Rz. 3

Da bei der Entschädigung des Verletzten grundsätzlich das Entgelt des Versicherten in seinem Hauptberuf zu berücksichtigen ist (vgl. §§ 82 ff.) hätte die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft auf Basis des im Hauptberuf erzielten höheren Entgeltes des Verletzten diesem gegenüber Leistungen zu erbringen. Dieses unbillige Ergebnis verhindert die Regelung einerseits.

 

Rz. 4

Andererseits verfolgt die Vorschrift aufgrund des niedrigen Lohnniveaus in der Landwirtschaft das sozialpolitische Ziel, den bei einer vorübergehenden Tätigkeit in der Landwirtschaft verunglückten Verletzten, der im Hauptberuf bei einem anderen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung versichert ist, grundsätzlich so zu stellen, als hätte er den Versicherungsfall dort erlitten.

Entsprechend hat die gewerbliche Berufsgenossenschaft der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft die Leistungen zu erstatten, die über das hinaus gehen, was für einen mit gleichen Arbeiten dauerhaft in der Landwirtschaft Beschäftigten zu leisten ist.

 
Praxis-Beispiel

Berechnungsbeispiel eines Erstattungsanspruchs

Die unfallversicherungsrechtliche Leistung des Verletztengeldes für einen Arbeitnehmer, der in einem Bauunternehmen hauptberuflich tätig ist, bemisst sich nach den Grundsätzen des § 47 Abs. 1. Es beträgt 80 % des regelmäßig erzielten kumulierten Arbeitsentgelts (Regelentgelt), darf allerdings das Nettomonatsgehalt (ohne Einmalzahlungen) nicht überschreiten (§ 47 Abs. 1 Nr. 2). Das tägliche kumulierte Brutto setzt sich zusammen aus dem 30.Teil des letzten Bruttomonatsgehalts und dem 360. Teil aus den Einmalzahlungen der letzten 12 Monate vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit.

Als Regelentgelt zur Berechnungsgrundlage des Verletztengeldes für Arbeitnehmer kann maximal der 360. Teil des Höchst-Jahresarbeitsverdienstes (JAV) gemäß § 85 Abs. 2 zugrunde gelegt werden. Der Höchst-JAV gemäß § 85 Abs. 2 Satz 1 beträgt das 2-fache der Bezugsgröße für die alten Bundesländer – Bezugsgröße West – gemäß § 18 Abs. 1 SGB IV).

Die Bezugsgröße liegt 2023 für die alten Bundesländer bei 40.740,00 EUR jährlich (3.395,00 EUR monatlich). Für das Beitrittsgebiet liegt sie bei 39.480,00 EUR jährlich (3.290,00 EUR monatlich).

Der Unfallversicherungsträger kann anstelle von 81.480,00 EUR (Höchst-JAV 2023) nach § 85 Abs. 2 Satz 2 eine höhere Obergrenze in seiner Satzung bestimmen. Davon haben alle Unfallversicherungsträger Gebrauch gemacht (vgl. insoweit die Komm. in Rz. 8 und 9 zu § 85).

Bezieht der Arbeitnehmer (ledig und kinderlos) ein kumuliertes monatliches Einkommen von 2.400,00 EUR brutto, bei dem ihm 1.930,00 EUR netto verbleiben, so ergäbe sich für ihn unter Abzug seiner hälftigen Beitragsanteile zur Renten- und Arbeitslosenversicherung inklusive eines Zuschlags zur Pflegeversicherung aufgrund seiner Kinderlosigkeit ein Verletztengeld von 57,12 EUR pro Kalendertag, das ihm aufgrund des Arbeitsunfalles im Rahmen seiner vorübergehenden Tätigkeit (vgl. dazu Rz. 7) als Erntehelfer die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zu zahlen hat.

 

Rz. 5

Die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zahlt in Abweichung von § 47 Abs. 1 gemäß § 55a Abs. 3 Satz 1 ein geringeres (pauschaliertes) Verletztengeld an beispielsweise mitarbeitende Familienangehörige, selbst wenn diese gleiche Arbeiten dauerhaft im landwirtschaftlichen Unternehmen verrichten. Das pauschalierte Verletztengeld beträgt 1/8 des in § 223 Abs. 3 SGB V genannten Betrages. Nach § 223 Abs. 3 SGB V sind beitragspflichtige Einnahmen bis zu einem Betrag in Höhe des 360. Teils der Jahresarbeitsverdienstgrenze in der Krankenversicherung i. S. d. § 6 Abs. 7 SGB V für den Kalendertag zu berücksichtigen.

Für das Jahr 2023 liegt die gesetzlich festgesetzte Grenze bei 59.850,00 EUR. Daraus resultiert ein Verletztengeld von 20,78 EUR pro Kalendertag für 2023.

 

Rz. 6

Der Erstattungsanspruch der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft beträgt die Differenz der beiden Leistungen, im vorgenannten Beispiel somit 36,34 EUR Verletztengeld pro Kalendertag gegenüber der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft.

 

Rz. 7

Eine vorübergehende Tätigkeit für ein landwirtschaftliches Unternehmen liegt dann vor, wenn die Tätigkeit im Jahr vor dem Versicherungsfall 21 Tage nicht überschritten hat (BSG, Urteil v. 31.10.1978, 2 RU 87/76). Die Richtzahl von 21 Tagen soll nicht maßgebend sein, wenn im landwirtschaftlichen Betrieb nicht ganzjährig in durchschnittlichem Umfang Arbeiten anfallen (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 23.2.1994, L3 U 65/93).

 

Rz. 8

Leistet der Verletzte während der vorübergehenden Tätigkeit in der Landwirtschaft seinen Wehrdienst, besteht kein Anspruch der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft auf Ausgleich (BSG, Urteil v. 12.12.1985, 2 RU 14/84).

 

Rz. 9

Die Lastenausgleichsregelung berührt das Verhältnis zwischen dem leistungsberechtigten Versicherten und den beteiligten Unfallversicherungsträgern nicht. Es geht allein um die Finanzierung im Innenverhältnis zwischen den betroffenen Unfallversicherungsträgern (BSG, Urteil v. 23.7.2015, B ...

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