Rz. 7

Die zweifellos größte Gruppe der kraft Gesetzes unfallversicherten Personen sind die Beschäftigten. Diese Gruppe bildet – historisch betrachtet – den Kernbestand der Versicherten und beschreibt auch den Grundtypus des Versicherten in der GUV. Der Begriff "Beschäftigte" in Abs. 1 Nr. 1 entspricht demjenigen in § 7 Abs. 1 SGB IV, der für sämtliche Bereiche der Sozialversicherung und damit auch für den Bereich der GUV gilt. Abhängige Beschäftigung i. S. d. § 7 Abs. 1 SGB IV ist die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltpunkt für das Vorliegen einer Beschäftigung in diesem Sinne ist die freiwillige vertragliche Verpflichtung zur Ausübung einer Tätigkeit nach Weisung des Arbeitgebers, die Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeit sowie die Eingliederung in den Betrieb des Arbeitgebers umfasst. Die abhängige Beschäftigung (vgl. Rz. 11) ist insbesondere abzugrenzen von der selbstständigen Tätigkeit sowie von der Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger. Für die Einschätzung, ob abhängige Beschäftigung, eine selbstständige Tätigkeit oder eine solche als mithelfender Familienangehöriger vorliegt, ist das Gesamtbild der Erwerbstätigkeit maßgebend. Dabei geben die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag (vgl. BSG, Urteil v. 19.8.2003, B 2 U 37/02 R; BSG, Urteil v. 30.1.2007, B 2 U 6/06 R; BSG, Urteil v. 27.3.2012, B 2 U 5/11 R; BSG, Urteil v. 23.5.2017, B 12 KR 9/16 R). Das Vorliegen einer Beschäftigung muss nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls positiv festgestellt werden (Sächsisches LSG, Urteil v. 17.2.2021, L 6 U 245/17).

 

Rz. 8

Nach § 7 Abs. 2 SGB IV gilt als Beschäftigung auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung. Damit ist sichergestellt, dass auch Personen, die in einem Ausbildungsverhältnis stehen, gesetzlich unfallversichert sind. Allerdings erfasst Nr. 1 nur die Beschäftigung Auszubildender im Rahmen der betrieblichen (dualen) Berufsausbildung nach dem BBiG. Die Versicherung wegen betrieblicher Berufsausbildung geht anderen Versicherungstatbeständen vor (vgl. Franke, in: LPK-SGB VII, § 2 Rz. 6). Auch wenn die Ausbildung nicht in einem Betrieb der Wirtschaft, wohl aber einer vergleichbaren Einrichtung im öffentlichen Dienst, bei einem Angehörigen freier Berufe und im Haushalt durchgeführt wird, liegt eine betriebliche Ausbildung (§ 1 Abs. 5 BBiG) vor, die nach Nr. 1 geschützt ist (BSG, Urteil v. 29.10.1986, 2 RU 42/85; vgl. Rz. 25). Andere Lernende während einer beruflichen Aus- und Fortbildung sind durch Abs. 1 Nr. 2 in den Kreis der versicherten Personen einbezogen. Auch Personen, die in einer mit dem früheren Struktur-Kurzarbeitergeld (§ 175 SGB III a. F.) oder dem heutigen Transfer-Kurzarbeitergeld (§ 111 SGB III) geförderten Maßnahme stehen, sind als Beschäftigte nach Nr. 1 versichert (LSG Essen, Urteil v. 1.10.2008, L 17 U 274/07; BSG, Urteil v. 22.9.2009, B 2 U 34/08 R).

 

Rz. 9

Heimarbeiter gelten gemäß § 12 Abs. 2 HS 2 SGB IV als Beschäftigte (zu den Hausgewerbetreibenden und Zwischenmeistern vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 6; Rz. 63). Heimarbeiter sind Personen, die in eigener Arbeitsstätte im Auftrag und für Rechnung von Gewerbebetreibenden, gemeinnützigen Unternehmen oder öffentlich-rechtlichen Körperschaften erwerbsmäßig arbeiten, auch wenn sie Roh- und Hilfsstoffe selbst beschaffen.

 

Rz. 9a

Anders als Abs. 1 Nr. 17 erfasst Abs. 1 Nr. 1 unter dem Begriff "Beschäftige" auch die in Pflegeberufen abhängig beschäftigten Personen, weil Nr. 17 nur die Personen betrifft, die ehrenamtlich, ohne Vergütung Pflege leisten, also die nicht erwerbsmäßige Pflege (BSG, Urteil v. 26.6.2015, B 2 U 9/13 R). Entsprechendes gilt für die Gruppe der Beschäftigten in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen (z. B. DRK, Johanniter usw.). Die Beschäftigten solcher Unternehmen sind nach Nr. 1 versichert (BSG, Urteil v. 29.1.2019, B 2 U 22/17 R Rz. 12). Auch sind die in der Pflege Beschäftigten (versichert nach Nr. 1) von den nicht erwerbsmäßig Pflegenden (versichert nach Nr. 17) voneinander abzugrenzen (BSG, Urteil v. 26.6.2014, B 2 U 9/13 R).

 

Rz. 10

Die große Gruppe der Beschäftigten wird ohne Rücksicht auf den zeitlichen Umfang der Beschäftigung oder die Höhe des Arbeitsentgelts oder der Ausbildungsvergütung dem Schutz der GUV unterstellt. Insbesondere sind auch geringfügige oder unentgeltliche Beschäftigungen erfasst (BSG, Urteil v. 30.4.1979, 8a RU 38/78). Die Geringfügigkeitsgrenzen des § 8 SGB IV spielen in der GUV keine Rolle. Auch der Inhalt, die Form und die Wirksamkeit arbeitsvertraglicher Vereinbarungen sind für das Bestehen des Versicherungsschutzes unerheblich (BSG, Urteil v. 29.9.1965, 2 RU 169/63). Deshalb liegt im Falle eines sog. faktischen Arbeitsverhältnisses sozialversicherungsrechtliche Beschäftigung vor (vgl. unten Rz. 11b; BSG, Urteil v. 25.9.1981, 12 RK 58/80BSG, Urteil v. 26.11.1985, 12 RK 51/83).

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