Das Bundesarbeitsgericht hat dem gekündigten Arbeitnehmer einen Anspruch auf vertragsgemäße Weiterbeschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist oder bei einer fristlosen Kündigung über deren Zugang hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses immer dann zugestanden, wenn die Kündigung von vornherein offensichtlich unwirksam oder rechtsmissbräuchlich ist und überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers einer solchen Weiterbeschäftigung nicht entgegenstehen.

Hat der Arbeitnehmer in erster Instanz obsiegt, kann die Ungewissheit des weiteren Prozessausgangs bei eingelegter Berufung für sich allein ein überwiegendes Gegeninteresse des Arbeitgebers nicht mehr begründen. Hinzukommen müssen dann vielmehr zusätzliche Umstände, sonst hat der Arbeitnehmer auch hier einen Weiterbeschäftigungsanspruch.

Die Grundsätze des Großen Senats verursachen in der Praxis dann beträchtliche Schwierigkeiten, wenn der Arbeitnehmer nach einem obsiegenden Urteil im Kündigungsschutzprozess weiterbeschäftigt wird, später aber in zweiter oder dritter Instanz rechtskräftig festgestellt wird, dass die Kündigung doch von Anfang an wirksam war. Hier ist zu unterscheiden,

  1. ob der Arbeitnehmer im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber während des Fortgangs des Kündigungsschutzprozesses weiterbeschäftigt wurde (was selten sein wird) oder
  2. ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nur weiterbeschäftigte, weil er dazu durch ein vorläufig vollstreckbares Urteil der ersten (ggf. auch der zweiten) Instanz verurteilt worden ist (was die Regel sein wird).

Im ersten Fall hat das BAG entschieden, dass bei Wirksamkeit der Kündigung die Rechtsbeziehungen der Parteien nach den Grundsätzen des faktischen Arbeitsverhältnisses abzuwickeln oder als durch die rechtkräftige Abweisung der Kündigungsschutzklage auflösend bedingtes Arbeitsverhältnis zu beurteilen sind.

Im zweiten Fall hat das BAG entschieden: Ansprüche aus einem faktischen Arbeitsverhältnis scheiden aus, weil dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung in diesem Fall gegen seinen Willen vom Gericht aufgezwungen worden war. Der Arbeitnehmer hat vielmehr nur Anspruch auf Wertersatz für die geleistete Arbeit nach den Bestimmungen über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung. Hat er etwa infolge Krankheit oder wegen genommenen Urlaubs keine Tätigkeit für den Arbeitgeber verrichtet, kann er vom Arbeitgeber auch keinen Wertersatz beanspruchen, weil dieser nichts erlangt hat.[1] Darüber, was als Wert der Arbeitsleistung in der Zeit der erzwungenen Weiterbeschäftigung anzusehen ist, bestehen innerhalb des Bundesarbeitsgerichts Meinungsverschiedenheiten. Während der 8. und der 6. Senat den Tariflohn als Wert der Arbeitsleistung ansehen, hat der 5. Senat entschieden: Der Wert der Arbeitsleistung bestimme sich nach der dafür üblichen Vergütung. Diese sei nicht immer der Tariflohn, sondern sie könne auch darüber liegen.

Die Unterschiede zwischen den beiden oben geschilderten Fällen sind nicht nur rechtstheoretischer Natur, sondern auch in der Praxis von Bedeutung: Besteht nur Anspruch auf Wertersatz für die geleistete Arbeit, so ist für Zeiten der Nichtleistung von Arbeit (z. B. Krankheit, Urlaub, Abwesenheit aus persönlichen Gründen), für die sonst der Lohn fortzuzahlen wäre, dem Arbeitgeber kein Wert zugewachsen, sodass der Arbeitnehmer auch keinen Gegenwert verlangen kann. Auch ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung für nicht genommenen Urlaub steht in diesem Fall dem Arbeitnehmer nicht zu.

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