0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

§ 83 ist mit Wirkung zum 1.1.1997 durch Art. 1 § 83 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz – UVEG – v. 7.8.1996 (BGBl. I S. 1254) eingeführt worden. Die Vorschrift ersetzt § 571 Abs. 3, §§ 632, 671 Nr. 9 und § 846 RVO. Durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze v. 5.8.2010 (BGBl. I S. 1127) wurden in den Sätzen 1 und 2 aufgrund Art. 3 § 54 des Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften v. 16.2.2001 (BGBl. I S. 266) die Lebenspartnerschaft aufgenommen.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Die Regelung ist als Auffangvorschrift für die Fälle zu begreifen, in denen dem Unfallversicherungsträger für die Berechnung der zu erbringenden Geldleistungen, die sich am Jahresarbeitsverdienst (JAV) zu orientieren haben, keine Parameter etwa im Sinne des § 82 (Regelentgelt), des § 92 (JAV für Seeleute) oder des § 93 (JAV für landwirtschaftliche Unternehmer, ihre Ehegatten oder Lebenspartner und Familienangehörigen) zur Verfügung stehen.

 

Rz. 3

Bei dem in Satz 1 genannten Versichertenkreis ist i. d. R. das Arbeitseinkommen nicht oder oftmals nur mit unverhältnismäßigem Verwaltungsaufwand zu ermitteln. So betreiben etwa die nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 gesetzlich unfallversicherten Hausgewerbetreibenden i. d. R. Kleingewerbebetriebe, die keine Buchführungspflicht nach sich ziehen. Entsprechend steht dem für das Kleinunternehmen zuständigen Unfallversicherungsträger keine valide Datenlage zur Verfügung, sodass eine Regelberechnung nach § 82 für die Berechnung von Verletztengeld und Rentenansprüchen oftmals nicht ohne erhebliche und damit vielfach leistungsverzögernde Ermittlungen des tatsächlich erzielten Einkommens in Betracht kommt (BSG, Urteil v. 30.6.2009, B 2 U 33/06 R). In Anbetracht dessen räumt der Gesetzgeber die Möglichkeit ein, mittels Satzung einen JAV zu bestimmen.

2 Rechtspraxis

 

Rz. 4

Bei der Festlegung des satzungsmäßigen JAV hat der Versicherungsträger einen weiten Gestaltungsspielraum aufgrund seiner Satzungsautonomie (zur Satzungsautonomie vgl. BSG, Urteil v. 25.8.1994, 2 RU 39/93). Das Gericht hat nicht zu prüfen, ob der Satzungsgeber die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Regelung getroffen hat. Maßgebend ist vielmehr die Rechtsetzung sachgerechter plausibler Gründe (BSG, Urteil v. 25.8.1994, a. a. O.).

 

Rz. 4a

Das Ermessen hat sich im Rahmen des § 85 zu bewegen. Die Regelung bestimmt sowohl den Mindest-JAV (Abs. 1) als auch Höchst-JAV (Abs. 2). Maßgeblich für beide ist die Bezugsgröße gemäß § 18 SGB IV. Die Bezugsgröße liegt 2023 für die alten Bundesländer bei 40.740,00 EUR jährlich (3.395,00 EUR monatlich). Für das Beitrittsgebiet liegt sie bei 39.480,00 EUR jährlich (3.290,00 EUR monatlich). Der Höchst-JAV liegt 2023 bei 81.480,00 EUR (Zweifache der Bezugsgröße der alten Bundesländer). Dieser kann gemäß § 85 Abs. 2 Satz 2 in der Satzung höher bestimmt werden; vgl. insoweit die Komm. in Rz. 8 und 9 zu § 85.

 

Rz. 4b

Die Festsetzung der für die versicherten Unternehmer und deren Ehegatten als JAV in der Satzung festgelegten Versicherungssumme kann vom individuellen Erwerbseinkommen der versicherten Person unabhängig sein (BSGE 5 S. 222). Es steht dem Unfallversicherungsträger offen, als JAV für die Berechnung der Beiträge (insoweit wird auf die Komm. zu § 154 verwiesen) und der Geldleistungen einen nach Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit ermittelten, im Rahmen des § 85 gegriffenen Festbetrag zu wählen, der vom individuellen Erwerbseinkommen des versicherten Unternehmers unabhängig ist. Die Pflicht zur Entrichtung eines von der Höhe des Einkommens unabhängigen, gleichwohl für alle versicherten Unternehmer mit derselben Gefahrklasse gleichen Beitrags ist rechtens gemäß Art. 3 Abs. 1 GG (BSG, Urteil v. 12.12.1985, 2 RU 41/84). Jährliche Erhöhungen können durch Kopplung an eine sich fortentwickelnde Rechengröße erfolgen. Dies geschieht beispielsweise durch eine Verbindung zu der in Rz. 4a angesprochenen Bezugsgröße gemäß § 18 SGB IV (z. B. 80 % dieses Betrags).

 

Rz. 4c

§ 6 ermöglicht den freiwilligen Beitritt in ein Versicherungsverhältnis. Bei freiwillig Versicherten stellt die von diesen gewählte Versicherungssumme zugleich den JAV als Berechnungsgrundlage für die Geldleistungen dar. Dass diese Versicherungssumme für die zu beanspruchenden gesetzlichen Geldleistungen und nicht wie beim versicherungspflichtigen unselbständig Beschäftigten das tatsächliche Einkommen zugrunde gelegt wird, ist unter Berücksichtigung der zwischen beiden Gruppen von Versicherten bestehenden Unterschiede nicht willkürlich (BVerfG, Urteil v. 23.1.1968, 1 BvR 665/67).

 

Rz. 5

Satz 2 verpflichtet den Unfallversicherungsträger Regelungen über eine Höherversicherung (Zusatzversicherung) von kraft Gesetzes und kraft Satzung versicherten Unternehmern und deren Ehegatten oder Lebenspartnern in die Satzung aufzunehmen. Die Versicherung zu einem höheren JAV muss beantragt werden.

Für freiwillig Versicherte bedarf es einer solchen Regelung nicht. Diese können ihre Versicherungssumme frei wählen. In den S...

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