Rz. 4

Teilhabeleistungen durch den Rentenversicherungsträger kann nur der Versicherte beanspruchen, dessen Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung (einschließlich Sinnesbehinderung) erheblich gefährdet (Rz. 9) bzw. bereits gemindert (Rz. 10) ist. Unter Krankheit ist ein regelwidriger körperlicher, geistiger oder seelischer Zustand zu verstehen, der Arbeitsunfähigkeit oder Behandlung oder beides nötig macht (BSG, Urteil v. 16.5.1972, 9 RV 556/71). Ob ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand vorliegt, beurteilt sich danach, ob der Versicherte noch die normalen körperlichen bzw. psychophysischen Funktionen ausüben kann oder nicht.

Den Begriff Behinderung definiert der Rentenversicherungsträger in seinen Auslegungsgrundsätzen (Rz. 3) wie folgt: Eine "Behinderung" bedeutet, dass die körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Diese Definition deckt sich im Wesentlichen mit dem Gesetzestext des § 2 Abs. 1 SGB IX. Bezüglich der Einzelheiten wird auf die dortige Komm. verwiesen.

Der Begriff der Erwerbsfähigkeit wird im Gesetz nicht definiert. In Rechtsprechung, Literatur und Praxis versteht man unter Erwerbsfähigkeit übereinstimmend die "Fähigkeit des Versicherten, unter Ausnutzung der Arbeitsgelegenheiten, die sich ihm nach seinen gesamten Erkenntnissen und körperlichen und geistigen Fähigkeiten im ganzen Bereich des wirtschaftlichen Lebens bieten, Erwerbseinkommen zu erzielen" (vgl. BSG, Urteil v. 19.7.1963, SozR 2200, § 1246 Nr. 27; vgl. auch die unter Rz. 3 aufgeführten Auslegungsgrundsätze der Rentenversicherungsträger). Das BSG definiert in seinen Urteilen v. 29.3.2006 (B 13 RJ 37/05 R) und v. 17.10.2006 (B 5 R 36/06 R) den Begriff der Erwerbsfähigkeit ferner als Fähigkeit des Versicherten, seinen bisherigen Beruf oder seine bisherige Tätigkeit weiter ausüben zu können. Es seien nicht die Kriterien anwendbar, die für die Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung maßgebend sind. Das bedeutet: Der Rentenversicherungsträger darf den Versicherten bei der Prüfung der Erwerbsfähigkeit nicht darauf verweisen, dass der Versicherte trotz der in seinem zuletzt ausgeübten Beruf bestehenden Fähigkeitsstörungen/Beeinträchtigungen noch vollschichtig einen anderen, zumutbaren Beruf (Verweisungsberuf) ausüben kann.

Im Gegensatz dazu ist das Rehabilitationsziel nicht allein auf die Wiederherstellung der Fähigkeit zur Ausübung der bisherigen Tätigkeit beschränkt. Es kommen auch andere Tätigkeiten in Betracht, die vergleichbare oder bessere Erwerbschancen auf dem Arbeitsmarkt bieten (BSG, Urteil v. 14.3.1979, 1 RA 43/78; BSG, Urteil v. 20.3.2006, B 13 RJ 57/05 R).

Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit ist jede länger dauernde, nicht unwesentliche Einschränkung der vollen Leistungsfähigkeit. Nach der Rechtsprechung des BSG ist unter Erwerbsfähigkeit im rehabilitationsrechtlichen Sinne die Fähigkeit des Versicherten zu verstehen, seinen bisherigen Beruf oder seine bisherige Tätigkeit weiter ausüben zu können. Die Kriterien, die für die Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung maßgebend seien, seien nicht anwendbar. Zu prüfen sei, ob der Versicherte unabhängig von den Besonderheiten des gerade innegehaltenen Arbeitsplatzes den typischen Anforderungen des ausgeübten Berufs noch nachkommen kann (BSG, Urteil v. 20.10.2009, B 5 R 44/08 R). Hierbei ist auf die gesamte berufliche Qualifikation abzustellen, also auf das Berufsbild in voller Breite und nicht lediglich auf die zuletzt ausgeübte berufliche Tätigkeit in der Ausgestaltung des konkreten Arbeitsplatzes. Dabei sind auch berufliche Tätigkeiten der letzten Jahre mit einzubeziehen, wenn sie nicht allzu lange zurückliegen (vgl. BSG, Urteil v. 31.1.1980, 11 RA 8/79; vgl. hierzu auch Rz. 6). Eine geminderte Erwerbsfähigkeit liegt nicht erst vor, wenn eine Erwerbsminderung i. S. d. § 43 gegeben ist, sondern bereits dann, wenn die Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben nicht unwesentlich eingeschränkt ist und der Versicherte daher nicht in der Lage ist, seinen Beruf normal auszuüben. Dabei kommt es nur auf die Erwerbsfähigkeit in diesem Sinne als solche an, während es – mit Ausnahme der Fälle des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c – im Rahmen des § 10 nicht entscheidend ist, ob der Versicherte tatsächlich noch einer Erwerbstätigkeit nachgeht oder nachgehen will; die Prüfung dieses Umstandes erfolgt bei § 12 (BSG, Urteil v. 22.6.2010, B 1 KR 32/09 R, Rz. 20; LSG München, Urteil v. 3.8.2015, L 13 R 1115/13).

Eine tragfähige gesetzliche Grundlage für die Annahme, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation dürften nicht an Versicherte erbracht werden, die aus versicherungsrechtlichen Gründen keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung haben (z. B. weil vor Eintritt der Erwerbsminderung...

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