Der Arbeitnehmer kann gemäß § 9 Abs. 1 KSchG im Kündigungsschutzprozess den Antrag stellen, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung aufzulösen, wenn die Kündigung sozialwidrig ist und Auflösungsgründe vorliegen.

Der Auflösungsantrag des Arbeitnehmers ist nur unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 KSchG zulässig und setzt eine bestimmte prozessuale Form voraus. Darüber hinaus kommt es auf den richtigen Zeitpunkt für den Auflösungsantrag an.

3.1 Voraussetzungen und prozessuale Form

Der Antrag des Arbeitnehmers ist begründet, wenn die Kündigung zumindest auch sozialwidrig ist, sei es aus personenbedingten, verhaltensbedingten oder betriebsbedingten Gründen.

Anders als beim Auflösungsantrag des Arbeitgebers schadet es nicht, wenn die Kündigung nicht nur sozialwidrig, sondern auch noch aus anderen Gründen unwirksam ist, z. B. wegen mangelhafter Betriebsratsanhörung.

Der Arbeitnehmer kann den Auflösungsantrag auch bei unwirksamer außerordentlicher Kündigung stellen.

Auf ein Berufsausbildungsverhältnis ist § 13 Abs. 1 KSchG nicht anwendbar.

3.2 Zeitpunkt für den Auflösungsantrag

Der Arbeitnehmer kann den Auflösungsantrag nach § 9 Abs. 1 KSchG bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen. Ein vorzeitiger Auflösungsantrag ohne handfesten Auflösungsgrund ist ein Indiz dafür, dass der Arbeitnehmer bereits wieder eine neue Stelle hat.

Nicht selten ergeben sich Auflösungsgründe für den Arbeitnehmer aber auch erst aus dem Verlauf des Prozesses.

Erklärt der Arbeitgeber die Rücknahme der Kündigung, kann der Arbeitnehmer dennoch den Auflösungsantrag stellen. In der Kündigungsrücknahme ist das Angebot des Arbeitgebers zu sehen, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich fortzusetzen. Mit dem Auflösungsantrag lehnt der Arbeitnehmer dieses Angebot ab.

Kündigt der Arbeitgeber außerordentlich und kommt eine Umdeutung in eine ordentliche Kündigung in Betracht, hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit, die Auflösung bezogen auf die fristlose und oder auch nur auf die fristgemäße Kündigung zu beantragen. Entsprechendes gilt bei einer ordentlichen und vorsorglich zugleich außerordentlichen Kündigung. Der Auflösungsantrag des Arbeitnehmers allein bezogen auf die ordentliche Kündigung kann in Bezug auf den Auflösungszeitpunkt sinnvoll sein. Vorteil für den Arbeitnehmer: Er kann wegen des späteren Auflösungszeitpunkts noch den Verzugslohn für die Kündigungsfrist verlangen.

3.3 Gründe für den Auflösungsantrag des Arbeitnehmers

Der Auflösungsantrag ist begründet, wenn dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist. Es ist im Zeitpunkt der Entscheidung zu prüfen, ob für die Zukunft die Zumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses besteht. Es gelten geringere Anforderungen als für den wichtigen Grund im Sinne von § 626 BGB. Auflösungsgründe können sich aus dem Kündigungssachverhalt oder dem Prozessverlauf ergeben. Der Arbeitnehmer hat die Darlegungs- und Beweislast für die Auflösungsgründe.

3.3.1 Auflösungsgründe im Zusammenhang mit dem Kündigungssachverhalt

Auflösungsgründe können vorliegen, wenn die Kündigung auf ehrverletzende Behauptungen gestützt wird, die im Prozess nicht nachgewiesen werden.

 
Praxis-Beispiel

Kündigung beruht auf Unterstellungen

Die Kündigung wird begründet mit dem Vorwurf finanzieller Unregelmäßigkeiten, Spesenbetrug usw. Der Arbeitgeber kann die Vorwürfe im Prozess nicht beweisen und unterliegt im Kündigungsschutzprozess. Der Arbeitnehmer stellt Auflösungsantrag mit der Begründung, es sei ihm nicht zuzumuten, unter diesen Vorwürfen in den Betrieb zurückzukehren.

Allein die Befürchtung, es könne nach Rückkehr des Arbeitnehmers in den Betrieb zu Spannungen mit den Arbeitskollegen kommen, weil der Arbeitgeber bei einer betriebsbedingten Kündigung Fehler bei der Sozialauswahl gemacht hat, rechtfertigt für sich allein die Auflösung nicht. Auch eine völlig unberechtigte Suspendierung des Arbeitnehmers kommt als Auflösungsgrund in Betracht, wenn dieser dadurch in seinem Ansehen erheblich diskreditiert wird.

3.3.2 Auflösungsgründe aus dem Prozessverlauf

Auflösungsgründe können sich auch im Verlauf des Prozesses ergeben. Überziehen der Arbeitgeber oder sein Prozessbevollmächtigter den Arbeitnehmer z. B. im Bereich verhaltens- oder leistungsbedingter Kündigungen mündlich oder schriftlich mit persönlichen Angriffen, sind diese als Auflösungsgründe geeignet. Sowohl im schriftlichen als auch im mündlichen Vortrag ist unter diesem Gesichtspunkt Sachlichkeit geboten.

 
Praxis-Beispiel

Beleidigungen im Prozess

Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis eines langjährig Beschäftigten "aus Arbeitsmangel". Im Gütetermin bezeichnete er den Arbeitnehmer als "nutzlos" und "zu dumm, einen Besen zu halten". Das Arbeitsgericht hat das Arbeitsverhältnis aufgrund dieser Äußerungen auf Antrag des Arbeitnehmers aufgelöst und den Arbeitgeber zur Zahlung einer Abfindung verurteilt.

Die begründete Befürchtung unkorrekter Behandlung ist als Auflösungsgrund geeignet. Dass der Arbeitnehmer inzwischen eine neue Arbeitsstelle gefunden hat, ist kein Auflösungsgrund.

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