Rz. 111

Das SGB VI enthält keine Regelungen zur Versicherungskonkurrenz. Jedoch ist der Intention des Gesetzgebers (BT-Drs. 11/4424 und 11/4452) zu entnehmen, dass in Bezug auf dieselbe Tätigkeit grundsätzlich die Versicherungspflicht kraft Gesetzes (z. B. § 1) der Versicherungspflicht auf Antrag vorgeht (zur möglichen Mehrfachversicherung beim Aufeinandertreffen mehrerer Pflichtversicherungstatbestände vgl. GRA der DRV zu § 1 SGB VI, Stand: 1.1.2018, Anm. 11). Im Übrigen geht die Regelung vor, die im Einzelfall den besten sozialen Schutz gewährt (vgl. auch Rz. 5). Hierzu werden in der Begründung zum Gesetzentwurf beispielhaft folgende Konkurrenzsachverhalte ausgeführt (BT-Drs. 11/4124 S. 148):

 

Rz. 112

 
Vorrangvorschrift Nachrangvorschrift
§ 1 Satz 1 Nr. 1 i.V. mit § 3 Satz 2 (Personenkreis der Wehr- und Zivildienstleistenden, die für die Zeit ihres Dienstes Arbeitsentgelt weiter erhalten oder Leistungen für Selbstständige nach § 13a des Unterhaltssicherungsgesetzes erhalten, die als gegen Arbeitsentgelt Beschäftigte gelten) § 3 Satz 1 Nr. 2 (Personen, die aufgrund gesetzlicher Pflicht mehr als drei Tage Wehr- oder Zivildienst leisten)
§ 1 Satz 1 Nr. 1 (gegen Entgelt beschäftigte Arbeitnehmer) § 1 Satz 1 Nr. 4 (Mitglieder geistlicher Genossenschaften usw.)
§ 3 Satz 1 Nr. 3 (Personen, die von einem Rehabilitationsträger Lohnersatzleistungen oder von der Bundesagentur für Arbeit Arbeitslosengeld I oder Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende beziehen) § 1 Satz 1 Nr. 3 (Personen in Einrichtungen der Jugendhilfe oder Berufsbildungswerken oder ähnlichen Einrichtungen)
 

Rz. 113

Im Folgenden wird noch auf Konkurrenzsituationen, die durch die in der Gesetzesbegründung enthaltene beispielhafte Aufzählung nicht erfasst sind, hingewiesen.

 

Rz. 114

Grundsätzlich liegt bei Personen, die nach Satz 1 Nr. 2 Buchst. a oder b rentenversicherungspflichtig sind, keine Beschäftigung i. S. d. § 7 SGB IV vor. Werden jedoch Arbeitnehmer in geschützten Einrichtungen als Funktionskräfte beschäftigt, ist deren versicherungsrechtliche Beurteilung fraglich, wenn auch eine Behinderung i. S. d. § 2 SGB IX vorliegt.

 

Rz. 115

Lässt man sich bei der Beurteilung dieser Fälle von den in der Gesetzesbegründung genannten Kriterien leiten, so würde insbesondere bei Funktionskräften, die ein relativ geringes Arbeitsentgelt erhalten, die Versicherung nach Satz 1 Nr. 2 Buchst. a oder b durchzuführen sein. Diesem Personenkreis wird nämlich eine Beitragsbemessungsgrundlage in Höhe von mindestens 80 % der Bezugsgröße gewährleistet (vgl. § 162 Satz 1 Nr. 2). Es ist jedoch nicht sachgerecht, Arbeitnehmern nur aufgrund der Zufälligkeit eines besonderen Arbeitgebers eine höhere als nach ihrem erzielten Arbeitsentgelt maßgebliche Beitragsbemessungsgrundlage zu verschaffen. Daher bietet sich hier als Abgrenzungskriterium die Frage an, ob die Person wegen ihrer Behinderung in der Werkstatt aufgenommen ist oder ob sie ihre Beschäftigung auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten könnte (vgl. Anm. II Nr. 1 Abs. 2 zu § 2 des Gesetzes über die Sozialversicherung Behinderter [SVBG] im Gemeinsamen Rundschreiben v. 29.7.1975, BKK 1975 S. 314). Letztlich ist dies daher eine Frage des Einzelfalls.

 

Rz. 116

Werden Personen in einer Einrichtung der Jugendhilfe im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses/Ausbildungsverhältnisses gegen Arbeitsentgelt auf eine Erwerbstätigkeit vorbereitet, so liegen die Voraussetzungen gemäß Nr. 3 und Nr. 1 (Versicherungspflicht als Arbeitnehmer) vor. Die Versicherung nach Nr. 1 bietet den besseren sozialen Schutz, wenn das Arbeitsentgelt die Beitragsbemessungsgrundlage für Personen in Einrichtungen der Jugendhilfe (20 % der monatlichen Bezugsgröße, vgl. § 162 Satz 1 Nr. 3) übersteigt, was regelmäßig der Fall sein wird. Deshalb ist in solchen Fällen von einer Versicherung nach Nr. 1 auszugehen.

 

Rz. 117

Zu den Berufsbildungswerken ähnlichen Einrichtungen gehören auch die Behindertenwerkstätten i. S. d. § 226 SGB IX (= Blindenwerkstätten), in deren Trainingsbereich berufsvorbereitende Maßnahmen stattfinden können. Den besten sozialen Schutz bietet in diesem Fall die Versicherung über § 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, da die Beitragsbemessungsgrundlage hier 80 % der Bezugsgröße beträgt (vgl. § 162 Satz 1 Nr. 2), während bei einer Versicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 3 der für freie Kost und Wohnung festgesetzte Wert maßgebend wäre (§ 162 Satz 1 Nr. 3). Folglich ist eine Versicherung nach Nr. 2 Buchst. a anzunehmen.

 

Rz. 118

Die Zuständigkeit zur Entscheidung über das Vorliegen von Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung (also auch der gesetzlichen Rentenversicherung) obliegt grundsätzlich der im Einzelfall zuständigen Krankenkasse als Einzugsstelle (vgl. insoweit weitergehend auch zur ausnahmsweisen Zuständigkeit der DRV: GRA der DRV zu § 1 SGB VI, Stand: 1.1.2018, Anm. 12).

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