Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Verschaffung tariflicher Freistellung nach MTV Metall- und Elektroindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden. Fortbestand des tariflichen Freistellungsanspruchs bei Krankheit im Freistellungstag. Freistellung nicht wie Urlaub behandelbar

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der tarifliche Freistellungsanspruch gem. § 7.14 MTV Metall- und Elektroindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden ist ein Verschaffungsanspruch. Er wird nicht bereits durch die Freistellungserklärung des Arbeitgebers, sondern erst mit der Realisierung des Freistellungstags erfüllt.

2. Daraus folgt: Ist der Arbeitnehmer an einem Freistellungstag arbeitsunfähig, bleibt der tarifliche Freistellungsanspruch bestehen.

 

Normenkette

MTV für Beschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden § 7.14; ZPO § 91 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Heilbronn (Entscheidung vom 10.12.2020; Aktenzeichen 7 Ca 345/20)

 

Tenor

  1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn - Kammern Crailsheim - vom 10. Dezember 2020 (7 Ca 345/20) abgeändert.

    Es wird festgestellt, dass der Kläger, resultierend aus dem Jahr 2020, einen Anspruch auf 4 bezahlte Freistellungstage gem. § 7.14 des Manteltarifvertrags für Beschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden (MTV) hat.

  2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
  3. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger aus dem Jahr 2020 noch vier Tage bezahlte Freistellung gemäß § 7.14 des Manteltarifvertrags für Beschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie in Nordwürttemberg-Nordbaden (MTV) zustehen.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien besteht seit dem 01. Mai 2007. Der Kläger arbeitet für die Beklagte als Systemmonteur. Nach dem 01. Januar 2019 reduzierte er seine regelmäßige Wochenarbeitszeit von 35 Stunden auf eine individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit (IRWAZ) von 31 Stunden. Der Kläger verdient in der 31-Stunden-Woche monatlich 3.694,39 Euro brutto. Er arbeitet an fünf Tagen in der Woche.

Die Parteien sind tarifgebunden. Das gemeinsame Arbeitsverhältnis richtet sich nach den Tarifverträgen für die Metall- und Elektroindustrie, in deren Geltungsbereich die Parteien fallen.

Der Kläger wurde am 0.0.1985 geboren. Er hat ein Kind, das 2020 noch keine acht Jahre alt war und das von ihm betreut wurde. Er lebt mit seinem Kind in häuslicher Gemeinschaft.

§ 7.14 MTV enthält u.a. folgende Regelungen:

"7.14 Tarifliche Freistellungszeit in besonderen Fällen

Beschäftigte können nach Maßgabe nachfolgender Bestimmungen verlangen, statt des tariflichen Zusatzgeldes nach § 2.2.1 TV T-ZUG eine Freistellung in Anspruch zu nehmen.

7.14.1

Für folgende Beschäftigtengruppen besteht die Möglichkeit, statt des tariflichen Zusatzgeldes gemäß § 2.2.1 TV T-ZUG eine bezahlte Freistellung in Anspruch zu nehmen: Beschäftigte mit einer individuellen regelmäßigen Arbeitszeit von mindestens 35 Stunden, die in

- drei oder mehr als drei Schichten oder nur in der Nachtschicht arbeiten, ...

Beschäftigte mit einer individuellen regelmäßigen Arbeitszeit von mindestens 35 Stunden und/oder Vollzeitbeschäftigte, die nach dem 01. Januar 2019 ihre IRWAZ reduzieren oder in verkürzte Vollzeit wechseln, und

- die einen Angehörigen ersten Grades (...), einen Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer eheähnlichen oder Lebenspartnerschaft ähnlichen Gemeinschaft oder Schwiegereltern in häuslicher Umgebung pflegen, der mindestens dem Pflegegrad 1 aufweist, oder

- die ihr in häuslicher Gemeinschaft lebendes Kind bis zur Vollendung des achten Lebensjahres selbst betreuen und erziehen.

Der Anspruch besteht erstmalig nach einer mindestens zweijährigen ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit zum Zeitpunkt der Antragstellung.

7.14.2

Beschäftigte können bis zum 31. Oktober eines Jahres den Anspruch für das Folgejahr geltend machen.

...

7.14.3

Der Freistellungsanspruch beträgt acht Tage für Beschäftigte, bei denen sich die Arbeitszeit regelmäßig auf fünf Tage pro Woche verteilt.

Grundsätzlich erfolgt die Inanspruchnahme in Form von ganzen freien Tagen, vergleichbar dem Verfahren bei der Urlaubsnahme. ...

Kann der Freistellungsanspruch aus personenbedingten Gründen nicht oder nicht vollständig im Kalenderjahr genommen werden, geht der Freistellungsanspruch unter. Im Umfang der nicht realisierten Freistellungstage besteht der Anspruch auf das tarifliche Zusatzgeld nach § 2.2.1 TV T-ZUG (Abs. 4 - Ergänzung der Unterzeichner) ...

7.14.4

Der Anspruch, statt tariflichem Zusatzgeld nach § 2.2.1 TV T-ZUG freie Tage zu gewähren, kann durch freiwillige Betriebsvereinbarung auf den ganzen Betrieb, bestimmte Beschäftigtengruppen oder Abteilungen/Bereiche, z.B. auch auf Vollkonti-Schicht-Beschäftigte, erweitert werden.

..."

Der Kläger machte den Freistellungsanspruch für 2020 geltend. Die Beklagte stellte ihn Anfang 2020 für die Tage 06. bis 09. April 2020 von seinen Arbeitspflichten frei. Der Kläger war vom 09. März bis zum 09. April 2020 arbeitsunfähig. Mit Schreiben vom 17. Juni ...

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