Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Urlaubsanspruch im ruhenden Arbeitsverhältnisses

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Mindesturlaubsanspruch i.S.v. Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG (sog. Arbeitszeitrichtlinie) und § 1, § 3 BUrlG entsteht nicht, wenn das Arbeitsverhältnis ruht (vgl. EuGH, Urteil vom 22.04.2010, C-486/08 Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols, NZA 2010, 557 ff.; entgegen BAG, Urteil vom 15.12.2009, 9 AZR 795/08, Rn. 29).

2. Der Urlaubsabgeltungsanspruch unterfällt tariflichen und einzelvertraglichen Ausschlussfristen, soweit diese dem Effektivitäts- und Äquivalenzprinzip genügen (anders BAG, Urteil vom 20.01.2009, 9 AZR 650/07, Rn. 27 (unter Hinweis auf § 7 Abs. 3 BUrlG) und BAG, Urteil vom 20.05.2008, 9 AZR 219/07, Rn. 48 (unter Hinweis auf § 13 Abs. 1 BUrlG)).

3. Zur Schutzwürdigkeit von in jahrzehntelange BAG-Rechtsprechung (hier: zum Urlaubsrecht) gesetztes Vertrauen.

 

Normenkette

BUrlG §§ 1, 7, 13; Richtllinie 2003/88 EG Art. 7 Abs. 1 d

 

Verfahrensgang

ArbG Wuppertal (Urteil vom 13.11.2010; Aktenzeichen 3 Ca 1128/09)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 09.08.2011; Aktenzeichen 9 AZR 475/10)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 13.11.2009 – 3 Ca 1128/09 – wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Mit seiner am 19.03.2009 beim Arbeitsgericht Wuppertal eingegangenen, dem Beklagten am 26.03.2009 zugestellten Klage macht der Kläger einen Urlaubsabgeltungsanspruch für 171 Urlaubstage in Höhe von zuletzt 11.015,82 EUR brutto für einen Zeitraum von dem Jahr 2002 bis zum 31.03.2007 geltend.

Der Kläger war bei dem Beklagten seit dem 21.04.1989 als Altenpfleger zu einem Bruttomonatslohn von zuletzt 1.553,00 EUR bei einer Arbeitszeit von 120 Stunden monatlich in einer 5,5 Tage-Woche beschäftigt. Der Beklagte ist ein Träger der Evangelischen Kirche im Rheinland, einer anerkannten Religionsgemeinschaft i.S.v. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV. Für das Dienstverhältnisverhältnis galten gemäß § 2 des Dienstvertrages vom 08.02.1999 die Arbeitsvertragsrichtlinien des diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche Deutschland (AVR) in der jeweils gültigen Fassung.

Ab dem 20.06.2003 erhielt der Kläger zunächst eine befristete Erwerbsminderungsrente, die ihm mit Bescheid der Deutschen Rentenversicherung vom 22.03.2007, zugestellt im März 2007, als Dauerrente gewährt wurde. Nach Maßgabe des § 35 Abs. 3 AVR endete das Arbeitsverhältnis des Klägers damit am 31.03.2007. Dies ist zwischen den Parteien mittlerweile unstreitig.

In einem im Jahr 2004 vor dem Arbeitsgericht Wuppertal (Az. 2 Ca 1828/04) geführten Rechtsstreit begehrte der Kläger die Feststellung, dass ihm aus den Jahren 2002 und 2003 noch Urlaubsansprüche zustünden. Nachdem die Beklagte einen am 17.05.2004 geschlossenen Prozessvergleich (Bl. 51 der Akte) widerrief, kam zwischen den Parteien unter dem 16.09.2004 ein unwiderruflicher Vergleich zustande (Bl. 10 der Akte), dessen Ziffer 1. wie folgt lautet:

„Es besteht Einigkeit zwischen den Parteien, dass dem Kläger zum 01.06.2005 noch 43 Urlaubstage aus dem Jahr 2002 und anteilig aus dem Jahr 2003 zustehen.”

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass das aufgenommene Datum nicht „01.06.2005”, sondern „01.06.2004” lauten muss.

Weitere Regelungen hinsichtlich des Urlaubs wurden nicht getroffen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 05.02.2009 (Bl. 11 – 12 der Akte) ließ der Kläger unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH für den Zeitraum ab dem 02.06.2005 bis zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses einen Urlaubsabgeltungsanspruch für einen Resturlaubsanspruch in Höhe von insgesamt 153 Urlaubstagen geltend machen.

Mit Schreiben vom 05.03.2009 (Bl. 13 – 14 der Akte) teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass der Urlaubsanspruch nach § 28 Abs. 7 AVR mit Ende des jeweiligen Übertragungszeitraums erloschen sei. Die dauerhafte Arbeitsunfähigkeit stehe einer Urlaubsabgeltung gemäß § 28 c AVR entgegen. Die EU-Richtlinien und die darauf fußende Rechtsprechung des EuGH entfalte keine unmittelbare Wirkung zwischen Privatrechtssubjekten.

§ 28 AVR, der die Überschrift „Erholungsurlaub” trägt, regelt unter anderem folgendes:

„(5) Beginnt oder endet das Dienstverhältnis im Laufe des Urlaubsjahres, so beträgt der Urlaubsanspruch ein Zwölftel für jeden vollen Beschäftigungsmonat. Der Anspruch auf den Mindesturlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz beim Ausscheiden nach erfüllter Wartezeit in der zweiten Hälfte des Kalenderjahres und der Anspruch auf den Mindesturlaub nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz bleiben unberührt. Scheidet die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (§ 35) oder durch Erreichung der Altersgrenze (§ 36) aus dem Dienstverhältnis aus, so beträgt der Urlaubsanspruch sechs Zwölftel, wenn das Dienstverhältnis in der ersten Hälfte, und zwölf Zwölftel, wenn es in der zweiten Hälfte des Urlaubsjahres endet. Unterabs. 2 Satz 1 gilt nicht, wenn der Urlaub nach § 2...

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