0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift ist durch das Rentenreformgesetz 1992 v. 18.12.1999 (BGBl. I S. 2261) mit Wirkung zum 1.1.1992 in Kraft gesetzt worden. Durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit v. 20.12.2000 (BGBl. I S. 1927) erfolgten redaktionelle und inhaltliche Änderungen mit Wirkung zum 1.1.2001 (Aufhebung von Abs. 1 Satz 2 und 3, Anfügung von Abs. 3, redaktionelle Anpassung von Abs. 2). Mit dem SGB IX v. 19.6.2001 (BGBl. I S. 1046) wurde erneut redaktionell angepasst (ab 1.7.2001). Das Gesetz zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente v. 10.12.2001 (BGBl. I S. 3443) nahm mit Wirkung zum 1.1.2002 eine redaktionelle Änderung der Überschrift vor.

1 Allgemeines

 

Rz. 1a

§ 116 entspricht § 1236 RVO, § 13 AVG und § 1241d Abs. 2 bis 4 RVO, § 18d Abs. 2 bis 4 AVG. Die Norm ist als Ergänzung zu §§ 9ff. zu sehen. Die Vorschrift hat die Regelungen aus dem früheren Recht übernommen. Sie soll bewirken, dass vor einer Entscheidung über eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit die Erfolgschancen einer Rehabilitationsmaßnahme geprüft werden. Abs. 2 fingiert einen Rentenantrag und dient damit dem Schutz des Versicherten. Es soll sichergestellt werden, dass sich die Reha-Bereitschaft der Versicherten nicht nachteilig auswirken kann.

Durch die Anfügung von Abs. 3 wird die Verrechnung von Übergangsgeld und Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bestimmt und somit klargestellt, dass kein Anspruch auf Übergangsgeld und Rente gleichzeitig bestehen kann.

2 Rechtspraxis

2.1 Rehabilitation vor Rente

 

Rz. 2

Durch die Aufhebung von Abs. 1 aufgrund der Schaffung des SGB IX ist der Grundsatz "Rehabilitation vor Rente" keineswegs entfallen. Vielmehr stellt nunmehr § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB IX den Vorrang von Leistungen zur Teilhabe vor Rentenleistungen klar, wobei dieser Grundsatz insoweit erweitert wurde, als er nunmehr auch beim Bezug einer Rente gilt (§ 8 Abs. 2 Satz 2 SGB IX). Durch die Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 2 wird dieser Grundsatz auch im SGB VI nochmals betont.

2.2 Antragsfiktion

 

Rz. 3

§ 116 Abs. 2 stellt sicher, dass sich die gem. § 8 Abs. 2 SGB IX fingierte Rehabilitationsfähigkeit des Versicherten nicht nachteilig auswirken kann. Stellt sich nämlich heraus, dass ein Erfolg von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erwarten oder nicht eingetreten ist, gilt der Antrag bzw. die Zustimmung, die dem Antrag gleichgestellt ist, als Rentenantrag. Dies dient der Festlegung des Rentenbeginns zu dem frühestens durch den Antrag bestimmten Zeitpunkt (vgl. §§ 99, 115). Im Rahmen seines Dispositionsrechts kann der Versicherte der Durchführung eines Rentenverfahrens dadurch widersprechen, dass er den Reha-Antrag zurücknimmt (BSG, 4 RJ 63/83, SozR 1300 § 103 Nr. 3). Ob diese Möglichkeit auch gegeben ist, wenn der Versicherte etwa von der Krankenkasse oder der Bundesagentur für Arbeit zur Reha-Antragstellung aufgefordert worden war (§ 51 SGB V; § 125 Abs. 2 SGB III), war lange Zeit umstritten. Das BSG hatte zwar zum Recht des RVO eine Einschränkung des Dispositionsrechts des Versicherten angenommen und die Rücknahme des Reha-Antrags nur bei Zustimmung der Krankenkasse oder der Bundesagentur für Arbeit als zulässig angesehen (BSGE 52 S. 26, 31). Dem hat die Gegenmeinung entgegen gehalten, dass sich die Sanktionen einer ohne Zustimmung erklärten Antragsrücknahme allein aus § 51 Abs. 3 SGB V bzw. § 125 Abs. 2 Satz 2 SGB III ergeben; denn die durch die o. g. Rechtsprechung bewirkte Einschränkung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit sei nach § 31 SGB I nur aufgrund einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung zulässig, an der es für den Bereich der Rentenversicherung fehle (vgl. Niesel, in: KassKomm., SGB VI, § 116 Rz. 9; Stand: November 2001; a. A. VerbKomm., SGB VI, § 116 Rz. 3). In seiner Entscheidung vom 26.6.2008 (B 13 R 37/07 R) hat das BSG an seiner Auffassung festgehalten und dies im Wesentlichen damit begründet, dass der Gesetzgeber in Kenntnis seiner Rechtsprechung nicht regelnd eingegriffen hat; es dürfe nicht in der Hand des Krankengeldbeziehers liegen, den Krankengeldbezug zu beeinflussen und das Eingreifen von (vorrangigen) Rentenleistungen zweckwidrig zu verhindern. Dies gilt auch dann, wenn zusätzliche Anrechnungszeiten in Betracht kommen (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 20.5.2015, L 1 KR 221/13; Thüringer LSG, Urteil v. 23.8.2016, L 6 KR 1065/12; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 21.11.2017, L 16 KR 261/16). Nach dieser (erneuten) Entscheidung des BSG dürfte der Meinungsstreit in der Praxis keine Bedeutung mehr haben.

 

Rz. 3a

Die Rentenversicherungsträger haben daraufhin "Grundsätze der Rentenversicherung zum Dispositionsrecht des Versicherten" (Stand August 2016) erlassen, die im Wortlaut abgedruckt sind:

„Die nachfolgenden Grundsätze finden nur Anwendung, wenn der Rentenversicherungsträger vor Erteilung des Rentenbescheides oder Rücknahmebestätigung Kenntnis von der Einschränkung des Dispositionsrechts hatte. Die Grundsätze finden sinngemäß auch auf § 125 SGB III Anwendung.

1. Der Versicherte wird von der Krankenkasse au...

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