Rz. 5

Abs. 1 enthält eine Definition des Begriffs des begünstigenden VA, die wie die Definition des belastenden VA in § 44 für die §§ 44 bis 49 insgesamt von Bedeutung ist. Als begünstigend ist danach ein VA anzusehen, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat. Die Begründung eines Rechts durch VA setzt eine konstitutive Entscheidung mit rechtsgestaltender Wirkung voraus (z. B. die Zulassung zur Leistungserbringung im Krankenversicherungsrecht nach § 95, § 108 Nr. 3, § 124, § 126 SGB V). Diese konstitutive Wirkung eines VA ist immer dann anzunehmen, wenn die Entscheidung nur aufgrund eines Antrages i. w. S. zu ergehen hat und erst mit der Entscheidung das Recht oder der rechtlich erhebliche Vorteil entsteht. Ein VA enthält die Bestätigung eines Rechts, wenn er lediglich die deklaratorische Feststellung von an sich kraft Gesetzes entstandenen Rechten, Rechtsansprüchen (z. B. alle konkreten Leistungsansprüche, vgl. § 40 Abs. 1 SGB I) oder Rechtsfolgen enthält. Ein begünstigender VA ist für den Maßnahmeträger auch die Bewilligung einer ABM (Sächs. LSG, Urteil v. 7.12.2006, L 3 AL 118/05). Dies gilt auch für den Vermittlungsgutschein nach § 421g SGB III, der gegenüber dem Arbeitnehmer nach Maßgabe der §§ 45, 48 SGB X i. V. m. § 330 SGB III aufgehoben werden kann (Sächs. LSG, Urteil v. 26.4.2012, L 3 AL 255/10). Zur Rücknahme von (Alt-)Bescheiden über die Befreiung eines Vertragsarztes von der Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst wegen Neuregelung der Befreiungsvoraussetzungen in der Notfalldienstordnung der Kassenärztlichen Vereinigung vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 1.2.2017, L 5 KA 1476/14.

 

Rz. 6

Die Begünstigung durch Bestätigung eines rechtlich erheblichen Vorteils durch den VA liegt im Anwendungsbereich der Vorschrift gerade darin, dass diese gesetzlichen Rechte in Wahrheit nicht bestanden, weil sich aus dem Fehlen des materiellen Rechts die Rechtswidrigkeit des VA begründet. Der rechtliche Vorteil liegt daher in dem VA selbst, da dieser eine formale Rechtsposition und/oder inhaltlich formal Ansprüche gewährt, soweit und solange er wirksam ist.

 

Rz. 7

Der mittels VA erlangte rechtliche Vorteil kann darin liegen, dass ein anderer belastender VA (Beitrags- oder Erstattungsbescheid nach § 50) aufgehoben oder eine darin vorgesehene Forderung z. B. mit einem Erlassbescheid nach § 76 Abs. 2 Nr. 3 SGB IV über eine Beitragsforderung die Beitrags- oder Erstattungsforderung zum Erlöschen gebracht wird. Einen rechtlichen Vorteil verschafft insbesondere der rechtswidrige Leistungen zusprechende VA schon dadurch, dass er selbst zum Rechtsgrund für den Leistungsanspruch wurde. VA mit Mischwirkung (Doppelwirkung), die untrennbar sowohl begünstigende als auch belastende Elemente enthalten (z. B. die Feststellung der Pflichtversicherung, die zugleich Beitragspflichten und Leistungsansprüche begründet, oder die Befreiung von der Versicherungspflicht, die Beitragspflichten und auch Leistungsansprüche ausschließt, Löschung aus dem Unternehmerverzeichnis eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung, hierzu LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 23.3.2006, L 10 U 585/04), sind nicht ohne weiteres als rechtlich begünstigend anzusehen, denn je nach Sichtweise kann die fehlende Beitragspflicht begünstigen, der fehlende Leistungsanspruch jedoch belasten. In diesen Fällen richtet sich die Abgrenzung, ob der VA begünstigend oder nicht begünstigend ist, nach der gegenwärtigen subjektiven Sicht des Betroffenen (BSG, Urteil v. 28.9.1999, B 2 U 32/98 R, SozR 3-2200 § 605 Nr. 1; LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 23.3.2006, L 10 U 585/04, zur Aufnahme in das Unternehmerverzeichnis einer BG, hier aus Sicht des Betroffenen begünstigender VA). Jedoch sind auf Antrag zu erlassende rechtsgestaltende VA, die dem Antrag voll entsprechen, ungeachtet der wirtschaftlichen Folgen i. d. R. als begünstigend anzusehen (vgl. Komm. zu § 44). So hat die Abfindung einer Verletztenrente auf Antrag zwar auch belastende Komponenten, weil der Anspruch auf die dauernde Rente entfällt, aber diese Wirkungen nimmt der Antragsteller regelmäßig in Kauf, so dass sich der Abfindungsbescheid insgesamt als begünstigend darstellt (BSG, a. a. O.). Begünstigende Wirkung können insbesondere auch VA mit belastender Drittwirkung haben, bei denen die Rücknahme ohne Vertrauensschutz möglich ist (vgl. Komm. zu § 49). Nach Auffassung des Hessischen LSG (Urteil v. 14.10.2009, L 6 AL 154/07, ASR 2010 S. 71 [LS]) müssen die Voraussetzungen des § 45 und die Voraussetzungen des § 44 vorliegen, wenn ein VA aufgehoben werden soll, der eine untrennbare Doppelwirkung hat (hier: Abzweigungsbescheid nach § 48 SGB I).

 

Rz. 8

Die Rechtswidrigkeit des VA ergibt sich aus dem Vergleich des auszulegenden materiellen Rechts und dem objektiv zugrunde liegenden Sachverhalt (vgl. die Definition in § 44 Abs. 1) bei Erlass des VA. Verfahrensfehler sind zwar geeignet, die Rechtswidrigkeit zu begründen, können jedoch ungeachtet der Frage der Heilung oder Unbeachtli...

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