Entscheidungsstichwort (Thema)

Provisionsabschlagszahlungen und einzelvertragliche Rückzahlungsklausel hinsichtlich nicht verdienter Provisionen

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 65 HGB gilt für alle Handlungsgehilfen, auch wenn deren Vergütung allein in Provisionen aus von ihnen vermittelten Geschäften besteht.

2. Erhält der Arbeitnehmer kein Fixum- oder keine Provisionsgarantie, so kann die Beschränkung nur auf Provisionen sittenwidrig sein, § 138 Abs. 1 BGB. Das ist etwa der Fall, wenn der Handlungsgehilfe aus betrieblichen Gründen gar nicht in der Lage ist, den monatlichen Provisionsabschlag zu „verdienen”, wofür er die Darlegungs- und Beweislast trägt.

 

Normenkette

HGB § 65; BGB § 138 Abs. 1, § 612

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 11.03.1986; Aktenzeichen 27 Ca 419/86)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 11. März 1986 – 27 Ca 419/95 – wie folgt geändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.160,37 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 13. September 1985 zu zahlen.

II. Die Kosten des Rechtsstreites hat der Beklagte zu tragen mit Ausnahme derjenigen des Wiedereinsetzungsverfahrens, die der Klägerin auferlegt werden.

 

Tatbestand

Die Klägerin betreibt ein Weingut und vertreibt ihre Weine über Außendienstmitarbeiter (ADM). Der 1950 geborene Beklagte war bei der Klägerin im Rahmen eines Angestelltenverhältnisses als Weinberater im Außendienst in der Zeit vom 1. September bis zum 31. Dezember 1984 tätig.

Im Arbeitsvertrag vom 18. September 1984 heißt es unter anderem:

„…

3.2. Umsatz Provision

3.2.1. Der ADM erhält als Vergütung für seine Tätigkeit eine Provision für alle von ihm vermittelten und vom Weingut ausgelieferten Kaufverträge. Die Provision errechnet sich aus den Netto-Rechnungsbeträgen (Warenwert ohne Mehrwertsteuer, ohne Verpackungs-, Auslieferungs- und sonstigen Zuschlägen).

Das Weingut kann die Aufträge des ADM aus wichtigen Gründen ablehnen. Als wichtiger Grund gilt u.a. Zweifel an der Bonität des Kunden, Unmöglichkeit der Lieferung aus technischen oder zeitlichen Gründen. Als Folge der Ablehnung entfällt der Provisionsanspruch.

Erfolgt für eine Lieferung, die im Einvernehmen mit dem Weingut storniert wurde, eine Ersatzlieferung, wird anstelle der Erstlieferung nur die Ersatzlieferung vorprovisioniert. Verweigert der Kunde die Annahme oder erfolgt durch Verschulden des ADM ein Auftragsstorno, so wird dem ADM bei Rücktransport ein Betrag von DM 1,– pro Flasche berechnet; außerdem wird eine etwa bereits gezahlte Provision rückbelastet.

3.2.2. Die Provision beträgt 10 % der Rechnungs-Nettobeträge aller Auslieferungen im Abrechnungszeitraum, zuzügl. 0,5 % Zusatzprovision, insgesamt 10,5 %.

3.2.3. Durch die Zusatzprovision von 0,5 % sind alle Vergütungen pauschal für Mehrarbeit, gesetzliche Feiertage, Schulungen, Seminare und wöchentliche Verkaufsbesprechungen abgedeckt. Dies gilt insbesondere für zusätzliche Verkaufstätigkeit auf abendlichen Hotelweinproben, bei Messen oder sonstigen Veranstaltungen an Sonn- und Feiertagen. Zuschläge, gleichgültig welcher Art, werden dementsprechend darüber hinaus nicht gezahlt.

3.2.4. Die Provisionszahlung erfolgt für die jeweils abgeschlossene Abrechnungsperiode in der Zeit zwischen dem 1. und 5. des Folgemonats. Grundlage für die Abrechnung ist die Auflistung der ausgelieferten Aufträge. Beanstandungen gegen die Provisionsabrechnungen hat der AMD binnen zwei Wochen schriftlich der Personalabteilung einzureichen.

…”

Eine am selben Tage abgeschlossene Zusatzvereinbarung lautet unter anderem wie folgt:

„…

  1. Die Zeit vom Beginn des Arbeitsvertrages bis zum 30.11.1984 gilt als Probezeit, während derer das Arbeitsverhältnis von beiden Seiten mit einer Frist von 1 Monat zum Ende eines jeden Kalendermonats gekündigt werden kann.
  2. Der ADM erhält für die Dauer der Probezeit eine monatliche Provisionsabschlagszahlung von DM 1.500,– netto, soweit er an den für diesen Monat sich ergebenden Werktagen gearbeitet hat. Die Abschlagszahlung wird für Tage unbezahlten Urlaubs oder unentschuldigten Fehlens anteilig gekürzt.

Diese Abschlagszahlung findet Anwendung, falls die verdiente Netto-Provision unter dem o.a. Abschlagsbetrag liegt.

Ergibt sich am Ende der Probezeit eine Überzahlung der Abschlagszahlungen, ist die Firma berechtigt, eine Verrechnung mit den fälligen und zukünftigen Provisionen vorzunehmen. Verbleibt nach Ausscheiden des ADM eine Überzahlung, ist diese vom ADM an die Firma zurückzuzahlen.

4.5. Im übrigen gelten – soweit dieser Vertrag keine Regelung trifft – die gesetzlichen Vorschriften.”

Aufgrund der zwischen den Parteien getroffenen Zusatzvereinbarung erhielt der Beklagte für die Zeit vom 1. September bis zum 30. November 1984 eine monatliche Provisionsabschlagszahlung in Höhe von 1.500,– DM, und zwar jeweils gekürzt um die arbeitsvergütungsmäßig erzielten Provisionsbeträge, wie folgt ausgezahlt: Für den Monat September ergab sich bei einem 1.500,– DM netto „Vorschuß” abzüglich 292,09 DM netto (= 320,69 DM brutto Provision) ein Auszahlungs...

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