Rz. 3

§ 74 Abs. 1 unterscheidet, ob bereits ein gerichtliches Verfahren wegen eines Unterhaltsanspruchs oder über den Versorgungsausgleich anhängig ist (Satz 1 Nr. 1) oder die Daten zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen oder Ausgleichsansprüchen im Rahmen des Versorgungsausgleichs außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens benötigt werden (Satz 1 Nr. 2) oder ob es um die Anwendung der sog. Öffnungsklausel des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG im Besteuerungsverfahren geht (Satz 1 Nr. 3). Je nach Fallgestaltung unterscheidet sich, an wen und in welchem Umfang Sozialdaten übermittelt werden dürfen.

Mit der Übermittlungsbefugnis zur Feststellung von Unterhaltsansprüchen soll vermieden werden, dass eine Bedürftigkeit von Unterhaltsberechtigten dadurch eintritt, dass sich der Unterhaltspflichtige seiner Verantwortung entzieht. Würde das zugelassen, müssten letztlich der Staat oder die Versichertengemeinschaft eintreten. § 74 entspricht somit dem Gedanken des § 48 SGB I und stellt daher die genannten Unterhaltsleistungen in ihrer sozialen Funktion den Sozialleistungen gleich.

Mit der zum 1.9.2009 durch das VAStrRefG neu eingefügten Nr. 3 sollen für einen relativ kleinen Personenkreis steuerliche Ungleichbehandlungen von im Versorgungsausgleich ausgleichsberechtigten Personen vermieden werden.

Abs. 2 ermächtigt die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung und die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu Datenübermittlungen an das Bundesamt für Justiz, sofern es um die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen im Ausland geht.

2.1 Gerichtliches oder Vollstreckungsverfahren wegen Unterhaltsansprüchen (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a)

 

Rz. 4

Eine Datenübermittlung kommt nur gegenüber dem Gericht in Betracht, im Vollstreckungsverfahren auch gegenüber dem beauftragten Gerichtsvollzieher.

Hierunter fallen ausschließlich Verfahren nach zivilrechtlichen Vorschriften. Für die gerichtlichen Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) i. V. m. dem Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) und ggf. der Zivilprozessordnung (ZPO). Zu nennen sind insbesondere § 111 FamFG i. V. m. § 23a GVG; aber auch § 323 ZPO (Abänderungsklage), § 324 ZPO (Nachforderungsklage).

Für die Vollstreckungsverfahren gelten die §§ 803 ff. ZPO.

 

Rz. 5

Die beteiligten Parteien haben gegenüber den Sozialleistungsträgern nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a keinen Auskunftsanspruch; sie können nur beim Gericht anregen, entsprechende Anfragen an die Sozialleistungsträger zu richten.

 

Rz. 6

Voraussetzung für die Übermittlung ist, dass die Sozialdaten erforderlich sind für die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens oder eines Vollstreckungsverfahrens wegen eines gesetzlichen oder vertraglichen Unterhaltsanspruchs oder eines an seine Stelle getretenen Ersatzanspruchs.

Gesetzliche Unterhaltsansprüche regeln im BGB die

  • §§ 1601 ff., wonach Verwandte der geraden Linie verpflichtet sind, einander Unterhalt zu gewähren. Der Unterhalt ist durch Entrichtung einer Geldrente zu gewähren. Wenn besondere Umstände es verlangen, kann Unterhalt auch in anderer Form gewährt werden (§ 1612);
  • §§ 1615a ff., wonach der Vater seinem nichtehelichen Kind und unter bestimmten Voraussetzungen dessen Mutter gegenüber zum Unterhalt verpflichtet ist;
  • §§ 1360 ff. für Ehegatten, auch bei Getrenntleben;
  • §§ 1569 ff. für Geschiedene, soweit die Ehe nach dem 30.6.1977 geschieden wurde. Für Ehescheidungen vor dem 1.7.1977 sind die Unterhaltsregelungen in den §§ 58 ff. EheG maßgebend;

§ 5 LPartG regelt die Unterhaltsverpflichtungen zwischen Lebenspartnern.

 

Rz. 7

Vertragliche Unterhaltsansprüche ergeben sich entweder aufgrund einer entsprechenden schriftlich fixierten Vereinbarung oder eines gerichtlichen ­Vergleichs. Sie sind nur insoweit als vertragliche Unterhaltsansprüche einzuordnen, als der Regelungsgehalt von den gesetzlich festgelegten Anspruchs­normen abweicht.

 

Rz. 8

§ 844 Abs. 2 BGB regelt die Ersatzansprüche Dritter bei Tötung. Danach hat der Ersatzpflichtige dem Unterhaltsberechtigten insoweit Schadenersatz zu leisten, als der Getötete im Falle seines Weiterlebens zum Unterhalt verpflichtet gewesen sein würde. Das gilt auch dann, wenn die berechtigte Person zur Zeit der Tat noch nicht geboren, aber gezeugt ist.

2.2 Verfahren über den Versorgungsausgleich (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b)

 

Rz. 9

Die Vorschriften über den zwischen geschiedenen Eheleuten durchzuführenden Versorgungsausgleich waren bis zum 31.8.2009 bestimmt durch die §§ 1587 ff. BGB bzw. die Vorschriften des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG). Seit dem 1.9.2009 finden sich diese Vorschriften gebündelt im Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG). Die diesbezüglichen Verfahrensregelungen enthält das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) v. 17.12.2008 (BGBl. I S. 2586).

 

Rz. 10

Eine Datenübermittlung kommt nur gegenüber dem Gericht in Betracht. Dieses führt die Ermittlungen von Amts wegen durch und fordert insbesondere von den Rentenversicherungsträgern die erforderlichen Daten an.

Die beteiligten Pa...

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