Rz. 32

Die Rücknahme erfolgt durch einen VA (Rücknahmebescheid), dem im Regelfall ein Verwaltungsverfahren vorangeht. Dieses kann nach pflichtgemäßem Ermessen von Amts wegen eingeleitet werden (§ 18 Satz 1). Der rechtswidrig Begünstigte ist grundsätzlich vor Erlass des Rücknahmebescheides anzuhören, wenn nicht der Ablauf einer der in Abs. 3 oder 4 genannten Fristen droht (§ 24 Abs. 2 Nr. 2), wobei jedoch nunmehr die Anhörung bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz eines Klageverfahrens nachgeholt werden kann (§ 24, § 41 Abs. 1 Nr. 3, § 42 Satz 2).

 

Rz. 33

Bei der rückwirkenden Rücknahme soll der Rücknahmebescheid mit dem Erstattungsbescheid verbunden werden (§ 50 Abs. 3 Satz 2). Wenn in einem Rücknahmebescheid ein falsches Datum des zurückzunehmenden Bescheides benannt wird, führt dies nicht zwangsläufig zur Rechtswidrigkeit, wenn nach dem objektiven Empfängerhorizont unter Berücksichtigung der Begründung des Bescheides die gewollte Entscheidung der Behörde deutlich erkennbar ist (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 27.6.2013, L 1 R 208/12).

 

Rz. 34

Inhaltlich muss der Rücknahmebescheid in der Begründung neben der Darlegung der Rechtswidrigkeit des aufzuhebenden VA die Abwägung der Vertrauensschutzgründe enthalten und die Ermessensgründe für die Rücknahme des VA an sich und ggf. die Ermessensgründe für die rückwirkende Rücknahme (zur Frage der Nachholung von Ermessenserwägungen vgl. Komm. zu § 41). Der Rücknahmebescheid nach § 45 kann jedoch wahlweise auch auf § 48 gestützt werden, wenn zumindest die Wirkungen des bestandskräftigen VA durch Änderung der Sach- oder Rechtslage eine Aufhebung zuließen.

 

Rz. 35

Gegen den Rücknahmebescheid ist der Widerspruch der erforderliche Rechtsbehelf (§ 78 Abs. 1 SGG, § 68 Abs. 1 VwGO), nach Durchführung des Vorverfahrens die einfache Anfechtungsklage. Rechtsbehelfe gegen einen Rücknahmebescheid betreffen also stets (möglicherweise) einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB I). Ein Antrag nach § 44 SGB X auf Rücknahme eines auf § 45 gestützten Rücknahmebescheides ist möglich, jedoch besteht kein Rechtsanspruch auf rückwirkende Rücknahme des alten Rücknahmebescheides, weil dieser nicht unter § 44 Abs. 1 Satz 1 fällt (str., vgl. BSG, Urteil v. 16.1.1986, 4b/9a RV 9/85, SozR 1300 § 44 Nr. 22, vgl. auch die Komm. zu § 44 Abs. 2).

 

Rz. 36

Nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast trägt regelmäßig die Behörde die Beweislast für die Rechtswidrigkeit des begünstigenden VA, da sie aus § 45 eine Rechtsfolge für sich herzuleiten versucht (BSG, Urteil v. 21.3.2007, B 11a AL 21/06 R). Zudem ist die Behörde verpflichtet, das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der maßgeblichen Norm zu ermitteln und festzustellen (BSG, Urteil v. 25.6.2015, B 14 AS 30/14 R). Bei der rückwirkenden Aufhebung von vermögensabhängigen Leistungen geht es jedoch im Rahmen einer Beweislastumkehr zu Lasten des Leistungsempfängers, wenn seiner Sphäre zuzuordnende Vorgänge nach Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglichkeiten nicht aufklärbar sind (BSG, a. a. O., zur Frage angeblichen Treuhandvermögens, vgl. auch Bay. LSG, Urteil v. 23.6.2010, L 10 AL 327/07 zur Frage einer verschwiegenen selbständigen Tätigkeit, LSG BAden-Württemberg, Urteil v. 7.3.2016, L 1 AS 296/15 zur Verschleierung von Einkommen und Vermögen und Zweifeln an der Nutzung einer Wohnung). Eine Beweislastentscheidung zulasten des Leistungsberechtigten hat das BSG bei Nichtangabe von Glücksspielgewinnen angenommen, deren Höhe nicht geschätzt werden konnte (Urteil v. 15.6.2016, B 4 AS 41715 R). Außerdem liegt die Beweislast beim Begünstigten, wenn er den begünstigenden VA durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat oder nachträglich erstmals andere Tatsachen behauptet, die den begünstigenden VA gerechtfertigt hätten. Ergeben sich aus dem materiellen Recht der Sozialleistungen besondere Beweismaßstäbe (z. B. hinreichende Wahrscheinlichkeit der Kausalität im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung), ist dieser Beweismaßstab auch bei der Beurteilung der Rechtswidrigkeit des Bescheides im Rahmen der Entscheidung nach § 45 zu berücksichtigen (BSG, Urteil v. 20.3.2007, B 2 U 27/06 R; wohl a. A. für das Recht der Kriegsopferversorgung: BSG, Urteil v. 27.10.1989, 9 RV 40/88, vgl. Reyels, jurisPR-SozR 23/2007 Rz. 6).

 

Rz. 37

Geändert hat sich die Rechtsprechung hinsichtlich der Problematik bei sog. Treuhandkonten; also der Einlassung, ein auf den Namen des Leistungsbeziehers nach dem SGB III lautendes Konto unterliege nicht der eigenen Verfügungsmacht und die Forderung stehe tatsächlich einem Dritten zu (stille Zession). Noch zu Zeiten der Arbeitslosenhilfe (Leistungsgewährung bis zum 31.12.2004) ist die Rechtsprechung davon ausgegangen, dass einem Arbeitslosen ein auf seinen Namen eingerichtetes Konto schon im Wege des Rechtsscheins zuzurechnen ist, wenn er zuvor nicht selbst das Treuhandverhältnis zu einem Dritten offengelegt hat. Für die Aufhebung von Bewilligungsbescheiden nach dem SGB III hat das...

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