Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses. Betriebsübergang. Widerspruch. Widerspruchsrecht. Bestätigung. Treuwidrigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Schließt der Arbeitnehmer in Kenntnis seines (noch) bestehenden Widerspruchsrechts einen Aufhebungsvertrag mit dem Betriebserwerber, so kann darin unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls eine abschließende Erklärung des Arbeitnehmers gesehen werden, mit der er analog § 144 BGB den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber bestätigt. In einem solchen Fall ist die spätere Ausübung des Widerspruchsrechts ausgeschlossen.

2. Da eine Bestätigungserklärung im Sinne von § 144 BGB formfrei und nicht empfangsbedürftig ist, braucht sie nicht gegenüber dem Betriebsveräußerer erklärt zu werden.

3. Nutzt ein Arbeitnehmer über einen Zeitraum von zwölf Monaten in Kenntnis eines (noch) bestehenden Widerspruchsrechts die Vorteile einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahme, die vom Betriebsveräußerer mitfinanziert wird, kann sein Widerspruch unmittelbar nach Beendigung der Maßnahme unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls auch rechtsmissbräuchlich sein.

 

Normenkette

BGB § 613a Abs. 5-6, §§ 144, 242

 

Verfahrensgang

ArbG Solingen (Urteil vom 10.05.2007; Aktenzeichen 1 Ca 185/07 lev)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 09.12.2010; Aktenzeichen 8 AZR 614/08)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 10.05.2007 – 1 Ca 185/07 lev – wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Mit seiner am 02.02.2007 beim Arbeitsgericht Solingen eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass zwischen den Parteien über den 31.10.2004 hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht. Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber eines Betriebsteils der Beklagten wirksam widersprochen hat.

Der am 25.11.1966 geborene Kläger war seit dem Jahr 1991 bei der Beklagten in deren Betrieb in X. zu einem Bruttolohn in Höhe von zuletzt 3.433,00 EUR beschäftigt.

Der Kläger war in dem nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien selbständigen Geschäftsbereich Consumer Imaging (CI) tätig, der insbesondere die Geschäftsfelder Film, Finishing und Laborgeräte umfasste. Da dieser Geschäftsbereich seit mehreren Jahren einen massiven Umsatzrückgang zu verzeichnen hatte, hat die Beklagte zur Kostenreduzierung Personalabbaumaßnahmen durchgeführt. Dazu gehörte unter anderem auch der Abschluss von Vorruhestandsverträgen oder Altersteilzeitvereinbarungen, in denen den jeweiligen Arbeitnehmern zum Teil erhebliche finanzielle Leistungen zugesagt wurden.

Unter dem Datum vom 14.10.2004 schloss die Beklagte mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste ab.

Ende des Jahres 2004 wurde der Geschäftsbereich CI im Wege eines Betriebsübergangs ausgegliedert und mit Wirkung zum 01.11.2004 auf die neu gegründete B. Photo GmbH übertragen.

Für die von dem Teilbetriebsübergang betroffenen Belegschaftsmitglieder fanden Informationsveranstaltungen statt. Unter anderem hat die Beklagte eine solche Informationsveranstaltung am 19.08.2004 abgehalten, bei der der spätere Geschäftsführer der B. Photo GmbH F. S., zum damaligen Zeitpunkt Mitglied des Vorstandes der Beklagten, Informationen zur wirtschaftlichen Situation der B. Photo GmbH erteilte. Außerdem wurden die Arbeitnehmer in Mitarbeiterzeitschriften über den bevorstehenden Teilbetriebsübergang unterrichtet. Im Monat September 2004 befanden sich in den betriebsinternen Magazinen die Zahlenangaben für die Erwerberin B. Photo GmbH von 300 Millionen Eigenkapitalsumme sowie 70 bzw. 72 Millionen Euro Barmittel.

Sämtliche dem Geschäftsbereich CI zugeordneten Arbeitnehmer der Beklagten haben im Oktober 2004 im Zusammenhang mit der Übertragung des Geschäftsbereichs CI eine im Wesentlichen gleich lautende schriftliche Information erhalten. Die Informationsschreiben unterscheiden sich allerdings abhängig von der jeweiligen arbeitsvertraglichen Situation der betroffenen Mitarbeiter in Einzelfragen voneinander.

Mit Schreiben vom 22.10.2004 wurde auch der Kläger über die geplante Übertragung des Geschäftsbereichs CI informiert. Nach Hinweis auf die Informationspflicht gemäß § 613 a BGB und Wiedergabe des Textes von § 613 a Abs. 5 und 6 BGB teilte die Beklagte mit, es werde hiermit „noch einmal” schriftlich die vorgesehene und mit dem Verhandlungsgremium des Gesamtbetriebsrates und der örtlichen Betriebsräte abgestimmte Information gegeben, auch wenn er – der Kläger – „aus der bisherigen Kommunikation bereits über die Einzelheiten informiert” sei.

Unter Ziffer 2. wird ausgeführt, die B. Photo GmbH übernehme das Vermögen von CI. Hierzu gehörten insbesondere Produktionsanlagen, Markenzeichen, Patente und technologisches Know-how, Vorräte und Forderungen. Das Unternehmen werde mit einem guten Eigenkapital ausgestattet und verfü...

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