Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfall von Urlaubsansprüchen nach Rückkehr eines Arbeitnehmers oder einer Arbeitnehmerin aus der Elternzeit und dauerhafter Erkrankung nach dem Ende der Elternzeit

 

Leitsatz (amtlich)

Aufgrund unionsrechtskonformer Auslegung und unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG verfallen die gemäß § 17 Abs. 2 BEEG übertragenen Urlaubsansprüche erst 15 Monate nach dem Ende des Folgejahres, in dem die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer aus der Elternzeit zurückkehrt, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer nach dem Ende der Elternzeit dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt.

 

Normenkette

Richtlinie 2003/88/EG Art. 7 Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 1; ArbPlSchG § 4; BEEG § 17 Abs. 2; BUrlG § 4; MuSchG § 17 S. 2; BEEG § 15; BUrlG §§ 3, 7 Abs. 1, 4

 

Verfahrensgang

ArbG Essen (Entscheidung vom 22.08.2014; Aktenzeichen 7 Ca 1286/14)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 15.12.2015; Aktenzeichen 9 AZR 52/15)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 22.08.2014 - 7 Ca 1286/14 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
  3. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltung.

Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 01.05.2008 auf der Grundlage des Anstellungsvertrags vom 22.04.2008 als Debitorenbuchhalterin beschäftigt. Ziffer 3 des Anstellungsvertrags lautete:

"Urlaub

Die Mitarbeiterin hat Anspruch auf bezahlten Urlaub von 30 Arbeitstagen pro Kalenderjahr.

Der Urlaub soll der Erholung dienen und im Laufe des Kalenderjahres genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs über den 31. Dezember eines Jahres hinaus bedarf der Zustimmung des Betriebsleiters, im Übrigen gelten die gesetzlichen Bestimmungen."

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den zur Akte gereichten Anstellungsvertrag vom 22.04.2008 Bezug genommen. In der Zeit vom 21.02.2011 bis zum 07.04.2011 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Wegen ihres gesundheitlichen Zustands während der Schwangerschaft unterlag sie ab dem 08.04.2011 einem Beschäftigungsverbot gemäß § 3 Abs. 1 MuSchG. Ab dem 28.10.2011 schloss sich das Beschäftigungsverbot gemäß § 3 Abs. 2 MuSchG an. Auf die Geburt des Kindes der Klägerin am 10.12.2011 folgte das Beschäftigungsverbot gemäß § 6 MuSchG. Im Jahre 2011 hatte die Klägerin keinen Erholungsurlaub in Anspruch genommen. Nahtlos an das Beschäftigungsverbot des § 6 MuSchG anknüpfend beanspruchte die Klägerin bis zum 10.12.2012 Elternzeit. Danach war sie jedenfalls bis zum 31.12.2013 durchgehend arbeitsunfähig. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete durch fristlose Eigenkündigung der Klägerin vom 08.01.2014.

Mit Schreiben vom 23.01.2014 rechnete die Beklagte für die Kalenderjahre 2012 und 2013 insgesamt 28 Tage Resturlaub ab und zahlte an die Klägerin 3.465,98 Euro brutto. Sie legte dabei die zwischen den Parteien unstreitige monatliche Bruttovergütung der Klägerin von 2.681,90 Euro zu Grunde und zog in ihrer Berechnung für die Zeit vom 01.01.2014 bis zum 08.01.2014 fünf Arbeitstage ab, was die Klägerin im Schreiben vom 12.02.2014 unstreitig stellte. Für das Kalenderjahr 2011 vergütete sie der Klägerin keinen Urlaub. Mit ihrem Schreiben vom 12.02.2014 verlangte die Klägerin von der Beklagten Urlaubsabgeltung für 30 Tage Resturlaub aus dem Jahre 2011 und forderte sie zur Zahlung bis zum 27.02.2014 auf. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 14.02.2014 ab.

Die Klägerin hat gemeint, sie könne für das Jahr 2011 von der Beklagten Abgeltung für 30 Urlaubstage verlangen. Der Urlaub aus dem Jahre 2011 sei zunächst gemäß § 17 Satz 2 MuSchG in das Jahr 2012 oder das Jahr 2013 übertragen worden. Wegen der sich anschließenden Elternzeit sei sie bis einschließlich 10.12.2012 gehindert gewesen, ihren Urlaub zu nehmen mit der Folge des § 17 Abs. 2 BEEG. Danach habe ihre Arbeitsunfähigkeit sie gehindert, Urlaub zunehmen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sei der gemäß § 17 Satz 2 MuSchG bzw. § 17 Abs. 2 BEEG ins Jahr 2013 übertragene Urlaub wegen der Arbeitsunfähigkeit noch einmal in das Jahr 2014 übertragen worden. Diese weitere Übertragung sei auch erforderlich, weil es andernfalls zu einer Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern mit und ohne Elternzeit zum Nachteil derjenigen, die Elternzeit in Anspruch nehmen, komme. Es würde einem Arbeitnehmer, der Elternzeit in Anspruch nahm und anschließend erkrankt, faktisch die Möglichkeit genommen, seinen vorher bestehenden Urlaub in Anspruch zu nehmen.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.713,26 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.02.2014 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat gemeint, der Urlaub der Klägerin aus dem Jahr 2011 sei verfallen. Nach Ablauf der Jahre, in welche der Urlaub gemäß § 17 Satz 2 MuSchG bzw. § 17 Abs. 2 BEEG übertragen werde, verfalle dieser, d.h. hier am 31.12.2013. Eine weitere Übertragung aufgrund...

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