Rz. 22

Abs. 3 enthält einen sog. Negativkatalog, der typisiert diejenigen Fälle umfasst, bei denen nach dem Willen des Gesetzgebers der VA – trotz eines erheblichen Mangels – nicht nichtig sein soll (BSG, Urteil v. 28.9.1993, 1 RR 3/92). Es erfolgt damit eine Auflistung von Verfahrensmängeln, die für sich gesehen die Nichtigkeit eines VA nicht begründen. Auch eine Summierung von Fehlern nach Abs. 3 führt nicht notwendigerweise zur Nichtigkeit nach Abs. 1, selbst wenn die Fehler offenkundig sind. Denn diese Verfahrensfehler werden vom Gesetzgeber als nicht so schwerwiegend angesehen, dass damit die Folge der Nichtigkeit verbunden sein soll. Dem entspricht, dass bei derart fehlerhaften rechtswidrigen VA entweder nach § 41 eine Heilung der Fehler eintreten kann oder diese nach § 42 sogar unbeachtlich sind und der Bestand des VA dadurch bestätigt wird.

 

Rz. 23

Ein Verstoß gegen die örtliche Zuständigkeit (Abs. 3 Nr. 1) allein führt nicht zur Nichtigkeit des VA. Dies beruht auf der Annahme, dass die entscheidende Behörde ebenso wie die örtlich zuständige Behörde nach denselben Maßstäben des materiellen Gesetzes vorgeht und diese beachtet. Auch die mit der Rückwirkung der erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung häufig verbundene rückwirkende Änderung der örtlichen Zuständigkeit begründet nicht die Nichtigkeit der Leistungserbringung im Recht der Jugendhilfe (BVerwG, Urteil v. 25.3.2010, 5 C 12/09. mit Anm. Störmer, jurisPR-BverwG21/2010 Rz. 1).

 

Rz. 24

Ist mit der gebietsbezogenen Zuständigkeit zugleich aber auch die sachliche Zuständigkeit verbunden oder folgt aus der sachlichen erst die örtliche Zuständigkeit, ist Nichtigkeit nicht ausgeschlossen; z. B. bei absoluter Unzuständigkeit. Ein im Schwerbehindertenrecht ergangener Widerspruchsbescheid ist nicht nichtig, wenn er nicht von der sachlich zuständigen Bezirksregierung, sondern von der Regierung eines anderen Landesbezirks erlassen wurde (SG Detmold, Urteil v. 18.9.2009, S 19 SB 7/09). Keine evidente zur Nichtigkeit führende Fehlerhaftigkeit liegt vor, wenn eine unzuständige Aufsichtsbehörde – der bisherigen Praxis folgend – die Errichtung einer BKK genehmigt (vgl. BSG, Urteil v. 13.11.1985, 1/8 RR 5/83, BSGE 59 S. 122 = USK 85177). Allerdings lässt sich daraus, dass der Verstoß gegen die örtliche Zuständigkeit kein absoluter Nichtigkeitsgrund ist, nicht schließen, dass der Verstoß gegen die sachliche Zuständigkeit immer ein Nichtigkeitsgrund ist (vgl. BSG, Urteil v. 9.6.1999, B 6 KA 76/97 R, SozR 3-1300 § 40 Nr. 5). Die Verletzung einer nur behördenintern wirksamen Zuständigkeitsregelung führt weder zur Nichtigkeit noch zur Anfechtbarkeit. Auch die Verletzung funktioneller Zuständigkeiten mit Außenwirkung (Widerspruchsbehörde entscheidet anstelle der Ausgangsbehörde) führt nicht zur Nichtigkeit.

 

Rz. 25

Auch die Mitwirkung an sich ausgeschlossener Personen nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 (Abs. 3 Nr. 2) am Erlass des VA führt nicht zur Nichtigkeit. Die Mitwirkung des Beteiligten selbst an dem VA (VA in eigener Sache) ist jedoch, da § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 nicht genannt ist, als Nichtigkeitsgrund nach Abs. 1 anzunehmen. Dabei kann man die Frage der Nichtigkeit auch nicht davon abhängig machen, ob eine Selbstbegünstigung vorliegt oder vorliegen könnte, denn dann wäre die Nichtigkeitsentscheidung von Inhalt und materieller Rechtmäßigkeit des VA abhängig. Die Regelung des Abs. 3 Nr. 2 gilt auch für die Beteiligung von Personen, die wegen Besorgnis der Befangenheit (§ 17) hätten abgelehnt werden können (BSG, Urteil v. 28.9.1993, 1 RR 3/92 = SozR-3-1300 § 40 Nr. 1, SGb 1994 S. 229, LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 21.12.2007, L 7 SO 217/07), obwohl § 17 in Abs. 3 Nr. 2 nicht genannt wird. Die Beteiligung einer nach § 17 befangenen Person am Erlass des VA führt also nicht ohne weiteres zur Nichtigkeit. Ob eine Nichtigkeit aber dann anzunehmen ist, wenn sich die Mitwirkung einer befangenen Person auf den Gang des Verwaltungsverfahrens ausgewirkt hat, hat das BSG (Urteil v. 28.9.1993, 1 RR 3/92) offengelassen. Dies wird aber jedenfalls dann bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des Abs. 1 zu bejahen sein, wenn die befangene Person selbst erst die Voraussetzungen für die Entscheidung schafft und der Ausgang des Verfahrens nicht mehr von der Entschließung weiterer Personen abhängig ist (vgl. hierzu auch BSG, a. a. O.).

 

Rz. 26

Nicht zur Nichtigkeit führt auch die fehlende Mitwirkung eines Ausschusses, dessen Beschluss für den VA nicht gefasst wurde oder der bei Beschlussfassung beschlussunfähig war (Abs. 3 Nr. 3). Dieser Mangel der Beteiligung kann nach § 41 nachgeholt werden. Erfasst wird von der Regelung die Beteiligung von behördeninternen Ausschüssen, also nicht solchen Ausschüssen, die selbst Behörde sind (deren Nichtbeteiligung kann aber unter Nr. 4 fallen). Ist entgegen dem Beschluss des Ausschusses ein VA erlassen worden, findet Abs. 3 Nr. 3 keine Anwendung.

Keine Nichtigkeit sondern nur Anfechtbarkeit liegt vor, wenn ein Ausschussmitglied ausgeschlossen oder b...

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