2.12.1 Überblick

 

Rz. 100

Sinn und Zweck der Versicherung kraft Gesetzes nach Nr. 10 ist es, Unfallversicherungsschutz für Personen zu begründen, die in der staatlichen oder kommunalen Verwaltung, in der Rechtspflege, im Bereich des Bildungswesens sowie im Bereich einer anerkannten Religionsgemeinschaft im Interesse und zum Wohl der Allgemeinheit oder der Religionsgemeinschaft ehrenamtlich tätig sind (BT-Drs. 6/120 S. 52). Die fragliche Tätigkeit braucht dabei nicht auf Dauer angelegt zu sein. Sie kann auf einzelne Veranstaltungen begrenzt sein, nur vorübergehend ausgeübt oder sogar nur einmal und nur für wenige Stunden verrichtet werden (BSG, Urteil v. 7.9.2004, B 2 U 45/03 R).

 

Rz. 101

Da das bürgerschaftliche Engagement eine unverzichtbare Bedingung für den Zusammenhalt der Gesellschaft ist, hat sich die vom Deutschen Bundestag eingesetzte Enquete-Kommission "Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements" in ihrem Abschlussbericht für eine Stärkung der Bürgergesellschaft und eine Neubestimmung des Verhältnisses von Staat, Wirtschaft und Bürgergesellschaft ausgesprochen. Mit dem Gesetz zur Verbesserung des unfallversicherungsrechtlichen Schutzes bürgerschaftlich Engagierter v. 9.12.2004 (BGBl. I S. 3299) hat der Gesetzgeber die Empfehlungen der Enquete-Kommission aufgegriffen und zugunsten der bürgerschaftlich Engagierten den Unfallversicherungsschutz erweitert (BT-Drs. 15/3439 S. 5). Neben anderen Gruppen (vgl. Abs. 1 Nr. 9) hat der Gesetzgeber in Abs. 1 Nr. 10 insbesondere auch die in privatrechtlichen Organisationen im Auftrag oder mit Zustimmung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder von Religionsgemeinschaften ehrenamtlich Tätigen in die Versicherung einbezogen (BT-Drs. 15/3439 S. 1).

2.12.2 Ehrenamtlich im öffentlich-rechtlichen Bereich Tätige (Nr. 10 Buchst. a)

 

Rz. 102

Nach Abs. 1 Nr. 10 Buchst. a sind 3 Personengruppen versichert (vgl. BMAS, Zu Ihrer Sicherheit – Unfallversichert im Ehrenamt, S. 7).

1. Gruppe: Pflichtversichert sind die für den Bund, ein Land, eine Gemeinde, einen Gemeindeverband oder eine andere Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts ehrenamtlich Tätigen. Hierzu gehören z. B. ehrenamtliche Mitglieder in Stadträten oder Kreistagen, Wahlhelfer, Mitglieder von Kammern, ehrenamtliche Richter, Schöffen (vgl. zum Begriff der Körperschaft auch Rz. 114).

2. Gruppe: Zum geschützten Personenkreis gehören die im Bereich des Bildungswesens Engagierten, z. B. gewählte Elternbeiräte oder Elternvertreter in Schulen, ehrenamtlich Lehrende, ehrenamtlich Prüfende.

3. Gruppe: Personen, die sich in Vereinen oder Verbänden im Auftrag oder mit Zustimmung von Gebietskörperschaften (insbesondere Kommunen) ehrenamtlich engagieren, sind ebenfalls versichert. Das ist vor dem Hintergrund bedeutsam, dass viele Städte und Gemeinden verstärkt auf Bürgerbeteiligung zur Sicherung ihrer kommunalen Infrastruktur setzen und Aufgaben an Vereine (Altenhilfeverein) oder Verbände (Tourismusförderung) übertragen, die eine eigene Rechtspersönlichkeit haben; daran soll der Schutz in der GUV nicht scheitern.

2.12.3 Ehrenamtlich Tätige

 

Rz. 103

Ehrenamtliche Tätigkeit setzt neben der Unentgeltlichkeit einen bestimmten qualifizierten Aufgaben- und organisatorischen Verantwortungsbereich der öffentlich-rechtlichen Körperschaft voraus, innerhalb dessen die ehrenamtliche Tätigkeit für die Körperschaft ausgeübt wird. Es muss sich nicht um ein Daueramt handeln, aber um ein regelmäßig auf längere Zeit angelegtes Ehrenamt (vgl. für alles Bieresborn, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 2 Rz. 219, 134 m. w. N.). Versicherungsschutz nach Nr. 10 besteht nur für Tätigkeiten innerhalb des konkret zugewiesenen Aufgabenkreises. Wenn dieser in Bezug auf eine bestimmte Maßnahme oder einen Einsatz nicht bereits gesetz- oder satzungsmäßig festgelegt ist, bedarf es für die ehrenamtliche Betätigung einer Willensentschließung der juristischen Person des öffentlichen Rechts, um die Versicherung zu begründen. Im Rahmen von Nr. 10 Buchst. a wird derjenige ehrenamtlich tätig, der entweder einen ausdrücklichen (BSG, Urteil v. 24.1.1992, 2 RU 71/90) oder einen stillschweigenden (BSG, Urteil v. 26.10.1983, 9b RU 16/82) Auftrag zum Tätigwerden erhalten hat (vgl. Rz. 105; Bay. LSG, Urteil v. 11.10.2006, L 2 U 136/06). Ein solcher Auftrag erfordert eine erkennbare Bereitschaft der öffentlich-rechtlichen Körperschaft, den Mitarbeitenden einzusetzen. Denn nicht jeder, der mit irgendwelchen Arbeiten befasst ist, die "zugleich" auch einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft dienen, ist in deren Auftrag tätig (zum Wettkampfrichter eines Vereins bei einer von der Kommune geförderten Rodelweltmeisterschaft: Thüringer LSG, Urteil v. 20.11.2014, L 1 U 368/13).

 

Rz. 104

Das Erfordernis der Unentgeltlichkeit ist der Ehrenamtlichkeit immanent (BSG, Urteil v. 27.4.1972, 2 RU 14/69 zu § 539 RVO; Bieresborn, in: jurisPK-SGB VII, § 2 Rz. 134). Unentgeltlich wird derjenige tätig, der für seine Arbeit keine Vergütung erhält (zur Zulässigkeit von Aufwandsentschädigungen und Auslagenersatz vgl. BSG, Urteil v. 19.8.1975, 8 RU 234/74BSG, Urteil v. 28.6.2000...

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