Entscheidungsstichwort (Thema)

Altersdiskriminierung durch Ausschreibung einer offenen Stelle für "Berufsanfänger"

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Beschränkung des Bewerberkreises in einer Stellenanzeige auf Arbeitnehmer, die ihre käufmännische Ausbildung vor kurzem abgeschlossen haben, kann im Einzelfall eine mittelbare Benachteiligung wegen des Alters indizieren.

2. Das im Sinne einer Höchstanforderung verwandte Merkmal "Berufsanfänger" schließt typischerweise Bewerber mit einem höheren Lebensalter von einer Bewerbung auf die offene Stelle aus.

3. Eine mittelbare Altersdiskriminierung liegt nicht vor, wenn die Stellenanforderung "Berufsanfänger" durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.

 

Normenkette

AGG § 15 Abs. 2 S. 1, §§ 1, 3 Abs. 1 S. 1, § 22

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 14.11.2014; Aktenzeichen 14 Ca 4050/14)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 15.12.2016; Aktenzeichen 8 AZR 454/15)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 14.11.2014 - Az. 14 Ca 4050/14 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine Entschädigungszahlung wegen behaupteter Altersdiskriminierung.

Die Beklagte betreibt ein Reiseinformationsportal im Internet. Sie beschäftigt rund 400 Arbeitnehmer mit einem Durchschnittsalter von 27 Jahren.

Der 36-jährige Kläger bewarb sich auf eine Stellenanzeige bei der Beklagten, in der es wie folgt heißt:

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- Eine langfristig angelegte Stelle mit der Möglichkeit der Übernahme in Festanstellung nach einem Jahr."

Seinem englischsprachigen Bewerbungsschreiben (Bl. 84 d. A.) fügte der Kläger einen tabellarischen Lebenslauf bei. Hiernach absolvierte der Kläger im Zeitraum vom 01.08.1999 bis zum 19.06.2001 eine Ausbildung zum Industriekaufmann und übte anschließend Tätigkeiten als Buchhalter, Finanzbuchhalter und Debitorenbuchhalter aus. Wegen der Einzelheiten wird auf die als Anlage K 6 eingereichten Unterlagen (Bl. 85 - 87 d. A.) Bezug genommen.

Mit E-Mail vom 19.02.2014 (Bl. 5 d. A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass seine Bewerbung nicht in die engere Auswahl gekommen sei.

Mit Schreiben vom 17.04.2014, der Beklagten zugegangen am 19.04.2014, machte der Kläger gegenüber der Beklagten einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 7.500,00 € geltend. Die Beklagte lehnte den Anspruch mit Schreiben vom 25.04.2014 ab.

Mit seiner am 03.07.2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 10.07.2014 zugestellten Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte habe ihn wegen seines Alters mittelbar diskriminiert. Er erfülle alle Anforderungen der ausgeschriebenen Stelle. Er sei lediglich nicht "frisch gebacken aus einer kaufmännischen Ausbildung". Dieses Merkmal erfüllten jedoch typischerweise nur Personen im Alter von ca. 20 Jahren. Weitere Indizien wie die pronominale Anrede "Du" sowie der Hinweis auf "regelmäßige Teamevents", ein "vielseitiges Sportangebot" und einen "gefüllten Bierkühlschrank" wiesen darauf hin, dass die Beklagte ihre junge Unternehmensstruktur mit einem Durchschnittsalter von 27 Jahren beibehalten wolle.

Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass sich die Formulierung "gerade frisch gebacken aus einer kaufmännischen Ausbildung" auch auf ältere Personen beziehen könne. Denn 91,5 % der Auszubildenden seien bei Bee...

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