2.1 Voraussetzungen der Abfindung

 

Rz. 7

Abgefunden werden nur Renten auf unbestimmte Zeit. Dies ergibt sich mittelbar aus Abs. 2 Nr. 2, wonach nicht zu erwarten sein darf, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit innerhalb des Abfindungszeitraums wesentlich sinkt. Eine Rente als vorläufige Entschädigung würde diese Voraussetzung nicht erfüllen. Die Prüfung und – bei Vorliegen der Voraussetzungen – die Gewährung einer Abfindung kann nur aufgrund eines vorherigen Antrags des Versicherten erfolgen. Ohne einen solchen kann der Unfallversicherungsträger von sich aus keine Entscheidung über eine Abfindung treffen.

 

Rz. 8

Die Entscheidung über die Abfindung trifft der Unfallversicherungsträger nach pflichtgemäßem Ermessen. Im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens ist auch zu prüfen, ob durch die Abfindung schutzwürdige Interessen der Allgemeinheit verletzt werden. Dies ist der Fall, wenn durch die Gewährung der Abfindung und den damit verbundenen 10-jährigen Wegfall der laufenden Rentenzahlung zur Hälfte der Versicherte leistungsberechtigt nach dem SGB II (Grundsicherung) wird bzw. hiernach höhere Leistungen als bisher beanspruchen kann. Es gelten die zur Ermessensausübung im Rahmen des § 76 erfolgten Ausführungen entsprechend (vgl. die Komm. in Rz. 7 zu § 76).

 

Rz. 9

Ein bestimmter Verwendungszweck für die beantragte Abfindung ist vom Versicherten nicht anzugeben und dürfte auch nicht bei der Ermessensausübung berücksichtigt werden.

 

Rz. 10

Wie auch bei der Abfindung von Renten mit einer MdE unter 40 % setzt die Abfindung hier eine normale Lebensdauer des Versicherten voraus (vgl. die Komm. in Rz. 10 zu § 76). Ist aufgrund des Gesundheitszustandes des Versicherten wahrscheinlich, dass er vor Ablauf des Abfindungszeitraums verstirbt, kann die Abfindung versagt werden. In Rechtsprechung und Literatur wird überwiegend eine solche Wahrscheinlichkeit nur dann als hoch und damit als Versagungsgrund angesehen, wenn mit dem Tod in einem Zeitraum von etwa 3 Jahren gerechnet werden kann, weil es sich insofern um einen weitgehend zuverlässigen überschaubaren Zeitraum handele (so SG Kiel, Urteil v. 18.9.2002, S 2 U 123/01; Bereiter-Hahn/Mehrtens, SGB VII, § 78 Rz. 7 unter Hinweis auf ein Rundschreiben des BMA v. 20.12.1971, Va 3-52 zu § 73 BVG; Jung, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, § 78 Rz. 11; Plum, in: Podzun, Der Unfallsachbearbeiter, 05/18, US 0640 S. 17, der jedoch fälschlich als Befürworter dieser Ansicht Kranig in Hauck/Noftz anführt; dieser vertritt jedoch vielmehr die abweichende Auffassung, dass diese Anforderung an eine Versagung der Abfindung im Hinblick auf den 10-Jahres-Zeitraum zu weitgehend sei, vgl. Kranig, in: Hauck/Noftz, SGB VII, § 78 Rz. 11).

2.2 Mehrere Renten

 

Rz. 11

Hat der Versicherte Anspruch auf mehrere Renten auf unbestimmte Zeit aus der Unfallversicherung, kommt eine Abfindung nur in Betracht, wenn deren Vomhundertsätze zusammen die Zahl 40 erreichen. Renten nach einer MdE von 10 % nach § 56 Abs. 1 Satz 2 und 3 sind ebenfalls zu berücksichtigen.

 

Rz. 12

Ist eine Rente bereits in der Vergangenheit abgefunden worden, ist die aus diesem Versicherungsfall festgestellte MdE bei der Zusammenrechnung der Vomhundertsätze zu berücksichtigen.

2.3 Änderung in den Folgen des Versicherungsfalls

 

Rz. 13

Sofern sich die Folgen des Versicherungsfalls nach erfolgter Abfindung bessern und der Grad der MdE unter 40 % bzw. auf ein nichtrentenberechtigendes Ausmaß von weniger als 20 % absinkt, wird die in der Vergangenheit getroffene Abfindungsentscheidung hiervon nicht berührt. Das Risiko hierfür liegt somit beim Unfallversicherungsträger. Ist aber zu erwarten, dass sich in den Folgen des Versicherungsfalls noch kein stabiler Zustand eingestellt hat und die daraus resultierende MdE innerhalb des Abfindungszeitraums um wenigstens 10 % absinkt (Umkehrschluss aus § 73 Abs. 3), kann eine Abfindung nicht bewilligt werden. Auch ein Absinken der Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 % oder mehr von einem höheren Grad der MdE als 40 % ist relevant, d. h. wenn z. B. im Zeitpunkt der Entscheidung über die Abfindung eine MdE von 70 % besteht und im Abfindungszeitraum eine Besserung auf eine MdE auf 50 % zu erwarten ist, liegen die Voraussetzungen der Bewilligung einer Abfindung wegen § 78 Abs. 2 Nr. 2 nicht vor (a. A. Kranig, in: Hauck/Noftz, SGB VII, § 78 Rz. 9, der es nach Sinn und Zweck der Vorschrift für vertretbar erachtet, in einem solchen Fall den nach dem Ende des Abfindungszeitraums voraussichtlich mindestens zustehenden Rentenanteil für 10 Jahre bis zur Hälfte abzufinden, weil hierdurch Härten für die Versicherten vermieden würden, ohne dass schützenswerte Belange des Unfallversicherungsträgers berührt würden). Die abweichende Auffassung ist abzulehnen, da sie dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift widerspricht, wonach eine Abfindung erst zu gewähren ist, wenn mit einem wesentlichen Absinken der MdE gerade nicht mehr zu rechnen ist.

 

Rz. 14

Tritt während der Zeit der Rentenabfindung eine wesentliche Verschlimmerung in den Folgen des Versicherungsfalls ein, wird zwar der nichtabgefundene Teil entsprechend dem aktuellen Grad der M...

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