0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift ist durch das Gesetz v. 4.11.1982 (BGBl. I S. 1450) mit Wirkung zum 1.7.1983 in Kraft getreten. Aufgrund der Regelung im 4. Euro-Einführungsgesetz v. 21.12.2000 (BGBl. I S. 1983) ist sie unverändert mit der Neufassung des SGB X v. 18.1.2001 (BGBl. I S. 130) bekannt gemacht worden.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Die Vorschrift lehnt sich an § 1543 Abs. 1 RVO an, der sich in der Praxis bewährt hatte. In § 1543 Abs. 2 RVO war die Möglichkeit der Aussetzung des Verfahrens zur Klärung einer öffentlich-rechtlichen Vorfrage vorgesehen. Die Normierung einer Aussetzungsmöglichkeit bei der Schaffung des § 118 wurde aufgrund der sich bereits aus § 148 ZPO ergebenden Möglichkeit zur Verfahrensaussetzung für entbehrlich gehalten (vgl. BT-Drs. 9/95 S. 29; Schlaeger/Bruno, in: Hauk/Noftz, SGB X, Stand: 12/2016, § 118 Rz. 4). § 118 normiert eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass in einem zivilrechtlichen Verfahren öffentlich-rechtliche Vorfragen vom Zivilgericht mitgeprüft und entschieden werden (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG). Auseinandersetzungen wegen unterschiedlicher Auffassungen sollen vermieden und sozialrechtliche Vorfragen aus dem Prozess vor den Zivilgerichten herausgenommen werden. § 118 dient demnach der Prozessökonomie. Es sollen voneinander abweichende Entscheidungen der Sozialleistungsträger sowie der Gerichte der Sozial- und Verwaltungsgerichtsbarkeit einerseits und der Zivilgerichte andererseits vermieden werden (vgl. BGH, Urteil v. 20.12.2016, VI ZR 664/15). Eine vergleichbare Regelung findet sich in § 108 SGB VII für die gesetzliche Unfallversicherung. § 108 Abs. 2 SGB VII sieht jedoch im Gegensatz zu § 118 eine Pflicht zur Verfahrensaussetzung vor. Nach dem im Rahmen des § 118 anwendbaren § 148 ZPO steht die Verfahrensausssetzung hingegen im Ermessen des Gerichts.

Eine Bindung tritt nicht nur bei rechtskräftigen Entscheidungen eines Gerichts, sondern auch bei unanfechtbaren Entscheidungen eines Leistungsträgers (vgl. § 77 SGG) ein, weil nach rechtsstaatlichen Grundsätzen die Rechtsprechung auch an unanfechtbare Verwaltungsakte gebunden ist (BT-Drs. 9/95 S. 10 sowie 9/1753 S. 18 und 45).

2 Rechtspraxis

2.1 Voraussetzungen und Umfang der Bindungswirkung

 

Rz. 3

Die Anwendbarkeit von § 118 setzt zunächst einen Anspruchsübergang gemäß § 116 voraus. Auf gemäß § 81a BVG übergegangene Schadensersatzansprüche ist § 118 analog anzuwenden, da – wie § 81a Abs. 4 BVG verdeutlicht – es sich insoweit um eine mit § 116 grundsätzlich identische Regelung im sozialen Entschädigungsrecht handelt (OLG Hamm, Urteil v. 12.8.1999, 6 U 8/99). Eine analoge Anwendung auch auf Ansprüche aus § 115 erscheint nicht möglich, da § 115 keinen Schadensersatzanspruch betrifft. Es handelt sich vielmehr um den Übergang eines vertraglichen Entgeltanspruchs (a. A. Breitkreuz, in: LPK-SGB X, 4. Aufl. 2016, § 118 Rz. 2; Peters-Lange, in: jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, Stand: 1.12.2017, § 118 Rz. 5; Schlaeger/Bruno, in: Hauk/Noftz, SGB X, Stand: 12/2016, § 118 Rz. 9 unter Hinweis auf das auch insofern bestehende Bedürfnis nach Vermeidung von divergierenden Entscheidungen von Gerichten bzw. von Gerichten und Verwaltungsbehörden).

 

Rz. 4

Die Bindungswirkung erfasst nur der materiellen Rechtskraft fähige Gerichtsentscheidungen sowie der materiellen Bestandskraft fähige Verwaltungsentscheidungen. Das sind z. B. (End-)Urteile, Gerichtsbescheide, Beschlüsse gem. § 153 Abs. 4 SGG, Verwaltungsakte und öffentlich-rechtliche Verträge nach § 53 Abs. 1 Satz 2 SGB X. Die Verwaltungsentscheidungen müssen Ergebnis eines entsprechenden Verwaltungsverfahrens nach dem SGB X sein (vgl. Kater, in: KassKomm. SGB X, 101. EL September 2018, § 118 Rz. 5).

 

Rz. 5

Umstritten ist die Frage, ob und inwieweit § 118 auf Vergleiche im Gerichtsverfahren Anwendung findet. Nach Ansicht des 10. Senates des OLG Sachsen-Anhalt (Urteil v. 25.8.2006, 10 U 30/06) besteht eine planwidrige Lücke und aus prozessökonomischen Erwägungen soll § 118 zumindest analog anzuwenden sein. Der 9. Senat des OLG Sachsen-Anhalt (Urteil v. 23.9.2008, 9 U 146/07) ist der Ansicht, das vorgenannte Urteil des 10. Senats des OLG Sachsen-Anhalt beziehe sich nur auf Prozessvergleiche, die Zuständigkeitsfragen klären, und lehnt die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 118 auf Prozessvergleiche ab (so auch Peters-Lange, in: jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, Stand: 1.12.2017, § 118 Rz. 11; Schlaeger/Bruno, in: Hauk/Noftz, SGB X, Stand: 12/2016, § 118 Rz. 17). Der ablehnenden Ansicht ist im Hinblick auf die materiell-rechtlichen Wirkungen eines Vergleichsvertrags nicht zu folgen. Im Weiteren entfaltet ein Vergleichsvertrag lediglich im Fall seiner Nichtigkeit nach § 58 SGB X keine Rechtswirkung. Darüber hinaus stellt ein Vergleichsvertrag eine (in Übereinstimmung mit dem Vertragspartner) getroffene Regelung eines Versicherungsträgers dar, die insoweit einer (bindenden) Entscheidung durch Verwaltungsakt gleichzusetzen ist (so im Ergebnis auch Kater, in: KassKomm. SGB X, 101. EL September 2018, § 118 Rz. 4; Bieresborn, in: v. Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 118 Rz. 4). Der BGH hat diese Frage bis...

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