Rz. 4

Der Begriff der Berufsunfähigkeit ist in § 240 Abs. 2 definiert. Danach wird der Leistungsfall der Berufsunfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung ausgelöst. Krankheit i. S. d. Vorschrift ist jeder regelwidrige Zustand des Körpers, des Geistes oder der Seele, der die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten auf längere Dauer erheblich beeinträchtigt. Behinderung ist ein von der Regel abweichender körperlicher oder geistiger Zustand, mit dessen Dauer auf nicht absehbare Zeit zu rechnen ist.

Bei Feststellung der Berufsunfähigkeit i. S. v. § 240 Abs. 2 ist nach folgendem Prüfschema vorzugehen:

  1. Feststellung des bisherigen Berufs, sog. Hauptberuf,
  2. Prüfung, welche Arbeiten der Versicherte nach seinem Leistungsvermögen noch verrichten kann,
  3. Prüfung der sozialen Zumutbarkeit,
  4. Ermittlung des täglichen Leistungsvermögens des Versicherten.

Zu a): Feststellung des Hauptberufs

 

Rz. 5

Die Feststellung, ob die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als 6 Stunden täglich gesunken ist, setzt die Ermittlung des "bisherigen Berufs", das ist der sog. Hauptberuf, voraus.

Hat ein Versicherter nur einen Beruf ausgeübt, so kann nur dieser als Hauptberuf in Betracht kommen. Bei Ausübung mehrerer Berufe im Laufe des Berufslebens eines Versicherten ist aus den rentenversicherungspflichtigen Beschäftigungen/Tätigkeiten diejenige zu ermitteln, die dem Berufsleben des Versicherten das Gepräge gegeben hat. Dabei kommt grundsätzlich nur eine Beschäftigung/Tätigkeit als Hauptberuf in Betracht, die nach Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von 5 Jahren (§ 50 Abs. 1 Satz 1) tatsächlich ausgeübt worden ist. Bei vorzeitiger Wartezeiterfüllung gemäß §§ 53, 245 ist die Beschäftigung/Tätigkeit als Hauptberuf anzuerkennen, die im Zeitpunkt des Eintritts der Berufsunfähigkeit ausgeübt wurde.

Ermittlung des Hauptberufs bei Versicherten, die während ihres Versicherungslebens mehrere Berufe ausgeübt haben

Fallgruppe A:

 

Rz. 6

Die zuletzt ausgeübte Beschäftigung/Tätigkeit war die qualifizierteste (meist auch die am besten bezahlte) Berufstätigkeit.

Diese Beschäftigung/Tätigkeit ist als Hauptberuf anzuerkennen, wenn

  • sie vom Versicherten vollwertig verrichtet worden ist,
  • aufgrund der Ausübung der Beschäftigung/Tätigkeit Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt worden sind und
  • der Versicherte im Zeitpunkt der Ausübung dieser Beschäftigung/Tätigkeit die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren (§ 50 Abs. 1 Satz 1) erfüllt hatte.

Bei Feststellung des Hauptberufs kommt der vollwertigen Ausübung der zu beurteilenden Berufstätigkeiten eine besondere Bedeutung zu. Als Hauptberuf kommt nämlich nur eine Beschäftigung/Tätigkeit in Betracht, die nachweislich vollwertig verrichtet worden ist. Hiervon kann ausgegangen werden, wenn ein Versicherter die für die jeweilige Berufstätigkeit vorgeschriebene Ausbildung erfolgreich durchlaufen hat und nach Beendigung der Ausbildung auch tatsächlich in seinem erlernten Beruf tätig war. Grundsätzlich kann bei Vorliegen einer ordentlichen Berufsausbildung nicht verlangt werden, dass der Versicherte den erlernten Beruf eine gewisse längere Zeit hindurch tatsächlich ausgeübt hat (BSG, Urteil v. 28.7.1977, 5 RKn 22/76).

Die Dauer der Ausübung der als Hauptberuf in Betracht kommenden Beschäftigung/Tätigkeit ist allerdings in den Fällen von besonderer Bedeutung, in denen ein Versicherter die für diesen Beruf grundsätzlich erforderliche Ausbildung nicht durchlaufen hat, sondern sich die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten lediglich über eine sonstige Berufsentwicklung angeeignet hat. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts muss z. B. ein Versicherter, der eine gelernte Tätigkeit mit einer Regelausbildung von mehr als 2 Jahren tatsächlich ausgeübt hat, ohne die hierfür erforderliche Berufsausbildung durchlaufen zu haben, diese etwa zwei bis 3 Jahre hindurch verrichtet haben und entsprechend entlohnt worden sein, damit von einer vollwertigen Arbeitsverrichtung ausgegangen werden kann (BSG, Urteile v. 20.1.1976, 5 RJ 132/75, SozR 2200, § 1246 RVO Nr. 11; v. 10.6.1980, 11 RA 44/79, SozR 2200, § 1246 RVO Nr. 63; v. 30.3.1977, 5 RJ 98/76, SozR 2200, § 1246 RVO Nr. 16).

 
Praxis-Beispiel

Ein Versicherter, geb. am 10.12.1960, beantragte am 10.4.2015 die Bewilligung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240. Er weist folgenden vollständigen Versicherungsverlauf nach:

 
1.5.1986 – 30.4.2004 = 216 Kalendermonate Hilfsarbeiter; Pflichtbeiträge allgemeine Rentenversicherung
1.5.2004 – 30.4.2007 = 36 Kalendermonate Ausbildung zum Metallfacharbeiter mit Abschluss; Pflichtbeiträge allgemeine Rentenversicherung
1.5.2007 – 10.2.2015 = 94 Kalendermonate Metallfacharbeiter; Pflichtbeiträge allgemeine Rentenversicherung
10.2.2015     Minderung der Erwerbsfähigkeit

Zu prüfen ist, welche der vom Versicherten während seines Berufslebens ausgeübten ...

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