Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Initiativrecht des Bertiebsrats zur Schaffung einer Betriebsvereinbarung über Fragen des „Mobbing”

 

Leitsatz (amtlich)

Grundsätzlich ist eine Einigungsstelle nicht schon deshalb offensichtlich unzuständig (§ 98 Abs. 1 S 1 ArBGG), weil die Initiative zur Schaffung betrieblicher Ordnungsmaßnahmen von dem Betriebsrat ausgeht.

Das Initiativrecht ist allerdings durch den jeweiligen Mitbestimmungstatbestand begrenzt.

Der Schaffung einer betrieblichen Regelung, in welchen Weise und durch welche Personen dem „Mobbing” von Mitarbeitern entgegenzutreten ist, und wie dieses zu sanktionieren ist, steht der Gesetzesvorbehalt des § 87 Abs 1 BetrVG entgegen, da entsprechende Maßnahmen zu den gemäß § 75 BetrVG unveräußerlichen Aufgaben des Betriebsrates gehören, und das Procedere in dem §§ 82 §§ BetrVG, insbesondere in den §§ 84, 85 BetrVG seine Regelung gefunden hat.

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Beschluss vom 23.03.1998; Aktenzeichen 8 BV 18/97)

 

Gründe

Die Beschwerde des Betriebsrates gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Hamburg vom 23. März 1998 – 8 BV 18/97 – ist statthaft und auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit zulässig.

In der Sache selbst mußte jedoch der Beschwerde der Erfolg versagt bleiben.

Es kann dahingestellt bleiben, ob dem Arbeitsgericht darin zu folgen ist, daß dem Betriebsrat bei Fragen der betrieblichen Ordnung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) nur eine Abwehrfunktion und kein Initiativrecht zusteht, so daß die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Für die Ansicht des Arbeitsgerichts spricht, daß es einen erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitgebers beinhalten würde, wenn er gezwungen wäre, gegenüber den einzelnen Arbeitnehmern Sanktionen wegen des Verstoßes gegen eine ihm aufgezwungene betriebliche Ordnung zu ergreifen. Auf der anderen Seite ist aber ein Interesse des Betriebsrates an dem Abschluß einer Betriebsvereinbarung bezüglich der betrieblichen Ordnung durchaus anerkennenswert, da der reibungslose Ablauf innerhalb eines Personenverbundes in der Regel nur dann gewährleistet ist, wenn sich dieser Verbund eine Ordnung gibt. Es sind eine Vielzahl von Situationen denkbar, in denen sich das Verhalten einzelner Arbeitnehmer störend auf den Kollegenkreis auswirkt. Es ist deshalb nicht von der Hand zu weisen, daß der Betriebsrat ein Interesse daran haben könnte, diesen Störungen durch Schaffung einer entsprechenden betrieblichen Ordnung entgegenzuwirken. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates gemäß § 87 Abs. 1 BetrVG grundsätzlich auch ein Initiativrecht des Betriebsrates beinhalten. Grenzen dieses Initiativrechtes können sich nur aus dem Mitbestimmungstatbestand selbst sowie aus der Systematik und dem Sinnzusammenhang des Betriebsverfassungsgesetzes ergeben. Infolge der vorstehenden Erörterungen kann deshalb nicht unbedingt von einer offensichtlichen Unzuständigkeit der Einigungsstelle ausgegangen werden. Der Arbeitgeberin kann auch nicht darin gefolgt werden, daß sich die Unzuständigkeit der Einigungsstelle aus der Rechtsprechung zu § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ergibt. Für die Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen, kann nur ein einseitiges Interesse des Arbeitgebers gesehen werden. Ein diesbezügliches Interesse des Betriebsrates ist unter keinem Gesichtspunkt erkennbar. Insbesondere kann der Arbeitgeber auch nicht gezwungen werden, finanzielle Mittel aufzubringen, um solche technischen Einrichtungen bereitzustellen.

Dem hier angestrebten Regelungssachverhalt, nämlich die Verhinderung des Mobbing steht aber bereits der Gesetzesvorbehalt des § 87 Abs. 1 BetrVG entgegen. Die von dem Betriebsrat mit dieser Regelung angestrebten Maßnahmen gegen die ebenfalls dort aufgezeigten Problemfälle gehören zu den gemäß § 75 BetrVG unveräußerlich allein dem Betriebsrat übertragenen Aufgaben. Das Procedere der angestrebten Konfliktlösung hat in den §§ 82 ff BetrVG, insbesondere in den §§ 84, 85 BetrVG seine Regelung gefunden. Dem Betriebsrat ist es nicht gestattet, diese ihm gesetzlich zugedachten Aufgaben auf eine andere Institution zu übertragen. Auch ist es nicht gestattet, die Lösung der Konfliktprobleme einem anderen Procedere zu unterstellen, als es die Vorschriften der §§ 82 ff BetrVG vorsehen.

Es erübrigt sich daher, zu dem eigentlichen Inhalt der angestrebten Regelung Stellung zu nehmen. In diesem Zusammenhang ist dem Betriebsrat darin zuzustimmen, daß es sich bei dem von ihm vorgelegten Entwurf einer Betriebsvereinbarung nur um einen Regelungsvorschlag handelt, und es grundsätzliche Aufgabe der Einigungsstelle ist, eine ermessensfehlerfreie den Interessen beider Betriebspartner gerecht werdende Lösung unter Beachtung der Grenzen des Mitbestimmungsrechtes zu finden. Im Streitfall zeigt aber der Entwurf bereits, daß eine entsprechende Regelung wegen der entgegenstehenden geset...

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