten die Rechtsvorgängerin der M-AG und ihr Gesamtbetriebsrat einen Nachtrag zur Betriebsvereinbarung vom 16.01.1974 (Anl. B 1, Bl. 53 f d. A.). Darin heißt es auszugsweise:

”In Ergänzung zur Betriebsvereinbarung vom 16. Januar 1974 wird hierdurch folgendes mit sofortiger Wirkung vereinbart:

(…)

Hinter Abschnitt 3 Dienstreisen wird folgender Abschnitt 3a eingefügt:

Entstehen einem Betriebsangehörigen für die Fahrt zum Arbeitsplatz bei Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels höhere Aufwendungen als der überwiegenden Anzahl seiner Mitarbeiter, so erhält er einen Fahrgeld-Zuschuss entsprechend der Bekanntmachung vom 20.3.1979, die dieser Betriebsvereinb...

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