Entscheidungsstichwort (Thema)

krankheitsbedingte Kündigung im Kleinbetrieb. unzulässige Altersdiskriminierung durch Kündigung wegen altersbedingt erhöhter Fehlzeiten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Jedenfalls bei Kündigungen außerhalb des Anwendungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes muss der Diskriminierungsschutz in die zivilrechtlichen Generalklauseln der §§ 138, 242 BGB einfließen. Jede andere Beurteilung stünde nicht in Einklang mit den verfassungs- und europarechtlichen Vorgaben.

2. Bei einer krankheitsbedingten Kündigung im Kleinbetrieb kann eine mittelbare Diskriminierung dann vorliegen, wenn dem Arbeitnehmer wegen Fehlzeiten gekündigt wurde, die über den durchschnittlichen Fehlzeiten der jüngeren Arbeitnehmer lagen, sich aber noch im Rahmen der durchschnittlichen Fehlzeiten vergleichbarer Arbeitnehmer seiner Altersgruppe bewegten. Nur unter dieser Voraussetzung könnte man davon sprechen, dass er als älterer Arbeitnehmer gerade aufgrund seiner altersbedingten höheren Krankheitsanfälligkeit verhältnismäßig stärker von einer krankheitsbedingten Kündigung bedroht ist als ein jüngerer Arbeitnehmer.

 

Normenkette

KSchG § 23 Abs. 1; BGB §§ 242, 138; AGG § 7 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Urteil vom 01.03.2007; Aktenzeichen 17 Ca 8522/06)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom01.03.2007 – 17 Ca 8522/06 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen aufgrund der ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 12.09.2006 mit Ablauf des 30.04.2007 geendet hat.

Der am 23.07.1952 geborene, verheiratete Kläger ist seit 16.02.1981 bei der Beklagten als Gipser beschäftigt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag besteht nicht. Die durchschnittliche Bruttomonatsvergütung des Klägers belief sich auf EUR 2.350,00.

Die Beklagte betreibt einen Stuckateurbetrieb. Im Zeitpunkt der Kündigung beschäftigte sie den Kläger, den Arbeitnehmer G., den Arbeitnehmer M. und Frau K. (Tochter des Geschäftsführers S.K.). Ende des Jahres 2004 schied der Arbeitnehmer D.M. aus. Der Arbeitnehmer B. verunglückte tödlich. Der Arbeitnehmer S.K. (Sohn des Geschäftsführers) wurde im Jahr 2005 mit Mit-Geschäftsführer bestellt. Im Jahr 2006 stellte die Beklagte Herrn H. ein.

Der Kläger wies im Verlauf des Arbeitsverhältnisses unterschiedliche krankheitsbedingte Fehlzeiten auf. In den letzten 10 Jahren vor Ausspruch der Kündigung am 12.09.2006 entwickelten sich die Fehlzeiten wie folgt:

1996 – 38 Arbeitstage

2001 – 8 Arbeitstage

1997 – 4 Arbeitstage

2002 – 45 Arbeitstage

1998 – 15 Arbeitstage

2003 – 35 Arbeitstage

1999 – 14 Arbeitstage

2004 – 41 Arbeitstage

2000 – 73 Arbeitstage

2005 – 73 Arbeitstage

Im Jahr 2006 (bis 12.09.2006) hatte der Kläger krankheitsbedingte Fehlzeiten in Höhe von 49 Arbeitstage. Bis zum Jahresende 2006 kamen weitere 52 Arbeitstage hinzu.

Die Fehlzeiten beruhten auf verschiedenen Ursachen. Im Mittelpunkt standen Erkältungskrankheiten, Magenbeschwerden und orthopädische Leiden. Daneben erlitt der Kläger im Jahr 2000 eine Rippenfraktur (44 Arbeitstage), die nach seinen Angaben auf einem Arbeitsunfall beruht, und im Jahr 2005 eine Schnittverletzung am Finger (43 Arbeitstage), die auf einen Unfall im Privatbereich zurückgeht.

Im Zeitraum vom 01.01.1996 bis 12.09.2006 wiesen die Arbeitnehmer G. und M. folgende Fehlzeiten (jeweils in Arbeitstagen) auf:

Jahr

G.

M.

1996

12

3

1997

17

9

1998

5

6

1999

26

29

2000

7

5

2001

18

34

2002

33

13

2003

8

53

2004

38

31

2005

12

21

2006

26 (bis 12.09.)

8 (bis 12.09.)

Insgesamt wies der Kläger im gleichen Zeitraum 395 Arbeitstage an Fehlzeiten auf, während bei Herrn G. 202 Arbeitstage (206 bis 31.12.2006) und bei Herrn M. 212 Arbeitstage (216 bis 31.12.2006) zu verzeichnen waren. Die Fehlzeiten von Herrn M. im Jahr 2003 beinhalteten eine vierwöchige Kur. Herr G. ist 40 Jahre alt, Herr M. 37 Jahre.

Mit Schreiben vom 12.09.2006 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 30.04.2007. Die Kündigung ging dem Kläger am 23.09.2006 zu.

Mit seiner am 02.10.2006 eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen diese Kündigung gewandt. Er hat vorgetragen, das Arbeitsverhältnis unterliege dem Kündigungsschutzgesetz. Selbst wenn dies nicht zutreffe, verstoße die Kündigung gegen Treu und Glauben. Auch in einem Kleinbetrieb müsse der Arbeitgeber ein verfassungsrechtlich gebotenes Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme wahren und dürfe ein durch langjährige Mitarbeit erdientes Vertrauen in den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nicht unberücksichtigt lassen.

Mit Urteil vom 01.03.2007 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, das Kündigungsschutzgesetz finde keine Anwendung. Von den am 31.12.2003 beschäftigten „Altarbeitnehmern” seien nur noch vier bei der Beklagten tätig. Der nach dem 01.01.2004 eingestellte Arbeitnehmer sei nicht zu berücksichtigen. Aktuell beschäftige die Beklagte a...

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