Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaubsabgeltung. Arbeitsunfähigkeit. Verfallklausel. Tarifvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

Eine tarifliche Verfallvorschrift, die u. a. vorsieht, dass Ansprüche auf Urlaub und Urlaubsabgeltung spätestens drei Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verfallen, sofern sie nicht innerhalb der Frist schriftlich geltend gemacht werden (hier § 24 des Manteltairfvertrages für den Einzelhandel NRW), erfasst auch den Abgeltungsanspruch für den gesetzlichen Erholungsurlaub aus § 7 Abs. 4 BUrlG.

 

Normenkette

BUrlG § 7 Abs. 4, § 13 Abs. 1; MTV-Einzelhandel NRW § 24

 

Verfahrensgang

ArbG Oberhausen (Urteil vom 16.12.2009; Aktenzeichen 1 Ca 2212/09)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 09.08.2011; Aktenzeichen 9 AZR 365/10)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 16.12.2009 – 1 Ca 2212/09 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob der Anspruch der Klägerin auf Abgeltung von Urlaub, den sie wegen einer von 1997 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Jahre 2008 durchgehend bestehender Arbeitsunfähigkeit nicht nehmen konnte, aufgrund tarifvertraglicher Verfallvorschriften untergegangen ist.

Die Klägerin trat am 01.02.1980 als Verkäuferin in die Dienste der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, die ein Einzelhandelsunternehmen betreibt. Im Arbeitsvertrag, wegen dessen Inhalt im Übrigen auf die von Beklagtenseite zu den Akten gereichte Kopie Bezug genommen wird (Blatt 14 – 15 d.A.), heißt es auszugsweise:

„Für das Dienstverhältnis gelten – soweit im Rahmen dieses Vertrages nichts anderes vereinbart wird – die Bestimmungen des örtlich maßgeblichen Tarifvertrages für den Einzelhandel einschließlich der entsprechenden Zusatzabkommen.”

Örtlich maßgeblich ist der Manteltarifvertrag für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen (im Folgenden: MTV-Einzelhandel NRW). Dieser enthält unter § 15 urlaubsspezifische Regelungen und unter § 24 eine Verfallklausel, die auszugsweise wie folgt lautet:

„(1) Die Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen wie folgt:

  1. spätestens drei Monate nach Ende des Urlaubsjahres bzw.

    Beendigung des Arbeitsverhältnisses:

    Ansprüche auf Urlaub, Urlaubsabgeltung und Sonderzahlungen;

(2) Die Ansprüche verfallen nicht, sofern sie innerhalb der vorgenannten Fristen schriftlich geltend gemacht worden sind.

…”

Seit dem 27.01.1997 war die Klägerin durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Zunächst bezog sie eine befristete Erwerbsunfähigkeitsrente. Mit Ablauf des 31.03.2008 endete das Arbeitsverhältnis. Seither bezieht die Klägerin die Erwerbsunfähigkeitsrente unbefristet.

Mit Schreiben vom 26.06.2009, wegen dessen genauen Inhalt auf die mit der Klageschrift zu den Akten gereichte Kopie verwiesen wird (Blatt 3 f. d.A.), machte die Klägerin Urlaubsabgeltungsansprüche für die Jahre 2006 bis 2008 geltend. Nachdem die Beklagte die Zahlung abgelehnt hatte, erhob die Klägerin Zahlungsklage, mit der sie, ausgehend von einem tarifvertraglichen Jahresurlaubsanspruch von 36 Werktagen (§ 15 Abs. 3 MTV-Einzelhandel NRW), für den Zeitraum vom 01.01.2006 bis zum 31.03.2008 Abgeltung von insgesamt 81 Werktagen in rechnerisch nicht angegriffener Höhe von 2.179,05 EUR brutto begehrt.

Sie hat die Auffassung vertreten, ihr stehe in Ansehung der geänderten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Frage des Verfalls von Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen bei dauernder Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Urlaubsabgeltung zu. Die tarifliche Ausschlussfrist könne jedenfalls nicht den gesetzlichen Urlaubsabgeltungsanspruch erfassen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.179,05 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten oberhalb des Basiszinssatzes ab Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, der Urlaubsabgeltungsanspruch sei verfallen. Ferner sei die Klägerin nach Treu und Glauben gehindert, sich auf den Urlaubsabgeltungsanspruch zu berufen.

Mit Urteil vom 16.12.2009 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.

Die Ansprüche der Klägerin seien gemäß § 24 MTV-Einzelhandel NRW verfallen.

Sei der Urlaubsabgeltungsanspruch bei Arbeitsunfähigkeit aufgrund der neuen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG vom 24.3.2009 – 9 AZR 983/07, vollständig dokumentiert bei juris) nicht (mehr) nach § 7 Abs. 3 BurIG befristet, unterscheide sich auch § 7 Abs. 4 BUrlG nicht mehr von anderen zwingenden Vorschriften, bei denen ohne Weiteres tarifliche Ausschlussfristen zur Anwendung kommen könnten. So sei es für die mit § 13 BUrIG vergleichbare Vorschrift des § 12 EFZG gesicherte Rechtsprechung, dass Ausschlussfristen zum Verfall entsprechender Ansprüche führen könnten (BAG vom 16.01.2002 – 5 AZR 430/00, dokumentiert bei juris). Zur Begründung werde überzeugend angeführt, die Ausschlussfrist betreffe nicht die inhaltliche Einschränkung des Anspruchs, die § 12 EFZG verbiete, sondern nur dessen Geltendmachung und zeitl...

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