rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung wegen Betriebsübergangs. Indiztatsachen. Darlegungs- und Nachweislast. Kündigung im Kleinbetrieb nach Betriebsübergang. Treuwidrigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1

  1. Trägt der Arbeitnehmer in einem Kündigungsschutzprozess Indiztatsachen vor, die …dafür sprechen, dass eine Kündigung des Betriebsübernehmers wegen eines Betriebsübergangs erfolgt ist, so ist der Arbeitgeber/Betriebsübernehmer verpflichtet, Tatsachen darzulegen, die die Vermutungsverwirkung der vom Kläger vorgetragenen Tatsachen widerlegen.

    Als solche Indiztatsachen sind anzusehen, ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Betriebsübergang und Kündigung, der weitere bestehende enge räumliche Bezug sowie das weiterhin bestehende Ineinandergreifen von Arbeitsvorgängen beim Betriebsveräußerer und Betriebsübernehmer, die Tatsache, dass der Geschäftsführer des Betriebsübernehmers gleichzeitig Prokurist des Betriebsveräußerers ist, die Tatsache, dass der Betrieb des Betriebübernehmers nur aus den Mitarbeitern einer ehemaligen „Abteilung” des Betriebsveräußerers besteht und nicht dem Kündigungsschutzgesetz unterliegt.

  2. Mit dem Vortrag, die Kündigung sei deshalb ausgesprochen worden, weil der Betriebsveräußerer – der Hauptauftragsnehmer des Betriebserwerbers –, bei dem der Kläger zuvor 17 Jahre in gleicher Position tätig war, mit den Leistungen des Klägers nicht zufrieden sei, können die Indiztatsachen, die für eine Kündigung wegen eines Betriebsübergangs sprechen, nicht widerlegt werden. Dies gilt auch und gerade dann, wenn bei dem Betriebserwerber das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar ist.

2. Eine Kündigung, die nach einem Betriebsübergang auf einen Betrieb, der nicht dem Kündigungsschutzgesetz unterliegt, mit Leistungsmängeln begründet wird, die im wesentlichen schon bei dem dem Kündigungsschutzgesetz unterliegenden Betriebsveräußerer vorgekommen waren, nutzt in von der Rechtsordnung nicht gebilligter Weise den Wegfall des Kündigungsschutzgesetzes beim Betriebsveräußerer aus und verstößt gegen § 242 BGB.

3. Zu den Anforderungen an eine soziale Auswahl im Kleinbetrieb

 

Normenkette

BGB § 613a Abs. 4, § 242

 

Verfahrensgang

ArbG Bremen-Bremerhaven (Urteil vom 12.10.2006; Aktenzeichen 2 Ca 2188/06)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 12.10.2006 – Az.: 2 Ca 2188/06 – abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 27.04.2006 nicht beendet worden ist.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung sowie um einen Weiterbeschäftigungsanspruch. In der ersten Instanz haben die Parteien auch um einen Prämienanspruch gestritten. Diesen hat das Arbeitsgericht nicht entschieden. Er wurde allerdings durch den Kläger auch nicht zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemacht.

Der am … geborene, verheiratete Kläger war seit dem 16.01.1989 bei der Firma S. W. GmbH bzw. der Beklagten zu einem durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelt in Höhe von EUR 2.440,51 als Auslieferungsmonteur beschäftigt.

Die Firma S. W. GmbH betreibt ein Möbelgeschäft, für das die Beklagte seit 01.03.2006 den Bereich Auslieferung und Montage durchführt und sowohl bei deren Kunden als auch in deren Ausstellungsräumen die Möbel liefert bzw. aufstellt. Die Beklagte wurde ausschließlich für die Firma S. W. GmbH tätig.

Der Geschäftsführer der Beklagten ist gleichzeitig Prokurist bei der Firma S. W. GmbH.

Der Kläger hat ein Organigramm aus dem Jahre 2000 vorgelegt, wegen dessen Inhalt auf Bl. 9 d. A. verwiesen wird. Dies Organigramm gibt die aktuelle Situation nach Auffassung der Beklagten jedoch nicht mehr wieder.

Mit Schreiben vom 27.02.2006, wegen dessen weiteren Inhalts auf Bl. 8 d. A. verwiesen wird, teilte die Firma S. W. GmbH dem Kläger mit, der Betriebsteil „Auslieferung und Montage” werde ausgegliedert und die Aufgaben in Zukunft von einem anderen Unternehmen wahrgenommen. Der Betriebsübergang auf die Beklagte erfolge mit Wirkung zum 01.03.2006. Gleichzeitig wurde der Kläger darüber informiert, dass die übernehmende Firma derzeit nicht mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftige, nämlich nur die, die von der Firma S. … W. … GmbH auf die Beklagte übergingen. Der Kläger wurde darauf hingewiesen, dass er zukünftig keinen Kündigungsschutz mehr genieße. Eine derartige Mitteilung erhielten alle fünf in dem Bereich der Auslieferung und Montage beschäftigten Arbeitnehmer der Firma S. … W. … GmbH. Weitere Arbeitnehmer beschäftigt die Beklagte nicht. Der Kläger hat dem mitgeteilten Betriebsübergang nicht widersprochen.

Die fünf von der Firma S. W. auf die Beklagte übergegangenen Arbeitnehmer haben folgende soziale Daten:

Name

Beschäftigungszeit

Alter

Unterhaltspflichten

Fe.

20 Jahre

ca. 43

Verheiratet, 1 Kind

W. (Kläger)

Über 17 Jahre

56

Verheiratet

B.

14 Jahre

43

Verheiratet, 3 Kinder

K.

10 Jahre

ca. 45

Verheiratet, 2 Kinder

F.

3–4 J...

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