Leitsatz (amtlich)

1. Aus § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO, nach dem u. a. § 850 c ZPO entsprechend gilt, folgt,dass der nach § 850 c Abs. 1 ZPO unpfändbare Teil des Nettoeinkommens nicht zur Insolvenzmasse gehört und deshalb nicht von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfasst wird (vgl. auch LAG Düsseldorf 02.06.2004 – 12 Sa 361/04 – Rz. 4 LAGE § 36 InsO Nr. 1).

2. Nach § 850 c Abs. 4 ZPO kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers nach billigem Ermessen bestimmen, dass eine unterhaltsberechtigte Person mit eigenen Einkünften bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt (BGH 21.12.2004 – IX a ZB 142/04NJW-RR 2005, 795, 796; BGH 05.04.2005 – VII ZB 28/05NJW-RR 2005, 1239, 1240). Aus dieser gesetzlichen Regelung folgt, dass allein der Gläubiger des Arbeitnehmers die Höhe des unpfändbaren Teils von dessen Arbeitseinkommen durch einen entsprechenden Antrag nach § 850 c Abs. 4 ZPO beeinflussen kann, wenn eine nach dem Gesetz unterhaltsberechtigte Person eigene Einkünfte erzielt (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 850 c Rz. 6).

 

Normenkette

BGB § 1360; InsO §§ 35-36; ZPO §§ 840, 850c

 

Verfahrensgang

ArbG Wesel (Urteil vom 14.07.2011; Aktenzeichen 5 Ca 222/11)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 14.07.2011 – 5 Ca 222/11 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe des pfändungsfreien Einkommens und sich daraus ergebender Zahlungsansprüche des Klägers gegenüber der Beklagten.

Der Kläger war bei der Beklagten bis zum 31.12.2010 als Disponent zu einem regelmäßigen Monatsgehalt inklusive Sachbezüge in Höhe von 1.836,18 EUR brutto beschäftigt. Außerdem bezog er Sonderzuwendungen. Das errechnete Nettoeinkommen lag regelmäßig zwischen 1.485,39 und 1.488,79 EUR. Im Januar und Februar 2010 betrug es wegen Änderung der Lohnsteuerklasse 1.340,20 EUR.

Über das Vermögen des Klägers wurde am 08.02.2009 und/oder am 08.02.2011 das Insolvenzverfahren eröffnet (Amtsgericht Kleve – 42 IN 2/09 – bzw. Amtsgericht Krefeld – 90 IN 102/10 –). Das Arbeitseinkommen des Klägers unterlag schon vorher der Pfändung, so dass der pfändbare Teil des Nettoeinkommens an die Gläubiger abgeführt werden musste.

Die Beklagte hatte seit September 2008 regelmäßig einen pfändbaren Anteil in Höhe von 248,40 EUR errechnet und von dem Nettogehalt abgezogen, bei Sonderzahlungen entsprechend mehr. Bei der Berechnung ging sie davon aus, dass der Kläger keinen Unterhalt an seine Ehefrau zahlte, weil diese selbst ein Einkommen – wie die Beklagte wusste – erzielte. Der Kläger hatte in den Jahren 2008 und 2009 die Lohnsteuerklasse III.

Seit 2009 lebt der Kläger von seiner Ehefrau getrennt. Ausweislich des Scheidungsurteils des Landgerichts Groningen vom 24.08.2010 – 116799/FA RK 10-559 – ist er seit diesem Tag geschieden. Am 30.01.2010 wurde der Kläger Vater eines unehelichen Kindes. Er führte laut Lohnabrechnungen für Januar und Februar 2010, beide datiert auf den 23.02.2010, die Lohnsteuerklasse 1 mit einem eingetragenen Kinderfreibetrag von 0,5.

Mit seiner am 26.01.2011 beim Arbeitsgericht Wesel eingereichten Klage hat der Kläger zunächst für den gesamten Zeitraum von September 2008 bis Februar 2010 die Zahlung von 3.420,40 EUR zu viel einbehaltenen Gehalts von der Beklagten begehrt. Im Kammertermin vom 14.07.2011 hat er die Klage in Höhe von 221,– EUR zurückgenommen, nachdem die Parteien die Korrekturabrechnung für den Monat März 2009 als richtig unstreitig gestellt hatten.

Der Kläger hat im Wesentlichen geltend gemacht:

Die Beklagte habe nicht berücksichtigt, dass er seit September 2008 bis einschließlich Dezember 2009 und auch darüber hinaus wegen entsprechender Unterhaltstitel seiner damaligen Ehefrau gegenüber zum Unterhalt verpflichtet gewesen sei. Bei der Berechnung des pfändbaren Teils komme es allein auf die bestehenden gesetzlichen Unterhaltspflichten an. Dementsprechend hätte die Beklagte regelmäßig nur 62,05 EUR statt 248,40 EUR einbehalten dürfen. Sie habe also monatlich 186,35 EUR zu viel abgezogen. Ab Januar 2010 hätte sie die hinzugekommenen Unterhaltspflichten gegenüber seinem unehelichen Kind und dessen Mutter berücksichtigen müssen. Diesen Umstand habe er gegenüber der Beklagten auch angezeigt. Ab diesem Zeitpunkt hätte sie überhaupt keinen pfändbaren Teil einbehalten dürfen, weshalb sie für Januar und Februar 2010 jeweils 150,40 EUR zu viel abgezogen habe.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.199,40 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 30. November 2010 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat im Wesentlichen vorgetragen:

Der Kläger sei wegen des laufenden Insolvenzverfahrens nicht aktivlegitimiert. Er mache mit seiner Klage einen Schadenersatzanspruch wegen der Verletzungen einer ihr obliegenden arbeitsvertraglichen Nebenpflicht geltend. Ein derartiger Schaden...

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