Rz. 6

Anerkannte Vertriebene in diesem Sinn sind Personen, die den Vertriebenenausweis A oder B besitzen. Dem Flüchtlingsausweis C kommt keine Bedeutung zu. Auf Spätaussiedler (§ 4 BVFG) ist die Regelung des § 206 ebenfalls anwendbar. Die Vertreibung beschränkt sich nicht nur auf eine Vertreibung aus den Vertreibungsgebieten des BVFG; es kommen alle Gebiete in Betracht, aus denen eine Vertreibung i. S. des BVFG stattgefunden hat.

 

Rz. 6a

Spätaussiedler (§§ 4, 15 BVFG) wären bei enger (wortgetreuer) Auslegung des § 206 Abs. 1 von einer Nachzahlung ausgeschlossen, da diese Regelung weder eine Gleichstellung der Spätaussiedler mit den Vertriebenen noch eine Verweisung auf den Personenkreis der §§ 1 bis 4 BVFG enthält.

Die historische Absicht des Gesetzgebers (der Spätaussiedlerstatus wurde erst nach der aktuellen Fassung des § 206 durch das RÜG rechtlich existent), die systematische Einordnung des § 206 in die für Spätaussiedler sonst maßgebenden rentenrechtlichen Regelungen, insbesondere aber der Sinn und Zweck dieser Vorschrift sprechen allerdings gegen die Annahme eines "gesetzlich gewollten" Ausschlusses der Spätaussiedler. Insbesondere ist kein sachlicher Grund erkennbar, warum diesem Personenkreis zwar die Nachzahlungen nach § 284 eröffnet sein sollten, nicht aber die nach § 206, obwohl beide Vorschriften von der grundsätzlichen Zielrichtung her (Schließung von Lücken im deutschen Versicherungsverlauf, weil zur Rentenversicherung des Herkunftslandes keine Beitragsleistung erfolgte) vergleichbar sind.

Die Rentenversicherungsträger vertreten daher die Auffassung, dass auch Spätaussiedler zu dem in § 206 Abs. 1 genannten Personenkreis der anerkannten Vertriebenen zählen.

 
Praxis-Beispiel

Ein Versicherter, geboren am 15.3.1974, besitzt den Vertriebenenausweis "A". Der Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland erfolgte am 20.10.1991. Im Herkunftsland Rumänien war der Versicherte nach Beendigung der Schulausbildung vom 1.2.1990 bis 15.3.1991 Mitglied des Ordens der Franziskaner. In dieser Zeit übte er ausschließlich Tätigkeiten für den Orden aus.

Nach seinem Ausscheiden aus der geistlichen Genossenschaft war der Versicherte vom 25.3.1991 bis 15.9.1991 als Arbeiter in einer rumänischen Fabrik beschäftigt. Beiträge zur rumänischen Sozialversicherung wurden nur für die Zeit der Beschäftigung als Fabrikarbeiter gezahlt.

Zur deutschen Rentenversicherung wurden vom 1.4.1992 bis 31.7.1994 Pflichtbeiträge aufgrund einer Beschäftigung entrichtet. Seit dem 15.8.1994 übt der Versicherte eine nicht versicherungspflichtige selbständige Tätigkeit als Immobilienmakler aus.

Lösung:

Die Ordenszugehörigkeit in Rumänien kann nicht als Beitragszeit nach § 15 FRG berücksichtigt werden. Eine Anerkennung nach § 16 FRG ist ebenfalls nicht möglich, weil der Versicherte als Mitglied einer geistlichen Genossenschaft nicht in einem Beschäftigungsverhältnis i. S. d. deutschen Sozialversicherungsrechts stand.

Es wurde eine Tätigkeit i. S. v. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ausgeübt. Weil der Versicherte nach seinem Zuzug keine gleichartige Beschäftigung oder Tätigkeit aufgenommen hat, die Zeit der Mitgliedschaft in der geistlichen Genossenschaft nicht als ruhegehaltfähige Zeit bei einer Versorgung berücksichtigt ist oder wird und nach der Wohnsitznahme im Inland für mindestens 24 Kalendermonate Pflichtbeiträge gezahlt sind, erfüllt er die in § 206 Abs. 1 bis 3 genannten Voraussetzungen für eine Beitragsnachzahlung.

Die Nachzahlung ist für die Kalendermonate von März 1990 (Vollendung des 16. Lebensjahres am 14.3.1990) bis Februar 1991 (März 1991 ist mit einer Beitragszeit nach § 15 FRG belegt) möglich (§ 209 Abs. 1 Satz 2, § 206 Abs. 1).

 

Rz. 7

§ 206 Abs. 1 verweist hinsichtlich der ausgeübten Beschäftigung oder Tätigkeit auf § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder 3. Hieraus folgt, dass für die ausgeübte Beschäftigung oder Tätigkeit im Herkunftsland eine Versorgung oder Versorgungsanwartschaft gewährleistet sein musste und deshalb wohl regelmäßig keine Beitragsleistung zur dortigen Rentenversicherung/Sozialversicherung erfolgte. Damit scheidet eine Anrechnung von Beitrags- bzw. Beschäftigungszeiten nach dem FRG im Regelfall aus.

Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass bei Nichtgewährleistung einer Versorgungsanwartschaft im Herkunftsland keine Beschäftigung oder Tätigkeit i. S. d. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder 3 ausgeübt wurde. In diesem Fall kann aber die Anerkennung von Beitrags- bzw. Beschäftigungszeiten nach dem FRG in Betracht kommen.

 

Rz. 8

Soweit der genannte Personenkreis im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nach der Vertreibung eine gleichartige Beschäftigung oder Tätigkeit wieder aufgenommen hat, besteht kein Nachzahlungsrecht. Bei der aufgenommenen Beschäftigung oder Tätigkeit genügt eine Gleichartigkeit der früheren Beschäftigung/Tätigkeit.

 

Rz. 9

§ 206 Abs. 2 schließt die Nachzahlung dann aus, wenn die im Herkunftsland ausgeübte versicherungsfreie Beschäftigung oder Tätigkeit in einer bereits gezahlten Versorgung als ruhegehaltfähige Zeit berücksichtigt worden ist od...

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