2.2.1.1 Grundlagen

 

Rz. 10

Der Unfall muss sich gemäß Abs. 1 Satz 1 infolge einer versicherten Tätigkeit ereignet haben. Dabei handelt es sich im Kern nicht um einen Kausalzusammenhang, sondern um eine sachlich-rechtliche Beziehung zu der versicherten Tätigkeit, die in Rechtsprechung und Literatur ganz überwiegend als innerer (oder sachlicher) Zusammenhang bezeichnet wird. Die Unfallversicherung kennt keinen Versicherungsschutz rund um die Uhr. Vielmehr muss im Vollbeweis feststellbar sein, dass zum Unfallzeitpunkt der innere Zusammenhang bestand. Ein örtlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen Unfallereignis und versicherter Tätigkeit ist dabei vielfach ein wichtiges Indiz. Entscheidend ist jedoch ein subjektives Element, nämlich die Handlungstendenz; denn die zum Unfall führende Handlung oder Verrichtung ist – für sich allein gesehen – noch nicht kennzeichnend für die Zuordnung.

 

Rz. 11

Die Handlung, bei der sich der Unfall ereignet hat, muss wesentlich dem Unternehmen dienlich sein, von dem sich die versicherte Tätigkeit ableitet. Dabei ist nach einer von der Rechtsprechung des BSG (Urteil v. 12.12.2006, B 2 U 28/05 R; Urteil v. 12.4.2005, B 2 U 11/04 R) vielfach benutzten Formel wertend zu ermitteln, ob die Verrichtung innerhalb der Grenzen liegt, bis zu welchen der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Die Feststellung der Handlungstendenz und die wertende Zuordnung müssen sich an objektiven Umständen des Einzelfalls orientieren und dadurch ihre Bestätigung finden.

2.2.1.2 Versicherte Tätigkeit

 

Rz. 12

Abs. 1 Satz 1 definiert die versicherte Tätigkeit als die den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründende Tätigkeit. Damit ist insbesondere die Beschäftigung als Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, aber auch alle übrigen kraft Gesetzes oder Satzung oder aufgrund freiwilliger Versicherung erfassten Tätigkeiten gemeint, nicht zuletzt auch die Tätigkeiten wie die eines Arbeitnehmers (§ 2 Abs. 2). Ausgangspunkt zur Beurteilung des sachlichen Zusammenhangs der von einem Versicherten zur Zeit des Unfalls ausgeübten Verrichtung mit seiner grundsätzlich versicherten Tätigkeit ist bei einem Beschäftigten nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 das dem Beschäftigungsverhältnis zugrunde liegende Arbeitsverhältnis. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist der Arbeitsvertrag, auf dem es beruht. Da ein Arbeitsvertrag grundsätzlich formfrei abgeschlossen werden kann, kann sich sein Inhalt auch aus mündlichen Abreden ergeben (BSG, Urteil v. 30.6.2009, B 2 U 22/08 R).

 
Praxis-Beispiel

Eine Spitzensportlerin wird auf Vermittlung des Bundestrainers bei der V-AG angestellt. Für Training und Teilnahme an Sportwettbewerben wird sie von der Bürotätigkeit als Steuer- und Zollsachbearbeiterin freigestellt. Entscheidend ist, ob die Klägerin nach ihrem Arbeitsvertrag, einschließlich eventueller ergänzender Abreden, zur Ausübung des Sports verpflichtet war, ob sie im Rahmen des Trainings dem Direktions- und Weisungsrecht des Unternehmens unterstand und ob sie in die Sportförderung als Teil der Arbeitsorganisation des Unternehmens eingegliedert war (BSG, a. a. O.).

2.2.1.3 Eigenwirtschaftliche Tätigkeit

 

Rz. 13

Tätigkeiten, die von der Handlungstendenz her dem privaten unversicherten Bereich zuzuordnen sind, werden als eigenwirtschaftliche Tätigkeit bezeichnet. Typischerweise gehören dazu die Nahrungsaufnahme, die Verrichtung der Notdurft, die körperliche Reinigung sowie Betätigungen, die der Erholung oder der Vergnügung dienen. Doch darf nicht allein auf die Art der Betätigung abgestellt werden. Im Ausnahmefall kann auch eine grundsätzlich eigenwirtschaftliche Betätigung wesentlich betriebsdienlich und infolgedessen eine versicherte Tätigkeit sein. Wieder ist die an der Handlungstendenz orientierte wertende Betrachtung vorzunehmen.

2.2.1.4 Gemischte Tätigkeit

 

Rz. 14

In einer Vielzahl von Fällen dient die zum Unfall führende Verrichtung untrennbar gleichzeitig betrieblichen als auch privaten Zwecken. Dies wird als gemischte Tätigkeit bezeichnet und setzt (zumindest) 2 gleichzeitig ausgeübte untrennbare Verrichtungen voraus, von denen (wenigstens) eine den Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt. Dann muss wertend ermittelt werden, ob die Tätigkeit wesentlich, nicht unbedingt überwiegend betriebsdienlich war. Dabei handelt es sich wieder um eine wertende Betrachtung, bei der die Handlungstendenz entscheidend ist. Die neuere Rechtsprechung des BSG grenzt hiervon ein Handeln mit gemischter Motivationslage ab. Dabei wird nur eine einzige Verrichtung ausgeübt, die aber gleichzeitig sowohl einen privatwirtschaftlichen als auch betrieblichen, auf die Erfüllung eines Versicherungstatbestandes gerichteten Zweck verfolgt. Daher wird auch von Tätigkeiten mit einer gespaltenen Handlungstendenz gesprochen (BSG, Urteil v. 26.6.2014, B 2 U 4/13 R). Eine solche Verrichtung mit gemischter Motivationslage erfüllt dann den Tatbestand der versicherten Tätigkeit, wenn die konkrete Verrichtung hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn der private Zweck entfallen wäre (BSG, Urteil v. 12.4.2005, B 2 U 11/04 R; BSG, Urteil v. 9.11.2010, B 2 U 1...

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