Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristetes Arbeitsverhältnis eines Betriebsratsmitglieds. Unbegründete Feststellungsklage bei unzureichenden Darlegungen zur Benachteiligungsabsicht der Arbeitgeberin wegen der Betriebsratstätigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die nach § 14 Abs. 2 TzBfG sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisse von Betriebsratsmitgliedern enden ebenso wie diejenigen anderer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Ablauf der vereinbarten Befristung; der Anwendungsbereich des § 14 Abs. 2 TzBfG ist weder aus Gründen des nationalen Rechtes noch aus unionsrechtlichen Gründen teleologisch dahingehend zu beschränken, dass diese Regelung auf Betriebsratsmitglieder nicht anzuwenden ist.

2. Bei Streit über die rechtwidrige Benachteiligung eines Betriebsratsmitgliedes durch die Arbeitgeberin gilt ein abgestuftes System der Darlegungs-, Einlassungs- und Beweislast; grundsätzlich trägt das Betriebsratsmitglied, das die Arbeitgeberin wegen einer Benachteiligung in Anspruch nimmt, die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Benachteiligung.

3. Es gibt keinen Erfahrungssatz, nach dem die Entscheidung einer Arbeitgeberin, mit einem befristet beschäftigten Betriebsratsmitglied einen Folgevertrag von nur einem Monat abzuschließen, auf dessen Betriebsratstätigkeit beruht; deshalb ist weder Raum für eine entsprechende tatsächliche Vermutung noch für die Grundsätze des Anscheinsbeweises und auch die Beweislastregel des § 22 AGG findet weder unmittelbar noch entsprechend Anwendung.

4. Bei Streit über die Benachteiligung eines Betriebsratsmitgliedes durch die Arbeitgeberin ist jedoch die in § 22 AGG zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wertung zu berücksichtigen, nach der es denjenigen, die eine Benachteiligung aus einem von der Rechtsordnung missbilligten Grund geltend machen, nicht durch die prozessuale Beweislastverteilung in unzumutbarer Weise erschwert werden darf, die sich daraus ergebenden Ansprüche gerichtlich durchzusetzen.

5. Bei der Frage, ob der Abschluss eines längeren Folgevertrages von der Arbeitgeberin wegen der Betriebsratstätigkeit abgelehnt wird, handelt es sich um eine im Bereich der Arbeitgeberin liegende "innere Tatsache", die einer unmittelbaren Wahrnehmung durch den Arbeitnehmer nicht zugänglich ist; der klagende Arbeitnehmer darf daher trotz fehlender genauer Kenntnis ohne Verstoß gegen seine zivilprozessuale Wahrheitspflicht gemäß § 138 Abs. 1 ZPO die Behauptung aufstellen, dass ihm gerade wegen seiner Betriebsratstätigkeit der Abschluss eines längeren Folgevertrages verweigert worden ist, woraufhin sich die Arbeitgeberin zu dieser Behauptung wahrheitsgemäß zu erklären (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) und der Arbeitnehmer die Angaben der Arbeitgeberin gegebenenfalls zu widerlegen hat.

 

Normenkette

BetrVG § 78 S. 2; TzBfG § 14 Abs. 2; AGG § 22; TzBfG § 14 Abs. 2 S. 1; ZPO § 138 Abs. 1-2, § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Brandenburg (Entscheidung vom 24.06.2015; Aktenzeichen 5 Ca 188/15)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 24.06.2015 - 5 Ca 188/15 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Befristung des Arbeitsverhältnisses des als Betriebsratsmitglied tätigen Klägers sowie im Wege des Hilfsantrages um einen Schadensersatzanspruch des Klägers auf Abschluss eines Arbeitsvertrages.

Der am .....1983 geborene Kläger war zunächst aufgrund Arbeitsvertrages vom 29.10.2013 befristet vom 19.11.2013 bis zum 31.12.2013 als Versandmitarbeiter vollzeitig gegen eine Vergütung von 1.795,92 € brutto monatlich bei der Beklagten, einem seit Oktober 2013 betriebstätigen Logistik-Dienstleister in einer Unternehmensgruppe des Online-Versandhandels, beschäftigt. Die Parteien verlängerten das befristete Arbeitsverhältnis durch Vereinbarung vom 20./27.12.2013 bis zum 31.12.2014.

Am 14.06.2014 wurde bei der Beklagten erstmalig ein Betriebsrat gewählt. Der Kläger wurde in den 13-köpfigen Betriebsrat gewählt und leistete seitdem als Betriebsratsmitglied an ein bis zwei Tagen pro Woche regelmäßig Betriebsratsarbeit.

Die Parteien verlängerten das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis erneut durch Verlängerungsvereinbarung vom 23.12.2014 bis zum 31.01.2015. Sie gehen übereinstimmend von einer sachgrundlosen Befristung des Arbeitsverhältnisses gem. § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG aus.

Die Beklagte erteilte dem Kläger ein Zwischenzeugnis vom 10.11.2014 mit einer Beschreibung seiner Arbeitsaufgaben. Ohne Leistungs- und Verhaltensbeurteilung endete das Zwischenzeugnis mit einem Abschlusssatz, in dem die Beklagte dem Kläger für seine "bisherige wertvolle Arbeit" dankte und ihm "weiterhin viel Erfolg" wünschte.

Bei der Beklagten waren im Dezember 2014 insgesamt etwa 1.400 Arbeitnehmertätig, von denen 1.036 Arbeitnehmer bis zum 31.12.2014 befristet und die übrigen Arbeitnehmer unbefristet beschäftigt waren. Die Beklagte beabsichtigte, nach den Vorgaben einer Obergesellschaft zum sog...

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