0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift wurde mit dem Gesetz zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung (Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz – UVEG) v. 7.8.1996 (BGBl. I S. 1254) in das SGB VII überführt und trat am 21.8.1996 in Kraft. Vorgängervorschrift war § 714 RVO a. F. Durch Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung (Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz – UVMG) v. 4.11.2008 (BGBl. I S. 2130) wurde Abs. 1 eingefügt. Der bisherige Abs. 1 wurde Abs. 2. Der bisherige Abs. 2 wurde aufgehoben. Abs. 3 blieb unverändert.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Die Vorschrift regelt die Befugnisse der Aufsichtspersonen für Anordnungen gegenüber Unternehmern und Versicherten (Abs. 1). Dazu erhalten die Aufsichtspersonen hoheitliche, ordnungspolizeiliche Kompetenzen, die auch gegen den Willen des Unternehmers durchsetzbar sind. Derartige Eingriffe sind jedoch nur im Rahmen der Befugnisse nach Abs. 1 und 2 zulässig und für die Durchsetzung der Überprüfungspflicht möglich; eine "Zwangsberatung" ist nicht vorgesehen. Die Duldungspflicht des Unternehmers und die Einschränkung des Grundrechts der Unverletzlichkeit von Wohn- und Geschäftsräumen ist in Abs. 2 Satz 2 bis 5 normiert. Abs. 3 regelt im einzelnen die Pflicht des Unternehmers zur Unterstützung der Aufsichtspersonen.

2 Rechtspraxis

2.1 Anordnungen der Aufsichtspersonen

2.1.1 Rechtsnatur der Anordnungen

 

Rz. 3

Die Aufsichtspersonen sind gemäß Abs. 1 Satz 1 befugt, Anordnungen im Einzelfall zu erlassen. Es handelt sich um belastende Verwaltungsakte i. S. d. § 31 SGB X. Als Adressaten kommen Unternehmer und Versicherte, auch Unternehmer und Beschäftigte ausländischer Unternehmen in Betracht. Als Verwaltungsakte können die Anordnungen gemäß § 33 Abs. 2 SGB X schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise ergehen. Anordnungen können nach Maßgabe von § 66 SGB X vollstreckt werden. Außerdem löst das Zuwiderhandeln gegen eine vollziehbare Anordnung nach Abs. 1 gemäß § 209 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 einen Bußgeldtatbestand aus. Der Adressat einer Anordnung kann §§ 68 ff. VwGO als Rechtsbehelf Widerspruch einlegen. Da gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 3 SGG die Rechtswegzuweisung nicht greift, ist gemäß § 40 Abs. 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg eröffnet mit der Folge, dass für das Vorverfahren die Vorschriften der VwGO Anwendung finden.

 

Rz. 4

Gemäß Abs. 1 Satz 1 können die Aufsichtspersonen Anordnungen erlassen. Ihnen ist mithin bei der Frage, ob eine Anordnung ergehen soll, Entschließungsermessen und bei der Frage, welche Anordnung ergehen soll, Auswahlermessen eingeräumt. Ricke (in: KassKomm. SGB VII, § 19 Rz. 4a) interpretiert allerdings das "kann" im Wortlaut der Vorschrift als "Kompetenz-Kann". Angesichts klar geregelter Voraussetzungen und weil die Anordnung als belastender Verwaltungsakt auch Rechtsgrundlage für einen Bußgeldtatbestand bildet, sei kein Entschließungsermessen eingeräumt. Allerdings besteht auch nach dieser Auslegung ein Auswahlermessen (vgl. auch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rz. 7).

2.1.2 Anordnungen nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 1

 

Rz. 5

Anordnungen zur Erfüllung von Pflichten aufgrund der UVV nach § 15 kommen in Betracht, wenn Verstöße gegen Unfallverhütungsvorschriften (UVV) festgestellt werden. Angesichts des Überwachungsauftrags der Unfallversicherungsträger nach § 17 Abs. 1 besteht für sie die Verpflichtung zum Tätigwerden; ein Auswahlermessen besteht dann jedenfalls nicht. Auswahlermessen kommt nur in Betracht, soweit die jeweilige UVV dies zulässt.

2.1.3 Anordnungen nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 2

 

Rz. 6

Anordnungen zur Abwendung besonderer Unfall- und Gesundheitsgefahren setzen Gefahrenlagen voraus, bei denen keine UVV vorhanden sind. Gemeint sind spezifische Gefahrenlagen, aber nicht um besonders schwere Gefahren (Ricke, in: KassKomm. SGB VII, § 19 Rz. 6; a. A. Eichendorf, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 3. Aufl., § 19 Rz. 38; Kater/Leube, SGB VII, § 19 Rz. 9; Schmidt, SGB VII, § 19 Rz. 10) handeln. Dem Unfallversicherungsträger ist ein weites Ermessen eingeräumt bei der Beurteilung, wie die Gefahrenlage beschaffen sein muss und welcher Anordnung es bedarf.

2.1.4 Anordnungen nach Abs. 1 Satz 2

 

Rz. 7

Sofort vollziehbare Anordnungen setzen zum einen arbeitsbedingte Gefahren für Leben und Gesundheit voraus. Zum anderen muss Gefahr im Verzug bestehen, d. h., der Schadenseintritt muss unmittelbar drohen. Weiteres Abwarten würde zum Schadenseintritt führen. Unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes muss die drohende Gefahr auch schwere Schädigungen erwarten lassen (Ricke, in: KassKomm. SGB VII, § 19 Rz. 8). Das Entschließungsermessen dürfte angesichts dessen regelmäßig auf Null reduziert sein. Beim Auswahlermessen steht dem Unfallversicherungsträger hingegen ein Beurteilungsspielraum zu.

2.1.5 Anordnungen nach Abs. 1 Satz 3

 

Rz. 8

Anordnungen nach Abs. 1 und 2 gegen ausländische Unternehmen und Beschäftigte, die eine Tätigkeit im Inland ausüben, können nach Abs. 1 Satz 3 ergehen. Die Vorschrift verleiht die Anordnungsbefugnis für diese Gruppierung. Anordnungsbefugt sind sowohl der Unfallversicherungsträger, der nach deutschem Recht für das ausländische Unternehmen und dessen Versicherte zuständig wäre, als auch der für das Mitgliedsunternehmen, bei dem das ausländische Unterneh...

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