Entscheidungsstichwort (Thema)

kein Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat (Anschluss an BAG vom 17.03.2010 – 7 ABR 95/08 – NZA 2011, 1133). Anspruch des Betriebsrats auf Durchführung von Vollversammlungen (hier verneint)

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Arbeitgeber hat keinen Unterlassungsanspruch gegen den Betriebsrat, wenn dieser unberechtigt eine Betriebsversammlung als Vollversammlung statt Teilversammlung einberuft.

 

Normenkette

BetrVG § 42 Abs. 1 S. 3, § 23 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Cottbus (Beschluss vom 19.10.2010; Aktenzeichen 1 BV 59/10)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 3) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Cottbus vom 19.10.2010 – 1 BV 59/10 – abgeändert und der Antrag zurückgewiesen.

II. Auf den Hilfswiderantrag der Beteiligten zu 1) und 2) wird festgestellt, dass der Beteiligte zu 3) nicht berechtigt ist, im Betrieb der Beteiligten zu 1) und 2) Betriebsversammlungen in Form von Vollversammlungen für alle Beschäftigten durchzuführen und hierzu einzuladen.

III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der Betriebsrat berechtigt ist, Betriebsversammlungen in Form von Vollversammlungen für alle auf zwei Flughäfen Beschäftigte durchzuführen, oder verpflichtet ist, Teilversammlungen durchzuführen.

Die Antragstellerinnen und Beteiligten zu 1) und 2) betreiben jeweils Dienstleistungsunternehmen im Bereich der Bodenverkehrsdienstdienste an den Flughäfen Sch. und T. und führen zusammen einen gemeinsamen Betrieb an beiden Betriebsstätten mit ca. 2000 Mitarbeitern, wovon etwa 1400 im operativen Geschäft tätig sind. Sie erbringen insbesondere zwischen rund 70 und 85% der Vorfelddienste und zwischen rund 70 und 80% der Fluggastabfertigungen. Es wird praktisch rund um die Uhr im Drei-Schicht-System gearbeitet, wobei die Dienstzeiten extrem variieren. Sie sind als Flughafenunternehmen gesetzlich verpflichtet, eine sogenannte Betriebspflicht zu beachten, müssen also die übernommenen Dienstleistungen an den Flughäfen jederzeit ordnungsgemäß sicherstellen.

Der Beteiligte zu 3) ist der im Betrieb gewählte Betriebsrat. Er hat in der Vergangenheit überwiegend Betriebsversammlungen zeitlich versetzt in Form von Teilversammlungen an beiden Flughäfen abgehalten, wobei die Antragstellerinnen jeweils Mitarbeiter des anderen Standorts zur Aufrechterhaltung der Bodendienste einsetzten. Diese Praxis hat er nur einmal unterbrochen, indem er am 11.04.2008 anlässlich des bevorstehenden Verkaufs eines der Unternehmen zu einer gemeinsamen Betriebsversammlung (Vollversammlung) aufrief. Diese Veranstaltung fand unter tätiger Mithilfe und Beteiligung der Antragstellerinnen statt, wobei sich die hiesigen Beteiligten nicht einig sind, ob es sich um eine Betriebsversammlung oder letztlich um eine Protestveranstaltung handelte. Danach führte der Betriebsrat wieder Teilversammlungen durch.

Der Betriebsrat teilte den Antragstellerinnen am 18.06.2010 mit, dass er beabsichtige, am 21.07.2010 noch einmal eine Betriebsversammlung in Form einer Vollversammlung für alle Beschäftigten beider Flughäfen durchzuführen. Die Antragstellerinnen widersprachen dem und als der Betriebsrat bis zur gesetzten Frist nicht reagierte, beantragten sie den Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Unterlassung. Mit Beschluss vom 14.07.2010 erließ das Arbeitsgericht die Einstweilige Verfügung, nachdem der Betriebsrat allerdings bereits mit Schreiben vom 08.07.2010 angekündigt hatte, an dem Termin nicht festhalten zu wollen. Das Eilverfahren hat sich inzwischen durch Antragsrücknahme erledigt, aber der Betriebsrat hält weiter daran fest, in bestimmten Fällen Betriebsversammlungen in Form von Vollversammlungen durchführen zu können.

Im vorliegenden Hauptverfahren haben die Antragstellerinnen gegenüber dem Betriebsrat die Untersagung verlangt, Betriebsversammlungen für alle Beschäftigten der Betriebsstätten Tegel und Schönefeld in Form einer gemeinsamen Vollversammlung durchzuführen und dazu einzuladen.

Von einer weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird unter Bezugnahme auf die Gründe zu I. des angefochtenen Beschlusses abgesehen.

Mit Beschluss vom 19.10.2010 hat das Arbeitsgericht dem Antrag stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, der Betriebsrat habe nur die Berechtigung zur Durchführung von Teilversammlungen. Die gesetzlichen Voraussetzungen einer diesbezüglichen Verpflichtung lägen vor, weil die große Anzahl der Mitarbeiter, das Schichtsystem und die Gefahr einer Einschränkung des Flugbetriebs bei Durchführung einer Vollversammlung eine Eigenart des Betriebs sei, die einer Vollversammlung entgegenstehe. Denn diese hätte zur Folge, dass ein Großteil der in der Zeit einer Vollversammlung abzufertigenden Flüge gestrichen werden müsste. Auch durch den Einsatz von Leiharbeitnehmern oder sonstigen Mitarbeitern könne der Betrieb nicht aufrechterhalten werden, weil auch diesen das Recht zur Teilnahme an einer Betriebsversammlung zustehe. Aus diesem Grund ...

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