Rz. 140

Ein Beschäftigter kann aufgrund einer Vereinbarung vor der Zeit der Freistellung ein Wertgutarbeiten erarbeiten, welches dann während der Freistellungsphase als Arbeitsentgelt ausgezahlt wird, wobei in der Anarbeitungsphase die Arbeitsleistung die arbeitsvertraglich vereinbarte übersteigen muss. Das Wertguthaben kann sowohl aus einem Zeitkonto als auch angespartem Arbeitsentgelt bestehen (§ 7 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1).

 

Rz. 141

Die tatsächliche Arbeitsleistung (vgl. hierzu Rz. 33, 40, 53, 54) ist jedenfalls dann keine unverzichtbare Voraussetzung für ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis, wenn das Arbeitsverhältnis weiterhin bestehen bleibt und Entgelt gezahlt wird (Schlegel, NZA 2005 S. 972). Eine versicherungspflichtige Beschäftigung verlangt daher nicht zwingend eine tatsächliche Arbeitsleistung. Deren Erbringung ist für die Annahme eines "Vollzuges" zwar stets hinreichend, keinesfalls aber immer notwendig. Im Sinne der ausreichenden Gewährleistung öffentlich-rechtlichen Versicherungsschutzes liegt vielmehr ein ausreichender Vollzug auf die Erbringung abhängiger Arbeit gerichteter Rechtsverhältnisse u. a. auch dann vor, wenn der Dienstverpflichtete bei Fortbestand des rechtlichen Bandes aufgrund gesetzlicher Anordnung oder durch eine besondere vertragliche Abrede von seiner damit jeweils als grundsätzlich weiter bestehend vorausgesetzten Leistungspflicht befreit wird (vgl. hierzu LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 2.8.2016, L 9 KR 284/16 B ER). Soweit die Versicherungspflicht Entgeltlichkeit erfordert, kann dieser Voraussetzung auch dadurch genügt werden, dass sich ein Anspruch auf Arbeitsentgelt aus einer entsprechenden vertraglichen Regelung oder entgegen den allgemeinen schuldrechtlichen Bestimmungen der § 275 Abs. 4, § 326 Abs. 1 HS 1 BGB aufgrund spezialgesetzlicher Anordnung (etwa § 3 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz, §§ 1, 11 Bundesurlaubsgesetz, §§ 615, 616 BGB) ergibt. § 7 Abs. 1a, der im Sinne einer übergreifenden Regelung Zweifel am Fortbestehen einer entgeltlichen Beschäftigung im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Flexibilisierung der Arbeitszeit beseitigen soll, bestätigt dies exemplarisch für die dort spezialgesetzlich erfasste Fallgruppe der Freistellung von der Arbeitspflicht bei durchgehender Entgeltzahlung auf der Grundlage gerade von Wertguthaben.

 

Rz. 142

Eine Beschäftigung besteht nach Abs. 1a auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig wird und das monatliche Arbeitsentgelt nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen 12 Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde. Der Formulierung "das monatlich fällige Arbeitsentgelt" ist keine Beschränkung auf laufendes Arbeitsentgelt zu entnehmen. Vielmehr ist auch einmalig gezahltes Arbeitsentgelt für den jeweiligen Lebensstandard mitbestimmend. Soweit in der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen (BT-Drs. 13/9741 S. 9 zu Art. 1 Nr. 2) ausgeführt wird "Bei der Verhältnisbildung bleiben zusätzlich zum Lohn oder Gehalt gezahlte Zulagen oder Zuschläge außer Betracht", bezieht sich dies nach dem Sachzusammenhang der Begründung nur auf Erschwerniszuschläge, Schmutzzulagen etc., die einen arbeitsbedingten Mehraufwand ersetzen sollen, der während der Freistellung nicht anfällt, also nicht primär lebensstandardrelevant ist (so BSG, Urteil v. 20.3.2013, B 12 KR 7/11 R).

 

Rz. 143

Nicht selten sind tarifliche oder betriebliche Gleitzeitvereinbarungen allerdings schon deshalb keine Wertguthabenvereinbarungen i. S. d. § 7 Abs. 1a (a. F.), weil es bereits an einer Stundung der Sozialversicherungsbeiträge für die im Gleitzeitkonto angesammelte Arbeitszeit mangelt. Die Gleitzeitvereinbarung verfolgt gerade nicht das Ziel der Freistellung von der Arbeit. Im Vordergrund steht lediglich die Flexibilisierung der täglichen Arbeitszeit. Daneben wird es bei vielen auf tariflichen oder betrieblichen Vereinbarungen beruhenden Gleitzeitregelungen häufig an der schriftlichen Vereinbarung mit dem Beschäftigten fehlen. Arbeitsrechtliche Arbeitszeitflexibilisierung kann jedoch nur in solchen Fällen im Rahmen der gemeinsamen Vorschriften für die Sozialversicherung im SGB IV geregelt werden, wenn hierdurch Belange der Sozialversicherung berührt sind, d. h., wenn von den Vereinbarungen die Vorschriften über die Fälligkeit und Beitragsentrichtung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags betroffen sind. Die über den geltenden Anwendungsbereich von Wertguthabenvereinbarungen bestehenden unterschiedlichen Auffassungen haben insofern in der Praxis nicht selten zu Abgrenzungsschwierigkeiten geführt. Aus diesen Gründen ist eine klare Fassung der Definition von Wertguthaben erforderlich (so BT-Drs. 16/10289). Diese hat der Gesetzgeber nunmehr vollzogen (vgl. hierzu § 7b).

 

Rz. 144

Das sozialrechtliche Beschäftigungsverhältnis endet nicht zwingend mit der Einst...

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