Rz. 151

Die Vorschrift entspricht § 550 Abs. 3 RVO a. F. Versichert ist der (unmittelbare direkte) Weg von der Unterkunft am Ort der Tätigkeit zur ständigen Familienwohnung. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass Wohn- und Beschäftigungsort so weit voneinander entfernt liegen, dass der Versicherte am Beschäftigungsort eine Unterkunft nehmen muss und nur in größeren Zeitabständen (z. B. einmal pro Woche oder pro Monat) zur Hauptwohnung fährt.

 

Rz. 152

Unterkunft kann eine normale Wohnung sein; es muss keine provisorische Wohnstatt sein (BSG, Urteil v. 10.10.2002, B 2 U 16/02 R). In Betracht kommt ferner ein Wohnwagen oder auch ein Zimmer in einem Hotel oder einer Pension. Der Aufenthalt in der Unterkunft ist auf eine längere Dauer angelegt und ist daher nicht Teil einer Dienst- oder Geschäftsreise (BSG, Urteil v. 19.8.2003, B 2 U 43/02 R). Begrifflich setzt die Unterkunft i. S. d. Vorschrift voraus, dass der Versicherte an einem anderen Ort die Familienwohnung hat.

 

Rz. 153

Ständige Familienwohnung ist die Wohnung, die ständig, d. h. für längere Zeit den Mittelpunkt der Lebensverhältnisse des Versicherten bildet (BSG, Urteil v. 25.11.1955, 2 RU 93/54). Anders als der Begriff vermuten lässt, setzt dies keine familienhaften Bindungen des Versicherten zu einer anderen Person voraus. Auch die selbstständige Wohnung eines alleinstehenden Versicherten ist eine Familienwohnung, wenn sie den Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse bildet (BSG, Urteil v. 29.11.1963, 2 RU 56/63). Die Wohnung muss für nicht unerhebliche Zeit den Mittelpunkt der Lebensverhältnisse des Versicherten bilden. Maßgebend für die Bestimmung der "ständigen Familienwohnung" ist allein die tatsächliche Gestaltung der Verhältnisse zum Unfallzeitpunkt, bei deren Prüfung insbesondere auch soziologische und psychologische Gegebenheiten zu berücksichtigen sind. Kriterien für den im Wege einer wertenden Betrachtungsweise zu ermittelnden Mittelpunkt der Lebensverhältnisse des Versicherten sind unter anderem das Ausmaß der sozialen Kontakte zu anderen Personen.

 

Rz. 154

Bei einem verheirateten Versicherten z. B. befindet sich daher der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse im Allgemeinen an dem Ort, an dem sich der Ehepartner und die gemeinsamen Kinder nicht nur vorübergehend aufhalten. Daneben sind aber bei der Feststellung des Mittelpunkts der Lebensverhältnisse in gleicher Weise objektive Kriterien in die Wertung mit einzubeziehen, in denen dann die subjektiven Verhältnisse u. U. ihre Bestätigung finden. So kann beispielsweise die Gestaltung der Wohnverhältnisse (Größe des Wohnraums, Einrichtung, Anzahl der Wohnungsnutzer usw.) darüber Auskunft geben, ob eine "ständige Familienwohnung" vorliegt oder nicht (BSG, Urteil v. 31.10.1972, 2 RU 2/70).

Aus einer polizeilichen Anmeldung von Wohnsitzen lässt sich i. d. R. demgegenüber noch kein verlässlicher Rückschluss auf die tatsächliche Wohnsituation ziehen (BSG, Urteil v. 10.10.2002, B 2 U 16/02 R). Die elterliche Wohnung stellt so lange die "ständige Familienwohnung" dar, wie der Versicherte den Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse noch dort hat. Dafür ist sein Alter ein Indikator. Ein anderer Indikator ist die Häufigkeit, mit der der Betreffende die elterliche Wohnung aufsucht (BSG, a. a. O.), und die Beantwortung der Frage, ob er dort seine Freizeit verbringt.

 

Rz. 155

Versichert ist allein der Weg von der Unterkunft zur Familienwohnung und zurück, nicht der Weg zu einer (weiteren) Zweitwohnung. Mehrere Familienwohnungen und damit mehrere Lebensmittelpunkte sind nicht denkbar (BSG, Urteil v. 10.10.2002, B 2 U 16/02 R m. w. N.). Entscheidend ist stets, mit welcher Handlungstendenz der Betreffende zum Unfallzeitpunkt die Strecke zurücklegt. Auch der Weg zur Familienwohnung im Ausland ist versichert. Indizien für das Bestehen einer Familienwohnung im Ausland sind Geldzahlungen (Unterhalt) an die Ehefrau oder an die Eltern im Ausland sowie regelmäßige Urlaubsfahrten zur Wohnung im Ausland.

 

Rz. 156

Abs. 2 Nr. 4 ist auch auf die übrigen nach § 2 Abs. 1 versicherten Personengruppen anwendbar. Studenten, die nach § 2 Abs. 1 Nr. 8c versichert sind, stehen auf der Fahrt von der Unterkunft am Studienort zur Familienwohnung unter Versicherungsschutz. Dies ist oftmals die elterliche Wohnung, wenn der Student seine Freizeit regelmäßig bei ihnen verlebt, die Bindung zu den Eltern nicht gelockert ist und er an dem Studienort keinen neuen Mittelpunkt seiner Lebensinteressen gefunden hat (BSG, Urteil v. 31.1.1974, 2 RU 48/73). Ebenfalls nach Abs. 2 Nr. 4 ist die Fahrt desjenigen versichert, der auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder einer landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre Behandlung oder stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhält (§ 2 Abs. 1 Nr. 15a) und von der Rehabilitationseinrichtung zur Familienwohnung fährt. Ein Arbeitsloser ist nach Eintritt der Arbeitslosigkeit auf der Fahrt zur Familienwohnung (noch) nach Abs. 2 Nr. 4 versichert, im Übrigen ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge