Entscheidungsstichwort (Thema)

Einsetzung einer Einigungsstelle zur Herbeiführung eines Interessenausgleichs. unternehmerische Entscheidung zur Fertigung eines neuen Produktes im Ausland als Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG?. Zuständigkeit der Einigungsstelle. Beabsichtigte Auslagerung der Produktion. Nachfolgeprodukt. Standortwahl

 

Leitsatz (redaktionell)

Die unternehmerische Entscheidung ein Nachfolgeprodukt an einem anderen Produktionsstandort zu fertigen, stellt für sich allein noch keine Betriebsänderung i.S.v. § 111 BetrVG dar. Eine Einigungsstelle zur Herbeiführung eines Interessenausgleichs kann daher erst gebildet bzw. gerichtlich eingesetzt werden, wenn eine der in § 111 BetrVG genannten Maßnahmen konkret absehbar ist.

 

Normenkette

BetrVG § 111; ArbGG § 98 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Beschluss vom 15.07.2004; Aktenzeichen 21 BV 175/04)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 15.07.2004 – 21 BV 175/04 – abgeändert.

Der Antrag wird abgewiesen.

 

Tatbestand

A

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Antragsteller (im Folgenden: Betriebsrat) verlangen kann, dass im Zusammenhang mit der Entscheidung der Antragsgegnerin (im Folgenden: Arbeitgeberin), das Produkt Heatronic III als Nachfolgeprodukt des im Werk W. gefertigten Produkts Heatronic II im Werk B. in Portugal fertigen zu lassen, eine Einigungsstelle zur Herbeiführung eines Interessenausgleichs zu bilden ist.

Von der Darstellung des Sachverhalts wird in entsprechender Anwendung des § 313 Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen, weil gegen den vorliegenden Beschluss gem. § 98 Abs. 2 Satz 4 ArbGG unzweifelhaft kein Rechtsmittel stattfindet.

 

Entscheidungsgründe

B

I.

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 15.07.2004 ist gem. § 98 Abs. 2 Satz 1 ArbGG statthaft. Die Beschwerde ist innerhalb der gesetzlichen Form und Frist nach § 98 Abs. 2 Satz 2 ArbGG eingelegt und begründet worden. Sie richtet sich dagegen, dass nach der Entscheidung des Arbeitsgerichts anlässlich der geplanten Fertigung des Produkts Heatronic III in B. eine Einigungsstelle unter dem Vorsitz des Richters am Arbeitsgericht zu bilden ist und die Zahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer auf zwei festgesetzt wird. Soweit der Betriebsrat die Festsetzung von je vier Beisitzern begehrt hat, hat das Arbeitsgericht den Antrag in der Sache abgewiesen.

Hiergegen wendet sich der Betriebsrat nicht.

II.

Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist begründet. Nach Auffassung der Beschwerdekammer ist die Einigungsstelle – derzeit – offensichtlich unzuständig im Sinne des § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG für die Herbeiführung eines Interessenausgleichs im Zusammenhang mit der Entscheidung der Arbeitgeberin, das Produkt Heatronic III im Werk B. in Portugal fertigen zu lassen. Eine geplante Betriebsänderung, die die Arbeitgeberin verpflichten würde, in Verhandlungen mit dem Betriebsrat über den Abschluss eines Interessenausgleichs einzutreten, liegt nach dem eigenen Vortrag des Betriebsrats – noch – nicht vor.

1. Der Antrag des Betriebsrats ist zulässig. Er ist insbesondere unter Berücksichtigung der Antragsbegründung hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO.

  1. Ein Antrag im Beschlussverfahren muss ebenso bestimmt sein, wie die Klageschrift im Urteilsverfahren. § 253 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO ist auf das Beschlussverfahren und die in ihm gestellten Anträge entsprechend anwendbar. Ein bestimmter Antrag ist auch im Verfahren nach § 98 ArbGG zur Einsetzung einer Einigungsstelle erforderlich. Aus dem Antrag muss sich ergeben, in Bezug auf welche Gegenstände zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ein Regelungsstreit besteht. Geschieht dies nicht, so kann der Arbeitgeber nicht erkennen, welchen Gegenstand der Betriebsrat der Einigungsstelle zur Regelung vorlegen will (Germelmann u.a., ArbGG, 4. Auflage, § 98 Rz. 18; LAG Düsseldorf, 21.08.1987 – 9 TaBV 132/86 – NZA 1988, 211; LAG Hamburg, 10.04.1991 – 5 TaBV 3/92 – DB 1991, 2195; Behrens, NZA 1991 Beilage 2, S. 23, 25).
  2. Aus dem vom Betriebsrat gestellten Antrag lässt sich mit hinreichender Deutlichkeit der Regelungsgegenstand der zu bildenden Einigungsstelle entnehmen. Zwar heißt es im Antrag Ziff. 1 der Klageschrift lediglich, dass die Einigungsstelle zur Herbeiführung eines Interessenausgleichs anlässlich der geplanten Verlagerung der Elektronikfertigung nach B. bestellt werden solle. Das Arbeitsgericht hat diesen Antrag aber zutreffend dahingehend ausgelegt, dass es konkret um die Produktionsverlagerung des Produkts Heatronic III und – wie der Betriebsrat nunmehr in der Beschwerdeinstanz vorgetragen hat – wohl auch um die Produktionsverlagerung der ebenfalls in der Elektronikabteilung gefertigten Temperaturregler geht. Der Antrag des Betriebsrats ist entsprechend auszulegen. Darüber hinaus ist es zwar nicht im Antrag angegeben, versteht sich aber von selbst, dass der zu verhandelnde Interessenausgleich für das Werk W. gelten soll.

2. Der Antrag ist jedoch unbegründet, ...

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