1.1 Inhalt der Regelung

 

Rz. 2

Abs. 1 beinhaltet die unterschiedlichen Regelungsgegenstände über die Befreiungstatbestände. Abs. 1a regelt eine besondere Befreiungsmöglichkeit für Selbständige mit nur einem Auftraggeber nach § 2 Satz 1 Nr. 9. Abs. 1b beinhaltet die Befreiungsmöglichkeit für geringfügig Beschäftigte, für die seit dem 1.1.2013 – im Gegensatz zur früheren Rechtslage – Versicherungspflicht besteht. Abs. 2 regelt das Antragsrecht. Die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Befreiung ist in Abs. 3 niedergelegt. Abs. 4 stellt die Grundsätze für den Beginn der Befreiung auf und Abs. 5 regelt die sog. Erstreckung von erlassenen Befreiungsbescheiden.

 

Rz. 3

§ 6 regelt dabei abschließend die Befreiung von der Versicherungspflicht. Da es sich insoweit um eine Ausnahmevorschrift handelt, ist § 6 einer erweiternden Auslegung oder Analogie nicht zugänglich (BSG, Urteil v. 29.1.1981, 11 RA 22/80). Voraussetzung für die Anwendung von § 6 ist allerdings, dass Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung kraft Gesetzes (§§ 1 bis 3) oder auf Antrag (§ 4) besteht. Nur dann ist der Anwendungsbereich eröffnet. Soweit einer der Befreiungstatbestände gemäß § 5 eingreift, ist für die Anwendung von § 6 kein Raum (BSG, Urteil v. 28.8.1984, 11 RA 74/83). Bei mehreren Beschäftigungen oder selbstständigen Tätigkeiten ist die Befreiung gemäß § 6 jeweils getrennt zu beurteilen. Sie ist also tätigkeitsbezogen vorzunehmen. Als Übergangsregelungen sind §§ 231, 231a zu beachten.

1.2 Normzweck

 

Rz. 4

Sinn der Regelungen ist es, in möglichst vielen Lebenssituationen eine angepasste Altersvorsoge sicherzustellen, die mit einer generellen Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, wie sie in §§ 1, 2 und 3 festgeschrieben ist, nicht vollständig abbildbar wäre. Die Regelungen über die Befreiung von der Versicherungspflicht tragen damit der Lebenswirklichkeit Rechnung. Dies gilt insbesondere in den Bereichen, in denen berufsständische Versorgungswerke für eine Altersvorsorge Sorge tragen. Der Gesetzgeber akzeptiert damit auch die Pluralität der Absicherung im Alter gerade in den sog. freien Berufen (Rechtsanwalt, Notar, Patentanwalt, Ingenieur, Architekt u. a.). Mit der Befreiungsmöglichkeit auf Antrag wird damit dem Einzelnen in den gesetzlich vorgesehenen Fällen die Entscheidung darüber überlassen, ob er selbst für die Wechselfälle des Lebens vorsorgen will oder ob er den Schutz der Solidargemeinschaft in Anspruch nehmen möchte, ohne jedoch das beitragsfinanzierte System der gesetzlichen Rentenversicherung damit selbst infrage zu stellen oder auszuhöhlen.

 

Rz. 5

Zwar beinhaltet § 6 Abs. 1 unterschiedliche Regelungsgegenstände, bei der Befreiungsmöglichkeit nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 – Zugehörigkeit zu einer berufsständischen Versorgungseinrichtung – verfolgt der Gesetzgeber aber ausdrücklich den Zweck der Vermeidung doppelter Beitragszahlungspflichten (BT-Drs. 13/2590 v. 11.10.1995, S. 18). Diese Zielsetzung korrespondiert mit der Zielsetzung, eine hinreichende Altersvorsorge sicherzustellen. Dort, wo ein Betroffener eine anderweitige gleichwertige Altersabsicherung hat und die entsprechenden Beitragszahlungen auch nachweisen kann, räumt der Gesetzgeber das in § 6 Abs. 1 Satz 1 geregelte Recht auf Befreiung ein. Die Vorschrift will daher auch eine Doppel- bzw. Überversorgung dadurch vermeiden, dass es der freiwilligen Entscheidung des Betroffenen auf Antrag überlassen wird, ob er den Schutz der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch nimmt oder nicht.

1.3 Vorgängervorschriften

 

Rz. 6

Vorgängervorschriften finden sich in §§ 1230, 1231 RVO, in §§ 7, 8 AVG und in § 32 RKG. Im Unterschied zum früheren Recht werden die Befreiungstatbestände nunmehr zusammengefasst. Die gesetzlichen Voraussetzungen entsprechen zum größten Teil den bisherigen Vorschriften. Die in § 32 Abs. 6 RKG enthaltene Befreiung der vorübergehend im Bergbau beschäftigten ausländischen Arbeitnehmer ist aus sozialpolitischen Gründen entfallen (BT-Drs. 11/4124 S. 151).

1.4 Ergänzende bzw. korrespondierende Regelungen

 

Rz. 7

Ergänzende Regelungen finden sich in § 229 (Versicherungspflicht), § 229a (Versicherungspflicht im Beitrittsgebiet), § 231 (Befreiung von der Versicherungspflicht) und § 231a (Befreiung von der Versicherungspflicht im Beitrittsgebiet).

1.5 Gemeinsame rechtliche Anweisungen der DRV

 

Rz. 8

Die Deutsche Rentenversicherung hat im Anwendungsbereich des SGB VI umfangreiche Gemeinsame Rechtliche Anweisungen (GRA) geschaffen, die auch § 6 erfassen. Die GRA zu § 6: Befreiung von der Versicherungspflicht hat den Stand: 8.5.2023 und ist online abrufbar unter der Adresse: https://rvrecht.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/rvRecht/01_GRA_SGB/06_SGB_VI/pp_0001_25/gra_sgb006_p_0006.html (zuletzt abgerufen am 4.3.2024).

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