Rz. 22

Die 2. Alternative zum Ausschluss des Haftungsausschlusses wurde mit der Neukodifizierung zum SGB VII neu formuliert. Nach § 636 RVO galt der Haftungsausschluss nicht bei Unfällen während der "Teilnahme am allgemeinen Verkehr". Mit dieser Formulierung konnten auch solche Unfälle unter das Haftungsprivileg fallen, die zwar Wegeunfälle waren, aber wegen ihrer engen Beziehung zu betrieblichen Belangen nicht im allgemeinen Verkehr stattfanden. Die Neuformulierung mit dem Verweis auf den Wegeunfall i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 bringt eine Klarstellung dahingehend, dass (nur) für Betriebswege der Haftungsausschluss des § 104 Abs. 1 gilt. Betriebswege sind Wege, die der Versicherte im Auftrag oder im Interesse des Unternehmers zurücklegt und nicht lediglich der versicherten Tätigkeit nachfolgen oder vorangehen. Wege i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 sind keine Betriebswege. Damit sind alle Wegeunfälle i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 dem Haftungsausschluss entzogen. Die Definition des Wegeunfalls ist dabei dieselbe, wie in § 8 Abs. 2 (vgl. die Komm. dort). Für eine andere Interpretation ist wegen des eindeutigen Wortlauts und wegen des dokumentierten Willens des Gesetzgebers (BT-Drs. 13/2204 S. 100), der ausdrücklich (nur) Betriebswege unter den Ausschlusstatbestand stellen wollte, kein Raum (Hollo, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl., § 104 Rz. 35, Stand: 21.3.2019; Hauck/Kranig, SGB VII, § 104 Rz. 45; Bereiter-Hahn/Mehrtens, SGB VII, § 104 Rz. 19.2; Krasney, in: Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, SGB VII, § 104 Rz. 23; Lauterbach/Dahm, SGB VII, § 104 Rz. 25). Für Wegeunfälle soll die volle Haftung des Unternehmers und im Rahmen von § 105 auch für andere im Betrieb tätige Personen bestehen bleiben, weil der Versicherte auf solchen Wegen den zu seinem Betrieb gehörenden Gefahrenbereich verlassen hat und sich wie jeder andere Verkehrsteilnehmer in die damit verbundenen Gefahren begeben hat, sodass es nicht gerechtfertigt wäre, ihn auf die Ansprüche gegen den Unfallversicherungsträger zu beschränken (Lauterbach/Dahm, a. a. O., Rz. 23; Bereiter-Hahn/Mehrtens, a. a. O., Rz. 19.1).

 

Rz. 23

Demgegenüber weitet die zivilrechtliche Rechtsprechung den Begriff des Betriebsweges im Rahmen des § 104 aus und nimmt einen solchen in Anlehnung an die frühere Rechtsprechung zur "Teilnahme am allgemeinen Verkehr" dann an, wenn der Versicherte sich im Bereich einer Situation befindet, die von der Organisationsmacht des Unternehmers geprägt oder zumindest beeinflusst wird (BGH, Urteil v. 12.10.2000, III ZR 39/00; BAG, Urteil v. 30.10.2003, 8 AZR 548/02; zustimmend: Grüner, in: LPK-SGB VII, § 104 Rz. 22; Ricke, in: KassKomm. SGB VII, § 104 Rz. 13). Dadurch wird das Haftungsprivileg entgegen dem Wortlaut der Vorschrift erweitert. Der BGH (a. a. O.) nimmt zur Begründung seiner Auslegung auf die Gesetzesbegründung Bezug, wonach die Haftung des Unternehmers für Personenschäden nach anderen gesetzlichen Vorschriften gegenüber dem Versicherten, seinen Angehörigen und Hinterbliebenen entsprechend dem geltenden Recht (§ 636 Abs. 1 Satz 1 RVO) auf vorsätzliches Handeln des Unternehmers und auf Wegeunfälle beschränkt sein soll. Die Ausnahme umfasse lediglich nicht mehr Betriebswege, die nach geltendem Recht als Teilnahme am öffentlichen Verkehr behandelt werden (BT-Drs. 13/2204 S. 100).

 

Beispiele:

  • Fahrt von und zur Schule, wenn der Fahrdienst von dem Träger der Schule organisiert ist (BGH, Urteil v. 12.10.2000, III ZR 39/00);
  • Fahrt von der Wohnung zur Baustelle mit einem Betriebsfahrzeug (BGH, Urteil v. 10.10.2002, 8 AZR 103/02);
  • in Eigenregie organisierte Fahrt von auswärtiger Baustelle zum Wohnort im vom Betrieb zur Verfügung gestellten Fahrzeug (BGH, Urteil v. 2.12.2003, VI ZR 349/02).

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