Verfahrensgang

ArbG Heilbronn (Urteil vom 22.10.1997; Aktenzeichen 7 Ca 429/97)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird dasUrteil desArbeitsgerichts Heilbronn – Kammern Crailsheim – vom22.10.1997 – 7 Ca 429/97 – abgeändert:

Es wird festgestellt, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 22.08.1997 noch durch die hilfsweisen ordentlichen Kündigungen der Beklagten vom 29.08.1997 und vom 03.09.1997 aufgelöst worden ist.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

 

Tatbestand

Nachdem das Urteil des Landesarbeitsgerichts der Revision nicht unterliegt, wird von der Darstellung des Sachverhalts abgesehen (§ 543 Abs. 1 ZPO).

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn – Kammern Crailsheim – vom 22. Oktober 1997 ist statthaft.

Der Klägerin war auch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß den §§ 233, 234 ZPO gegen die Versäumung der Berufungsfrist zu gewähren – das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn wurde der Klägerin am 26. November 1997 zugestellt, das Original der Berufungsschrift ging erst am 02. Januar 1998 beim Landesarbeitsgericht ein –, denn die Klägerin hat innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis des Hindernisses einen Wiedereinsetzungsantrag mit der Begründung gestellt, daß sie bereits am 29. Dezember 1998 um 09.13 Uhr ein Fax mit der Berufungsschrift an das Landesarbeitsgericht geschickt habe, sie hat dies durch eidesstattliche Versicherung der Büroangestellten des Klägervertreters belegt. Es ist davon auszugehen, daß die Klagepartei gemäß § 233 ZPO ohne ihr Verschulden daran gehindert war, die Berufungsfrist des § 516 ZPO einzuhalten, denn nach dem gerichtlichen Vermerk vom 29. Dezember 1997 wurde das Faxgerät im Gericht wegen eines Fehlers am 29. Dezember 1997 um 08.15 Uhr kurz abgestellt, da die Anzeige auf Papierstau stand.

Nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 01. August 1996 (NJW 1996, 2857), darf das Risiko einer Störung des Empfangsgeräts bei Gerichten nicht auf die Nutzer dieses Mediums abgewälzt werden. Der Nutzer hat mit der Wahl eines anerkannten Übermittlungsmediums, der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der Telefaxnummer das seinerseits Erforderliche zur Fristwahrung getan, wenn er so rechtzeitig mit der Übermittlung beginnt, daß unter normalen Umständen mit ihrem Abschluß bis zum Fristende zu rechnen ist.

Wegen des festgestellten Defekts des Übermittlungsgerätes beim Landesarbeitsgericht am 29. Dezember 1997 war demgemäß von einem Wiedereinsetzungsgrund auszugehen.

Die Klägerin hat die Berufung auch innerhalb der nach § 519 ZPO einzuhaltenden Frist begründet. Die Berufung hatte auch Erfolg.

Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist weder durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 22. August 1997 noch durch die hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigungen der Beklagten vom 29. August 1997 und vom 03. September 1997 aufgelöst worden.

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Bei Anwendung und Auslegung des § 626 Abs. 1 BGB ist zuerst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung abzugeben. Danach erst ist zu beurteilen, ob im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände ein solcher Grund vorliegt (Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsrecht 4. Auflage Hillebrecht Rd. 58 zu § 626 BGB, BAG vom 02. Juni 1960 AP Nr. 42 zu § 626 BGB).

Des weiteren ist vor Ausspruch von Kündigungen zu prüfen, ob eine vorherige Abmahnung erforderlich gewesen ist. Grundsätzlich ist ein Arbeitnehmer, dem wegen eines nicht vertragsgerechten Verhaltens gekündigt werden soll, zunächst abzumahnen; das gilt insbesondere bei Störungen im Leistungsbereich. Eine Abmahnung bedeutet, daß der Arbeitgeber in einer dem Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise seine Beanstandungen vorbringt und damit deutlich – wenn auch nicht expressis verbis – den Hinweis verbindet, im Wiederholungsfall sei der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet. Entbehrlich ist eine Abmahnung allerdings dann, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorgelegen haben, aufgrund derer eine Abmahnung als nicht erfolgversprechend angesehen werden durfte. Dies ist besonders dann anzunehmen, wenn erkennbar ist, daß der Arbeitnehmer gar nicht gewillt ist, sich vertragsgerecht zu verhalten. Kannte der Arbeitnehmer die Vertragswidrigkeit seines Verhaltens, setzt er aber...

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