Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Urteil vom 11.01.1967; Aktenzeichen 2 Ca 631/66)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 11. Januar 1967 aufgehoben und festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung der beklagten Partei vom 28.10.1966 nicht aufgelöst worden ist.

Die beklagte Partei hat die Kosten erster und zweiter Instanz zu tragen.

 

Tatbestand

Der Kläger ist … Gastarbeiter. Er hat am 6.9.1966 die Tätigkeit bei der Beklagten, einer Metallwarenfabrik mit etwa 200 Beschäftigten, aufgenommen. Als tägliche Arbeitszeit waren 8 Stunden zum Stundenlohn von 3,80 DM vereinbart. Einschließlich einer Mittagspause von 50 Minuten dauerte die normale Arbeitszeit von 7 – 15.50 Uhr.

Der Kläger hat nachweislich einer vorliegenden Stempelkarte in der Woche vom 24.10. – 29.10.1966 wie folgt gearbeitet:

24.10

Mi

6.25

bis

16.58

25.10.

Di

6.53

15.10

26.10.

Mi

6.51

17.01

27.10.

Do

6.54

16.15.

Nach seinem eigenen unbestrittenen Vorbringen hat der Kläger am 28.10. von 6.53 bis 15.50 Uhr gearbeitet. Er wurde sodann wie am Vortag von der Beklagten aufgefordert, noch eine Stunde länger zu arbeiten, was er ablehnte. Die Beklagte hat ihn daraufhin fristlos entlassen. Lohnsteuerkarte, Angestelltenversicherungskarte und Lohnabrechnungskarte wurden ihm sofort ausgehändigt. Dabei wurde ihm ein Formular zur Unterschrift vorgelegt, das folgenden Wortlaut hat:

„Empfangsbestätigung des Arbeitnehmers.

Ich erkläre hiermit, aus dem am 28.10.66 beendeten Arbeitsverhältnis mit dem oben genannten Arbeitgeber keine Ansprüche mehr zu haben und nachfolgende Arbeitspapiere ordnungsgemäß empfangen zu haben:

  1. Lohnsteuerkarte
  2. Angestelltenversicherungskarte
  3. Lohnabrechnung
  4. Lohnnachweiskarte.”

Mit der Klage wendet sich der Kläger gegen die fristlose Kündigung. Er hält sie für ungerechtfertigt, da er nicht verpflichtet gewesen sei, Überstunden zu machen. Daraus, daß er die Empfangsbestätigung unterschrieben habe, könne nicht geschlossen werden, daß er sich mit der fristlosen Entlassung und deren Folgen einverstanden erklärt habe. Er habe den Sinn der in deutscher Sprache abgefassten Empfangsbestätigung mangels ausreichender Sprachkenntnisse nicht verstanden.

Die Beklagte, die Klageabweisung beantragt, hält die fristlose Kündigung wegen hartnäckiger Arbeitsverweigerung für gerechtfertigt. Zudem sei dem Kläger der Wortlaut der Ausgleichsquittung vor seiner Unterschriftsleistung ausdrücklich übersetzt worden.

Das Arbeitsgericht Stuttgart hat durch Urteil vom 11.1.1967 die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen führt es aus, daß sich jeder daran festhalten lassen müsse, der seine Unterschrift unter ein Schriftstück ihm unbekannten Inhalts setze, es sei denn, er habe unter Zwang gehandelt.

Gegen das am 28.1.67 zugestellte Urteil hat der Kläger durch Schriftsatz seines Prozeßbevollmächtigten am 10.2.67 Berufung eingelegt und sie am 22.2.67 begründen lassen. Der Kläger wendet sich gegen die Rechtsansicht des Arbeitsgerichts. Er beantragt,

unter Aufhebung des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 11.1.1967 festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 28.10.66 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie ist der Meinung, daß die fristlose Entlassung gem. § 123 Abs. 1 Ziff. 3 GewO gerechtfertigt gewesen ist. Im übrigen sei sich der Kläger – unabhängig davon, ob ihm die Empfangsbestätigung übersetzt worden sei oder nicht – darüber im Klaren gewesen, daß er mit seiner Unterschrift eine rechtsverbindliche Erklärung abgebe, an deren Inhalt er sich festhalten lassen müsse.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig, da der im arbeitsgerichtlichen Urteil festgesetzte Streitwert über 300,– DM liegt. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und ausgeführt. Auf Grund des Sachverhalts ist sie auch als begründet betrachtet worden.

Nach herrschender Meinung ist das rechtliche Interesse des Arbeitnehmers, der vom Arbeitgeber fristlos entlassen worden ist, an der Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der fristlosen Kündigung gem. § 256 ZPO in der Regel zu bejahen.

Die Beklagte war zur fristlosen Entlassung des Klägers nicht berechtigt. Nach dem Wortlaut des § 123 I Ziff. 3 GewO können Arbeitnehmer ohne Aufkündigung entlassen werden, „wenn sie die Arbeit unbefugt verlassen haben oder sonst den nach dem Arbeitsvertrag ihnen obliegenden Verpflichtungen nachzukommen beharrlich verweigern.” Aus dem Wort „sonst” folgert die herrschende Meinung zu Recht, daß das Verlassen der Arbeit mit einer beharrlichen Verweigerung der Arbeit gleichbedeutend sein muß (LAG Chemnitz ArbRS 2, 180; LAG Mannheim ArbRS 3, 231; Landmann-Romer GewO § 123 Anm. 6; Hueck-Nipperdey 7. Aufl. 1963 § 60 I 1 b; Nikisch 3. Aufl. § 50 III A 3 a S. 734 f). Es muß sich mit anderen Worten um einen dermaßen ernsten Verstoß gegen die A...

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