Rz. 13

Bei der Bemessung der MdE ist die bei dem Versicherten vor dem Unfall bestehende Erwerbsfähigkeit zugrunde zu legen. Die vor dem Unfall vorhanden gewesene individuelle Erwerbsfähigkeit ist dabei auch dann mit 100 anzusetzen, wenn die Erwerbsfähigkeit vor Eintritt des Unfalls bereits durch andere Gesundheitsstörungen gemindert war (vgl. BSG, Urteil v. 23.2.1983, 2 RU 25/82; BSG, Urteil v. 24.2.1977, 8 RU 58/76).

 

Rz. 14

Bei der Beurteilung der MdE, die in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung der Fähigkeiten und Kenntnisse des Verletzten und etwaiger Besonderheiten vorzunehmen ist, handelt es sich um eine Schätzung, denn der Grad der durch einen Unfall verursachten MdE ist erfahrungsgemäß nicht völlig genau feststellbar (vgl. BSG, Urteil v. 21.3.1974, 8/2 RU 55/72). In einem die Rente ablehnenden Bescheid sind Feststellungen zur Höhe der MdE nicht zu treffen, da sich die Feststellung eines bestimmten unter 20 % liegenden Grades der MdE zum Nachteil des Versicherten auswirken könnte (vgl. BSG, Urteil v. 22.6.2004, B 2 U 36/03 R).

 

Rz. 15

Im Laufe von Jahrzehnten hat sich für eine vereinfachte Beurteilung ein "Gerüst" von MdE-Werten herausgebildet, die sog. Erfahrungswerte. Unfallversicherungsgsträger und Gerichte begnügen sich im Allgemeinen mit diesen veröffentlichten MdE-Zahlen für einzelne Gesundheitsstörungen als Richtwerte, die auf Erfahrungen beruhen sollen (vgl. hierzu näher Scholz, in: jurisPK-SGB VII, § 56 Rz. 59). Funktionseinbußen, für die solche Anhaltswerte fehlen, werden entsprechend den ihnen ähnlichen, für die bereits MdE-Zahlen vorhanden sind, eingestuft (vgl. BSG, Urteil v. 14.11.1984, 9b RU 38/84). Dass diese vom versicherungsmedizinischen und versicherungsrechtlichen Schrifttum herausgearbeiteten MdE-Werte wirklichkeits- und maßstabsgerecht und somit sozial gerechtfertigt sind, beweist schon die jahrzehntelange praktische Erfahrung, verbunden mit einer regelmäßigen sozialgerichtlichen Bestätigung.

 

Rz. 16

Nicht maßgebend für die Bewertung der Folgen eines Versicherungsfalls sind dagegen die Bewertungen in anderen sozialen Entschädigungsbereichen, z. B. die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz", da diesen Einschätzungen von den Bewertungsmaßstäben der gesetzlichen Unfallversicherung abweichende günstigere Bewertungskriterien zugrunde liegen, die aber für die gesetzliche Unfallversicherung nicht bindend sind (vgl. BSG, Urteil v. 26.6.1985, 2 RU 60/84).

 

Rz. 17

Bei der Feststellung des Grades der MdE bedient sich der Unfallversicherungsträger des Urteils eines medizinischen Sachverständigen, der unter Berücksichtigung der unfallversicherungsrechtlichen Besonderheiten eine Bewertung vornimmt. Zu berücksichtigen ist aber, dass diese ärztliche Bewertung der MdE zwar einen wichtigen Anhaltspunkt bietet, den Unfallversicherungsträger bei seiner Entscheidung aber nicht bindet (vgl. BSG, Urteil v. 29.11.1956, 2 RU 121/56). Eine von der ärztlichen Meinung abweichende Bewertung bedarf aber einer eingehenden Begründung und ist zumeist nicht unbedenklich.

 

Rz. 18

Da der durch den Versicherungsfall eingetretene Schaden nach dem Prinzip der abstrakten Schadensbemessung zu beurteilen ist, also welche Fähigkeiten des Versicherten durch Folgen des Versicherungsfalls im gesamten Gebiet des Erwerbslebens verlorengegangen sind, handelt es sich hier um eine Funktionsbegutachtung. Diese erfolgt nicht nur aus auf medizinisch-wissenschaftlichen Erwägungen beruhenden Erfahrungen, sondern es sind vor allem auch die allgemeinen Lebensverhältnisse, die sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten sowie die Technik der Arbeitsvorgänge zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil v. 17.1.1958, 10 RV 102/56).

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