Entscheidungsstichwort (Thema)

Begriff der politischen Weiterbildung i.S. von § 1 Abs. 4 BZG BW

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 1 Abs. 4 BzG BW liegt ein weiter Politikbegriff zugrunde (wie LAG Baden-Württemberg 09. August 2017 - 2 Sa 4/17).

2. Auf die Zehn-Prozent-Grenze des § 7 Abs. 3 Alt. 2 BzG BW sind nur Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen gem. § 1 Abs. 2 BzG BW anrechenbar, nicht jedoch sonstige Freistellungen im Sinne des § 5 Abs. 2 BzG BW.

 

Normenkette

BzG BW § 1 Abs. 2, § 5 Abs. 2, § 6 Abs. 2 Nr. 1, § 7 Abs. 2, § 1 Abs. 4, § 7 Abs. 3-4

 

Verfahrensgang

ArbG Ulm (Entscheidung vom 01.03.2017; Aktenzeichen 3 Ca 290/16)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ulm vom 1. März 2017 - 3 Ca 290/16 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
  3. Für die Beklagte wird die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.
 

Tatbestand

Der Kläger verlangt die Gutschrift von fünf Urlaubstagen auf seinem Urlaubskonto, wobei zwischen den Parteien in diesem Zusammenhang streitig ist, ob ein vom Kläger besuchtes Seminar die Voraussetzungen einer Bildungsmaßnahme nach dem Bildungszeitgesetz Baden-Württemberg (im Folgenden: BzG BW) erfüllt und ob die Beklagte berechtigt war, den geltend gemachten Anspruch auf Bildungszeit abzulehnen.

Der seit 01. Oktober 2007 bei der Beklagten, die ca. 1.300 Arbeitnehmer beschäftigt, tätige Kläger, der Mitglied der IG Metall ist, beantragte mit Schreiben vom 21. April 2016, bei der Beklagten am 28. April 2016 eingegangen, Freistellung nach dem BzG BW zum Zwecke der Teilnahme an der Bildungsmaßnahme "Arbeitnehmer(-innen) in Betrieb, Wirtschaft und Gesellschaft" im Zeitraum vom 26. September bis 30. September 2016. Die Kosten des vom Bildungszentrum der IG Metall in L. , einer gem. § 10 Abs. 7 BzG BW anerkannten Bildungseinrichtung, durchgeführten Seminars betrugen 1.475,50 €, wobei die IG Metall ihren Mitgliedern die Seminarkosten erstattete. Die IG Metall warb für die Veranstaltung im Internet unter www.igmetall.de/bildung.

Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers mit Schreiben vom 22. Juni 2016 mit der Begründung ab, dass die gewählte Bildungsmaßnahme nicht den Anforderungen des § 1 Abs. 4 BzG BW entspreche. Zudem sei die 10-Prozent-Grenze des § 7 Abs. 3 BzG BW wegen bereits durchgeführter bzw. fest geplanter betrieblicher Weiterbildungsmaßnahmen überschritten.

Am 01. September 2016 einigten sich die Parteien darauf, dass der Kläger, der inzwischen Klage auf Freistellung zum Zwecke der Teilnahme am Seminar erhoben hatte, zunächst für den Zeitraum vom 26. bis 30. September 2016 Urlaub in Anspruch nehmen sollte, wobei die Beklagte sich verpflichtete, dem Urlaubskonto des Klägers im Falle einer rechtskräftigen Entscheidung zu seinen Gunsten die genommenen Urlaubstage wieder gutzuschreiben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen unstreitigen und streitigen Vorbringens der Parteien wird auf das Urteil vom 01. März 2017 verwiesen, mit dem das Arbeitsgericht der zuletzt auf die Gutschrift von fünf Urlaubstagen auf dem Urlaubskonto gerichteten Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt hat: die Umstellung des Klageantrags von Freistellung für die Bildungsmaßnahme auf Gutschrift der dafür aufgewendeten Urlaubstage sei eine zulässige Klageänderung. Der Antrag auf Gutschrift von Urlaubstagen sei zulässig und im vorliegenden Fall auch begründet, da die Beklagte verpflichtet gewesen sei, die streitgegenständliche Schulung nach dem Bildungszeitgesetz Baden-Württemberg zu bewilligen. Die dahingehend auszulegende Vereinbarung der Parteien, dass dem Kläger Urlaub für den Zeitraum der Bildungsmaßnahme mit der Maßgabe bewilligt wird, dass dieser gegebenenfalls später nach Klärung der Rechtslage durch die Gerichte unter Verrechnung des gesetzlichen Freistellungsanspruchs nach dem BzG BW wieder dem Urlaubskonto des Klägers gutgeschrieben werde, sei im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (09. Februar 1993 - 9 AZR 648/90 - BAGE 72, 200) rechtlich möglich.

Die Bewilligungsvoraussetzungen nach dem BzG BW lägen vor, die Seminarteilnahme sei auch nicht von der Gewerkschaftszugehörigkeit nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 BzG BW abhängig gewesen. Das Seminar wende sich ausdrücklich an "interessierte Arbeitnehmer(-innen)" und nicht nur an Gewerkschaftsmitglieder. Da das Bildungsprogramm der IG Metall für jedermann im Internet zugänglich sei, hätten auch nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer von der Bildungsmaßnahme Kenntnis nehmen können. In der Übernahme der Kosten für Gewerkschaftsmitglieder liege auch kein mittelbarer Ausschluss von Nichtmitgliedern.

Bei dem Seminar handele es sich um eine "politische Weiterbildung" im Sinne des BzG BW. Bei diesem unbestimmten Rechtsbegriff lege der Landesgesetzgeber das durch die Rechtsprechung zu den Arbeitnehmerweiterbildungsgesetzen anderer Länder geprägte weite Begriffsverständnis zugrunde, wonach die Verbesserung des Verständnisses der Arbeitnehmer für gesellschaftliche, soziale und pol...

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