Verfahrensgang

ArbG Mannheim (Urteil vom 21.04.1997; Aktenzeichen 12 Ca 291/96)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom21. April 1997 – 12 Ca 291/96 – abgeändert:

Die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars … vom 28. Juli 1995 wird für unzulässig erklärt.

II. Die Anschlußberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beklagte verlangt von der Klägerin Schadensersatz. Auf diesen Hintergrund streiten die Parteien im wesentlichen darüber, ob die Beklagte aus einem ihr gegenüber abgegebenen Schuldanerkenntnis noch Rechte geltend machen kann, nachdem die Klägerin sich insoweit auf Rechtsunwirksamkeit – u. a. nach Anfechtung der zugrundeliegenden Erklärungen – berufen hat.

Die Beklagte betreibt über zahlreiche Filialen Einzelhandel. Die Klägerin war als Verkäuferin und Kassiererin im … in … vom 15. Juli 1992 bis zum 2. Aug: 1995 beschäftigt.

Im Juli 1995 wurde die genannte Verkaufsfiliale per Videokamera überwacht. Das geschah, weil und nachdem die Beklagte Anhaltspunkte für die unbezahlte Entnahme von Ware durch das Personal festgestellt hatte. Inventurdifferenzen waren – ab 1992 – in der Größenordnung von DM 50.300,00 (1992), DM 95.800,00 (1993) sowie DM 29.005,00 (1994) festgestellt worden. Per 5. Juli 1995 kam ein Fehlbetrag i. H. von DM 33.397,00 hinzu.

Die durchgeführte Videoüberwachung ergab, daß an einem Tag mehrfach unbezahlte Ware an verschiedenen Kassiererinnen vorbei durch die Kasse gebracht worden war.

Nach Auswertung der Videoaufzeichnungen wurden mit zwei Arbeitskolleginnen der Klägerin, Frau … und Frau … sowie mit der Klägerin selbst – in dieser Reihenfolge zeitlich nacheinander – am 28. Juli 1995 Einzelgespräche geführt. Auf Seiten der Beklagten nahmen neben der zuständigen Revisorin auch der Betriebsratsvorsitzende sowie der mit der Überwachung befasste Detektiv teil. Sinngemäß ging es in allen drei Gesprächen darum, die Arbeitnehmerinnen wegen evtl. begangener „Unehrlichkeit” zu befragen und – im Fall des Eingeständnisses der unbezahlten Warenentnahme – zum Schadensausgleich zu veranlassen.

Das führte zu folgenden Resultaten: Frau … verpflichtete sich, worüber am selben Tag noch ein notarielles Schuldanerkenntnis erstellt wurde, zur Zahlung eines Schadensausgleichs i.H. von DM 51.000,00 zuzüglich DM 4.000,00 Beweissicherungskosten, insgesamt also DM 55.000,00. Dem vorausgegangen war die Mitteilung der Frau … seit Dezember 1994 habe sie die Beklagte geschädigt, der wöchentliche Schaden habe DM 1.500,00 „mal mehr, mal weniger” betragen. Frau … – in diesem Fall kam es nicht zu einem notariellen Schuldanerkenntnis – verpflichtete sich sodann zu einem Schadensausgleich i. H. von DM 16.800,00. Dem war die Mitteilung der Frau … vorausgegangen, seit Juni 1994 habe sie Unregelmäßigkeiten in Form unbezahlter Warenentnahme begangen, hierbei sei ein wöchentlicher Schaden von ca. DM 400,00 bis DM 500,00 verursacht worden.

Hinsichtlich des sodann mit der Klägerin geführten Gesprächs tragen die Parteien unterschiedlich vor. Jedenfalls unterzeichnete die Klägerin im Anschluß daran eine formularmäßige Erklärung mit der Überschrift „Freiwillige Erklärung und freiwilliges Geständnis” (vgl. im einzelnen ABl. 38 bis 40), die u. a. wie folgt lautet:

Ich gestehe in Gegenwart der erwähnten Zeugen freiwillig,

daß ich seit mehreren Monaten Ware aus diesem Markt ohne Bezahlung mitgenommen habe. Desweiteren habe ich Kunden ermöglicht. Ware ohne Bezahlung mitzunehmen, indem ich bei einem vollen Einkaufswagen lediglich 10,00 DM kassiert habe.

Mir war und ist bewußt, daß es sich dabei um fortgesetzte Straftaten gehandelt hat. Welchen Schaden ich damit insgesamt verursacht habe, kann ich heute nicht mehr sagen. Ich bin aber bereit, meinem Arbeitgeber … DM 30.000,00 zurückzuerstatten … die Beweissicherungskosten in Höhe von DM 2.700,00 … meinem Arbeitgeber zu erstatten.

ich bin außerdem bereit, über einen Gesamtbetrag von DM 32.700,00 … ein notarielles Schuldanerkenntnis zu unterschreiben …

Anschließend fuhr man gemeinsam zum Notariat des Notars … in … Dort unterzeichnete die Klägerin über den Gesamtbetrag i. H. von DM 32.700,00 ein „Schuldanerkenntnis mit Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung” (vgl. wegen des Inhalts der Urkunde im einzelnen ABl. 42 bis 45).

Unter Berufung auf diese Verpflichtungserklärungen der Klägerin hat die Beklagte vom letzten Gehalt DM 1.213,88 einbehalten.

Die Klägerin machte alsbald die Rechtsunwirksamkeit des Schuldanerkenntnisses vom 28. Juli 1995 geltend, gegenüber der Beklagten erstmals mit Anfechtungserklärung gem. Schreiben vom 9. Aug. 1995 (vgl. ABl. 12/13). Am 17. Aug. 1995 erstattete die Klägerin Selbstanzeige – entsprechend auch ihren beiden Kolleginnen … und …; hierbei wurde angegeben, daß gemeinsam Waren im Wert von insgesamt DM 4.000,00 bis DM 5.000,00 entwendet worden seien. Die Ermittlungsverfahren wurden gem. § 170 Abs. 2 StPO ...

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