0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift trat gemäß Art. 36 des UVEG v. 7.8.1996 (BGBl. I S. 1254) zum 1.1.1997 in Kraft.

Die Vorschrift wurde zuletzt durch Art. 7 SGB IX v. 19.6.2001 (BGBl. I S. 1046) mit Wirkung zum 1.7.2001 geändert. § 11 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 wurden redaktionell neu gefasst und an den Wortlaut der Regelungen des SGB IX angepasst (vgl. BT-Drs. 14/5074 Art. 7 Nr. 3 und 4 S. 120; BT-Drs. 14/5786 S. 134). Allein die Wörter "berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation" werden durch den Begriff "von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben" ersetzt.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Die Vorschrift beschreibt einen besonderen Fall der gesetzlichen Zurechnung eines zweiten Unfalls als mittelbare Schadensfolge des Erstunfalls. Vorausgesetzt wird allerdings, dass der Zweitunfall bei den im Einzelnen aufgezählten Verrichtungen eingetreten ist (vgl. Rapp, in: LPK-SGB VII, § 11 Rz. 2; Schmitt, SGB VII, § 11 Rz. 3). Die Zurechnung zum ersten Versicherungsfall hat 2 wichtige Rechtsfolgen (vgl. ebenso: Mehrtens, in: Bereiter/Hahn, SGB VII, § 11 Rz. 3; Kater, in: Kater/Leube, SGB VII, § 11 Rz. 4; Schwerdtfeger, in: Lauterbach, SGB VII, § 11 Rz. 3):

 
1. Für die Entschädigung des zweiten Unfalls bleibt der Unfallversicherungsträger des Erstunfalls zuständig.
2. Der Jahresarbeitsverdienst, der für den ersten Unfall maßgeblich ist, bleibt auch weiterhin die Berechnungsgrundlage der Versicherungsleistungen (vgl. BSG, Urteil v. 13.7.1978, 8 RU 84/77, BSGE 47 S. 25, 27 f.), sogar wenn der Verunglückte im Zeitpunkt des Zweitunfalls nicht mehr zu den versicherten Personen zählt.
 
Praxis-Beispiel

Ein Versicherter arbeitet als Porzellanmaler (JAV 50.000,00 EUR). Durch einen Arbeitsunfall verliert er den Daumen der rechten Hand, weshalb er nur noch als Maler und Lackierer arbeiten kann (JAV 30.000,00 EUR). Auf dem Weg zur Nachuntersuchung erleidet er einen zweiten Unfall. Als JAV der Verletztenrente werden die 50.000,00 EUR zugrunde gelegt. Dabei bleibt es auch, wenn der Versicherte aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist und Altersrente bezieht.

 

Rz. 3

Die Norm entspricht im Wesentlichen dem bis zum 31.12.1996 geltenden Recht (§ 555 RVO). Der Anwendungsbereich wurde ausgeweitet, § 11 Abs. 1 Nr. 1 3. Variante. Während nach dem bis zum 31.12.1996 geltenden Recht nur mittelbare Schäden nach Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten geregelt waren, sind nun auch Schäden infolge präventiver Maßnahmen nach § 3 BKV, die der Gefahr des Wiederauflebens oder der Verschlimmerung einer Berufskrankheit entgegenwirken sollen, als mittelbare Folgen des Versicherungsfalls erfasst (vgl. Jung, in: Wannagat, SGB VII, § 11 Rz. 3; Schmitt, SGB VII, § 11 Rz. 1 und 10). Allerdings nur soweit bei diesen Maßnahmen ein Versicherungsfall bereits eingetreten ist (BT-Drs. 13/2204 S. 79 zu § 11). Als Folgeänderung wurde auch die Aufforderung des Unfallversicherungsträgers zur Vorbereitung von Maßnahmen nach § 3 BKV, eine von ihm bezeichnete Stelle aufzusuchen, aufgenommen. Die gesetzliche Neuregelung des § 11 Abs. 2 Satz 2 entspricht der bisherigen Ansicht in der Literatur (die Gleichstellung der Aufforderung einer beauftragten Stelle befürwortend: Gitter, SGb 1982 S. 221; Benz, BB 1985 S. 466; offengelassen in: BSG, Urteil v. 12.5.1981, 2 RU 107/79, BSGE 52 S. 16, 17).

2 Rechtspraxis

2.1 Inkrafttreten

 

Rz. 4

§ 11 gilt nur für Versicherungsfälle, die nach dem 1.1.1997 eintreten, § 212 (vgl. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 10.6.1999, L 5 U 68/98, HVGB-Info 2000 S. 544). Problematisch ist, ob unter dem Begriff des Versicherungsfalls der Erst- oder der Zweitunfall zu verstehen ist. Entscheidend für die Anwendung des § 11 ist der Zeitpunkt des Eintritts des Zweit­unfalls, nicht derjenige des Erstunfalls. Die Vorschrift beschreibt einen gedehnten Versicherungsfall, der erst abgeschlossen ist, wenn die letzte Schadensfolge eingetreten ist. Mittelbare Unfallfolgen sind auch solche, die bei der Erkennung oder Behandlung von Folgen des Versicherungsfalls eingetreten sind (Hessisches LSG, Urteil v. 15.6.2010, L 3 U 22/07). Weil § 11 bei einer Gesamtbetrachtung durch die Ausdehnung auf Maßnahmen nach § 3 BKV die Rechtslage im Vergleich mit dem bis zum 31.12.1996 geltenden Recht § 555 RVO zugunsten der Versicherten verbessert, ist er bereits dann anzuwenden, wenn die Gesetzesänderung vor dem Eintritt des Zweitunfalls in Kraft getreten ist. Insoweit entspricht die Rechtslage derjenigen bei § 63 Abs. 2, bei dem der Eintritt des Todes entscheidet.

Dass § 11 keinen eigenständigen Versicherungsfall darstellt, sondern nur die gesetzliche Zurechnung mittelbarer Folgen zu einem Erstversicherungsfall regelt, steht nicht entgegen. Diesem Gesichtspunkt wird dadurch Rechnung getragen, dass es für den Erstunfall bei der Rechtslage im Zeitpunkt seines Eintretens verbleibt. Nur die besonderen weiteren Verrichtungen, die § 11 kraft Gesetzes zurechnet, bestimmen sich nach der neuen Rechtslage (vgl. BSG, Urteil v. 30.6.1965, 2 RU 175/63, BSGE 23 S. 139, 141 ff.). Abschließend zeigt auch der Vergleich mit dem Versicherungsfall der Berufskrankheit, dass ...

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