Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats kraft Beauftragung. Bildung der Einigungsstelle

 

Leitsatz (amtlich)

Hat der Betriebsrat den Gesamtbetriebsrat beauftragt, eine bestimmte Angelegenheit für ihn zu behandeln (hier: Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan), ist der Gesamtbetriebsrat auch für die Anrufung und Bildung der Einigungsstelle mit dem Arbeitgeber zuständig. Seine Zuständigkeit wird nicht durch einen vom Betriebsrat nach § 50 Abs. 2 Satz 2 BetrVG erklärten Entscheidungsvorbehalt beschränkt

 

Normenkette

BetrVG § 50; ArbGG § 98

 

Verfahrensgang

ArbG Solingen (Beschluss vom 02.04.2002; Aktenzeichen 4 BV 21/02)

 

Tenor

Unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Solingen vom 02.04.2002 wird der Antrag der Arbeitgeberin zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss findet kein Rechtsmittel statt.

 

Tatbestand

I.

Die Parteien streiten im Bestellungsverfahren nach § 98 ArbGG darum, ob die von der Arbeitgeberin (Antragstellerin) angerufene Einigungsstelle über einen Interessenausgleich und Sozialplan mit dem Betriebsrat des Werkes O.(Antragsgegner) oder mit dem nach tariflicher Bestimmung für die Sparte Technik gebildeten Gesamtbetriebsrat (bisher GBA-T) zu bilden ist.

Die Arbeitgeberin beschloss am 26.06.2001 die Schließung des Werks O. zum 31.12.2003, sofern sich kein Investor für die Übernahme des Werkes finde. Mit Schreiben vom 08.11.2001 teilte sie dem Betriebsrat mit, dass aufgrund Leistungsrückgangs für das Jahr 2002 und daraus resultierender mangelnder Auslassung des Werkes schnellstmöglichst eine Personalanpassung erforderlich sei. Auf seiner Sitzung am 20.11.2001 beschloss der Betriebsrat, die Verhandlungen über den Interessenausgleich und den Sozialplan an den GBA-T zu delegieren. Mit Schreiben vom 21.11.2001 teilte der Betriebsrat dem GBA-T den gefassten Beschluss mit und erklärte weiter, sich eine Entscheidungsbefugnis vorzubehalten. Unter dem 20.11.2001 unterrichtete der Betriebsrat außerdem die Werksleitung O. von dem Delegationsbeschluss und teilte seine Auffassung mit, dass die von der Arbeitgeberin beabsichtigte Maßnahme in die originäre Zuständigkeit des GBA-T falle.

Am 04.02.2002 kam es zu Verhandlungen über den Interessenausgleich zur Personalanpassung im Werk O.. Mit Schreiben vom 04.02.2002 erklärte die Arbeitgeberin die Verhandlungen für gescheitert und kündigte die Anrufung der Einigungsstelle an.

Mit dem am 15.02.2002 beim Arbeitsgericht Solingen eingereichten Antrag hat die Arbeitgeberin die Bestellung des Vors. Richters am Landesarbeitsgericht U. K. zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle beantragt. Sie hat geltend gemacht, dem Personalabbau wegen erheblichen Auftragsrückgangs und nicht wegen der etwaigen Schließung des Werkes zu beabsichtigen. Da sich die Auswirkungen auf das Werk O. beschränkten, sei der Betriebsrat und nicht der Gesamtbetriebsrat der Träger der Mitbestimmungsrechte nach § 112, § 112 a BetrVG. Im Übrigen sei ihr, der Arbeitgeberin, eine Beauftragung des GBA-T nicht erkennbar gewesen.

Der Betriebsrat hat entgegengehalten, dass der Personalabbau im Werk O. in der beabsichtigten Schließung dieses Werkes unter Verlagerung der dortigen arbeitstechnischen Zwecke und Leistungen in andere Werke gründe. Damit sei der GBA-T originär zuständig. Jedenfalls ergebe sich seine Zuständigkeit aufgrund der am 20.11.2001 beschlossenen und ihm am Folgetag schriftlich mitgeteilten Beauftragung.

Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 02.04.2002 dem Antrag der Arbeitgeberin mit der Begründung stattgegeben, dass die von einem Betriebsrat nach § 50 Abs. 2 BetrVG übertragene Angelegenheit auch dann, wenn sie vom Gesamtbetriebsrat behandelt werde, eine Angelegenheit des Betriebsrates bleibe. Die Einigungsstelle sei daher nicht offensichtlich unzuständig.

Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Beschwerde greift der Betriebsrat den Beschluss des Arbeitsgerichts unter Wiederholung und Ergänzung seines erstinstanzlichen Vorbringens an. Die Arbeitgeberin verteidigt den Beschluss mit Rechtsausführungen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist begründet. Der Antrag der Arbeitgeberin ist gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ArbGG zurückzuweisen. Die Arbeitgeberin führt zu Unrecht das Bestellungsverfahren gegen den Betriebsrat.

Unabhängig davon, ob eine originäre Zuständigkeit nach § 50 Abs. 1 BetrVG gegeben ist, ist der bei der Arbeitgeberin gebildete Spartengesamtbetriebsrat kraft Aufgabendelegation nach § 50 Abs. 2 BetrVG dafür zuständig geworden, mit der Arbeitgeberin über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan für das Werk O. zu verhandeln und die angerufene Einigungsstelle zu bilden.

1. Auftragsgegenstand nach § 50 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ist die „Behandlung einer Angelegenheit”. Einerseits beschränkt die Bestimmung die Delegationsbefugnis auf eine Angelegenheit. Daher kann der Betriebsrat den Auftrag nur im Hinblick auf eine bestimmte Angelegenheit erteilen und nicht die Zuständigkeit ganzer Sachbereiche auf den Gesamtbetriebsrat über...

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