Rz. 19

Eine Ursache im naturwissenschaftliche Sinne, die jedoch nach obigen Grundsätzen nicht rechtlich wesentlich ist, wird verschiedentlich als Gelegenheitsursache oder als Auslöser bezeichnet. Dies geschieht insbesondere dann, wenn bei dem Betreffenden eine äußere Einwirkung in Gestalt eines Unfallereignisses und eine bereits zuvor vorhandene Krankheitsanlage festgestellt werden. Sowohl die äußere Einwirkung als auch die Krankheitsanlage als innere Ursache sind in Bezug auf den anschließend eingetretenen Körperschaden Ursachen im naturwissenschaftlichen Sinne.

 

Rz. 20

 
Praxis-Beispiel
  • Der Riss der Achillessehne kann auf die Degeneration der Sehne und/oder auf eine plötzliche Kraftanstrengung bei der versicherten Tätigkeit zurückzuführen sein.
  • Die Hirnblutung und die darauf zurückzuführenden Folgeschäden können ihre Ursache in einer plötzlichen Kraftanstrengung und/oder dem Platzen eines Aneurysmas (Gefäßerweiterung eines Blutgefäßes) haben.
  • Die psychische Erkrankung kann auf den Verkehrsunfall und/oder auf eine vorher bereits bestehende "stumme" Krankheitsanlage zurückzuführen sein.
 

Rz. 21

In solchen Fällen ist nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil v. 9.5.2006, B 2 U 1/05 R; Urteil v. 12.4.2005, B 2 U 27/04 R; Urteil v. 27.10.1987, 2 RU 35/87) darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so leicht ansprechbar war, dass die Auslösung akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Folgeerscheinung ausgelöst hätte. Dies bedeutet, dass im Rahmen der wertenden Betrachtung ein – in Wirklichkeit nicht stattgefundenes – alltägliches Ereignis in die Überlegungen einbezogen wird. Das bedeutet aber nicht, dass das Unfallereignis selbst von alltäglicher Art gewesen sein müsste. Das Unfallereignis kann durchaus außerordentlich gravierend gewesen sein. Entscheidend ist die "Ansprechbarkeit" der Krankheitsanlage durch ein alltägliches Austauschereignis. Dies wird oftmals missverstanden.

 

Rz. 22

 
Praxis-Beispiel
  • War die Achillessehne so stark degeneriert, dass sie in naher Zukunft genauso gut beim normalen Gehen hätte reißen können?
  • Hätte das Aneurysma bei einer alltäglichen Kraftanstrengung (z. B. beim Anheben einer Aktentasche, eines Getränkekastens) oder gar im Schlaf reißen und zu der Blutung führen können?
  • War die vorbestehende psychische Erkrankung so geartet, dass ein alltägliches Ereignis jederzeit ebenso gut hätte zum Auftreten akuter Krankheitserscheinungen führen können wie das tatsächlich stattgefundene Unfallereignis?

Wenn diese Fragen mit Ja beantwortet werden, handelt es sich bei dem Auslöser um eine rechtlich nicht wesentliche Gelegenheitsursache. Bedurfte es hingegen besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen, um den Erstschaden herbeizuführen, und war das Unfallereignis eine solche Einwirkung, so ist es die rechtlich wesentliche Ursache.

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